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bloße Erreichung der Pole. Stehen doch zahlreiche namhafte Geo- Ilichen Sommersolstitium bei völlig ruhigem Wetter immer noch graphen auf dem Standpunkt, daß die Jagd nach den Polen weit 23 Grad Celsius Kälte gemessen. Das ist für Shackletons Ergeb= mehr eine sportliche als eine wissenschaftliche Tat darstelle. Das ist nisse eine Bestätigung. natürlich eine einseitige Auffassung; denn das Streben der Mensch­heit nach den äußersten Punkten des Planeten zeugt von einem tiefen Drange nach geographischer Erkenntnis, wiewohl man ja be­reits lange vor der endgültigen Erreichung der beiden irdischen Scheitelpunkte wußte, daß dieje als lediglich geographische Begriffe fich in feiner Weise von ihrer näheren oder weiteren Umgebung unterscheiden.

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Wie Bearys Entdeckung des Nordpols in geographischer Be­ziehung feine leberraschungen brachte man foußte bereite, daß sich der Nordpol inmitten des arktischen, allerdings vereisten Meeres befand so hat auch Amundsens fühne Leistung nur das bestätigt, was bereits Shackleton über den Charakter des den Südpol um­gebenden Gebietes festgestellt hat. Nach seinem Bericht befindet fich der Südpol tatsächlich inmitten einer gewaltigen Hochebene, die das Inlandeis, das vielleicht an die 1000 Meter did sein mag, zu einer völlig ebenen, glatten Fläche macht. Das König Haa­fon VII.- Plateau", wie Amundsen die Hochebene am Südpol ge­tauft hat, erhebt sich um mehr als 3000 Meter über dem Meeres­spiegel, eine Tatsache, die insofern wissenschaftlich bemerkenswert ist, als der Nordpol vermutlich um ebenso viel unter dem Meeres­spiegel liegen wird. Bekanntlich hat Peary Lotungen am Bol an­gestellt, aber unterhalb des Eises festen Grund im Meere mit feinem unzureichenden Senklot nicht finden können. Beide Fest­stellungen find geologisch bedeutsam; sie deuten darauf hin, daß in früheren Zeiten der Erdgeschichte die Pole eine wesentlich andere Lage gehabt haben müssen. Ist doch auch von Shadleton einwand­frei nachgewiesen worden, daß der antarktische Kontinent in der Tertiärperiode ein warmes, geradezu subtropisches Klima gehabt haben muß, was aus den im Gestein gefundenen fossilen Weber­resten hervorgeht. Daß ein solches Klima in einer verhältnis­mäßig so weit vorgeschrittenen geologischen Epoche am Pol ge= herrscht haben kann, darf als ausgeschlossen gelten; der antarktische Kontinent muß eben in jener Periode unter niedrigeren Breiten gelegen haben. Ueber die Ursachen dieser Polverschiebung sind wir burchaus im Untlaren; eine Reihe von Theorien ist darüber auf gestellt worden, aber feine hat die Kraft eines auch nur einiger maßen schlüssigen Beweises. Viel Aufsehen hat in den lebten Jahren die sogenannte Bendulationstheorie gemacht, nach der die Erdachse innerhalb eines größten Kreises schwingen soll, deffen Bole von Sumatra und Ecuador bezeichnet werden. Den Anlaß zu dieser dauernden Schwingung der Erdachse, die mit einem stän­Sigen Wandern der Pole natürlich gleichbedeutend ist, sehen die Berfechter der Bendulationstheorie in dem Aufsturz eines zweiten Mondes auf die Erde, als dessen Ueberreste der afrikanische Ron­tinent angesehen wird. So viel aber auch für diese Theorie spricht, so viel spricht auch aus mathematisch- physikalischen Gründen gegen fie. Gleichfalls mit dem Auftreffen eines zweiten Mondes auf die Erde rechnet jene Theorie, nach der die gewaltige Andenkette die Bruchlinie der dadurch bewirkten partiellen Zertrümmerung der Erdoberfläche bildet. Denn dieser gewaltigste und längste aller bultanischen Rettengebirgszüge der Erde erstreckt sich von Alaska aus an der Westküste des ganzen amerikanischen Kontinents ent­Tang über den Südpol hinaus bis zur östlichen Erdhemisphäre und endigt in der gewaltigen Bultanreihe des antarktischen Kontinents auf Süd- Victorialand. Die zuerst von Roß, später von Shackleton erforschten Bultane Erebus und Terror bilden die letzten Aus­läufer diefer gigantischen Vulfankette, die sich dergestalt rings um die eine Hemisphäre der Erde hinzieht.

Eine dritte wichtige Frage, deren Lösung jezt vielleicht zu er­warten ist, bildet die Natur der großen Roßschen Eistafel, die Amundsen passiert hat. Schon Shackleton hatte beobachtet, daß es fich bei dieser wie eine Wand aus dem Südpolarmeère auf­steigenden Eistafel, die sich mehr als 770 Kilometer lang von Westen nach Osten erf.reckt, und die wohl über 800 Kilometer weit nach Süden reicht, nicht um Festlandeis handeln kann, da die Eisfläche Sebungen und Senkungen des Höhenniveaus erkennen läßt, die auf eine Einwirkung durch Ebbe und Flut hindeuten. Shackleton schloß daraus, daß es sich um einen schwimmenden Eisberg handeln muß, der allerdings so groß ist, wie das Königreich Preußen. Nun meldet Amundsen, daß diese zuerst von Roß entdeckte Gistafel an einer Bucht unter 86 Grad südl. Br. und 163 Gr. östl. 2. endet. Nach Amundsens noch etwas knapper und lakonischer Meldung grenzt diese ungeheure Eisbarre in jener Breite unmittelbar an das Fest­land. An ihrem Ende erheben sich Gisberge bis zur Höhe von 3000 Metern. Die Annahme von dem schwimmenden Charakter der Roßschen Eistafel scheint danach also auf Richtigkeit zu beruhen; nähere Details müssen natürlich auch hier noch abgewartet werden. Man ersieht schon aus diesen wenigen Fragen, deren Lösung man in wissenschaftlichen Kreisen mit Spannung erwartet, welche Fülle von Erkenntnissen Amundsen aus der Antarktis mitgebracht haben kann. Dabei ist auf die zahllosen Gebiete interessanter Spezialforschung hier noch gar nicht eingegangen worden. Jeden­falls dürfte also Amundsens Vorstoß zum Südpol weit über die Erreichung dieses bloßen geographischen, Punktes hinaus wissen­schaftliche Resultate erwarten lassen.

Kleines feuilleton.

Physikalisches.

Weshalb ist die Erde magnetisch? Früher pflegte man bei Naturerscheinungen mehr nach dem Zwed als nach dem Grund zu fragen. Auch Immanuel Kant stellte noch die Erwägung an, daß Ebbe und Flut den Zweck hätten, das Meerwasser durch regelmäßige Bewegung feiner Waffen vor einer Verderbnis oder Fäulnis zu schüßen. In ähnlicher Weise fönnte man die Frage nach dem Wesen des Erdmagnetismus dahin beantworten, er habe den 3wed, dem Menschen die Nordrichtung anzuzeigen und damit seine Orientierung auf der Erdoberfläche zu ermöglichen. Die eigent­liche Wissenschaft fieht bei ihren Forschungen von den zweck­mäßigen Folgen der Naturerscheinungen ab und versucht die aus ihrem Grund, d. h. aus ihrer Entstehung und Entwickelung zu erklären. In dieser Hinsicht ist nun der Erdmagnetismus ein be­fonders schwieriges Rätsel. Man ist mit der Erforschung seiner Offenbarung auf der Erdoberfläche schon ziemlich weit gediehen und die Wissenschaft vom Erdmagnetismus hat einen mächtigen Auf­schwung genommen, gehört aber auch zu den schwersten Berufen, die sich ein Gelehrter erwählen kann. Selbst seine berühmtesten Ver­treter vermögen über die Ursache des Erdmagnetismus nur Ver­mutungen zu äußern. Einer dieser Forscher, Professor Schuster, hat der physikalischen Gesellschaft in London eine Uebersicht über die jetzt bestehenden Theorien des Erdmagnetismus gegeben und gezeigt, wie weit der Mensch bis jetzt in das Geheimnis eingedrungen ist. Als Vorbedingung für jede weitere Stenntnis betrachtet Professor Schuster die Beantwortung der Frage, ob das annähernde Zusammen­fallen der geographischen und magnetischen Erdachse als zufällig oder bedeutsam anzusehen ist. Die Schwankungen der erdmagnetischen Straft in längeren Beiträumen haben mehr und mehr zu dem Schluß geführt, daß ein bestimmter Grund für diese Tatsache vorhanden ein muß. Die Versuche, sie durch den Eisengehalt der Erdkruste zu erklären, haben feine befriedigenden Resultate gebracht. Eine andere Auffaffung nimmt elettriche Ströme an, die im Erd­innern freisen und zum Magnetismus des Erdförpers Im Zusammenhang damit stehen die meteorologischen Verhält- führen. Aber auch auf diesem Wege findet der Forscher niffe der Antarktis . Theoretisch sollte man nun annehmen, daß furchtbare Schwierigkeiten. Ferner ist die Drehung der Erde um ihre über diesem hohen, mit ewigem Schnee und Eis bedeckten Festlande Achse für die Entstehung des Erdmagnetismus verantwortlich gemacht ständig ein Gebiet hohen Luftdruce lagere. Daß das nicht der Fall worden. Diese Vermutung hat etwas verführerisches, ist aber eben­ist, fonnte schon Shackleton feststellen, seit dessen Expedition wir fomenig zu einer wirklichen Beweiskraft durchgedrungen, da es noch wiffen, daß die Antarktis in bezug auf das Verhalten des Licht- nicht erreicht worden ist, die Entstehung eines magnetischen meerea die unruhigste Gegend der Erde ist. Furchtbare Schnee- Feldes auf diese Weise im Erperiment zu beobachten, obgleich ftürme wüfen fast das ganze Jahr hindurch, besonders im Süd- theoretisch die Möglichkeit dazu gegeben wäre. Für diese winter, auf dem Hochplateau, und Amundsen hat bereits die gleiche Aufgabe haben sich die Vertreter des Erdmagnetismus in legter Beit Feststellung machen können. Dagegen hat er, was sehr bedeutsam besonders eingesetzt und vielleicht wird sich die Lösung der Schwierigs ist, unmittelbar am Südpol ruhiges und flares Wetter gefunden, feiten noch einmal auf diesem Wege finden lassen. Schuster glaubt was auf die Möglichkeit der Verlagerung einer wenn auch vielleicht auch, daß die säkularen Schwankungen des Erdmagnetismns nur wenig ausgedehnten Antizyklone unmittelbar über dem Pole unter dieser Voraussetzung am besten gedeutet werden können. hinzudeuten scheint. Nähere Aufklärungen darüber müssen abge- Andererseits fehlt noch eine Aufklärung darüber, warum das wartet werden. Es scheint, daß das Wirbelzentrum der Antarktis , Eisen innerhalb der Erde durch deren Drehung ein stärkeres das jene Schneestürme bewirkt, seinen Ursprung in hohen maritimen Magnetifieren erfahren foll, als es bei Versuchen mit Eisen im Breiten hat und die Randgebiete des antarktischen Festlandes bis Laboratorium wahrgenommen wird. Wie bedeutsam diese weit gegen den Pol hin mit in seinen Bereich zieht. Daß die Tem. Forschungen für die gesamte Erkenntnis des Menschen von den peraturen der Antarktis außerordentlich niedrig auch im Süd- Naturkräften find, geht noch besonders daraus hervor, daß man sommer sind, und daß Regen niemals vorkommt, das Thermometer nur durch sie zu einer Enthüllung des dunkelsten Rätsels der also auch nie den Gefrierpunkt übersteigt, weiß man bereits durch Natur überhaupt zu gelangen hoffen darf, nämlich des Wesens der Shadleton. Amundsen hat am Bol nur wenige Tage vor dem süd- Schwerkraft.

Wenn es Amundsen möglich war, den orographischen Charakter des antarktischen Kontinents weiter als Shadleton es vermochte, zu erforschen, so kann das für die Frage der Polwanderung unter Umständen von größter Bedeutung sein. Jedenfalls muß man schon heute annehmen, daß der Südpolarkontinent erst in einer verhältnismäßig sehr weit vorgeschrittenen geologischen Epoche aus dem Meere emporgetaucht ist.

Berantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin . Drud u. Verlag: VorwärtsBuchdruderei u.Berlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW

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