trage in Form von Nahrungsmitteln; und manche Familien da draußen erboten sich, Kinder der Ausgesperrten zu sich zu nehmen. Vom Auslande her kamen Geldsendungen und in den liberalen Kreisen der Hauptstadt sympathisierte man mit den Arbeitern: in den Arbeitervierteln der Stadt fingen die Kaufleute und Wirtshausbesitzer an, für die Ausgesperrten zu sammeln. Die Arbeiter trugen eine ungeheure Opferbereitschaft zur Schau, und auf allen Arbeitsplätzen zirkulierten Kupon- bücher. Tausende von Arbeitern gaben jede Woche ein Viertel ihres knappen Wochenlohnes her. Die Ausgesperrten gingen mit großem Mut in die Arbeitslosigkeit hinein, die Gemein- schaft machte sie heroisch. So entblößt, wie sie nach dem harten Winter waren, einigten sie sich dahin, während der ersten beiden Wochen auf Unterstützungen zu verzichten. Viele schonten die Kasse ganz und halfen sich so gut sie konnten, suchten sich ein wenig Arbeit bei Privaten oder gingen aufs Land hinaus. Die jungen Unverheirateten zogen ins Aus- land. Die Arbeitgeber taten, was sie konnten, um allen diesen Auswegen zu Leibe zu kommen. Sie verboten den Kaufleuten und Lieferanten, den Ausgesperrten, die auf eigene Hand arbeiteten, Materialien zu liefern: es wurden schwarze Agenten über das ganze Land geschickt an die kleinen Meister und an die Bauern, um sie gegen die Ausgesperrten aufzuhetzen: über die Grenzen des Landes hinaus wurden sie mit Steckbriefen verfolgt. Die Absicht war klar genug: es sollte ein eiserner Ring um die Arbeiter geschlossen werden, und. darin eingesperrt, hatten sie nichts, um den Hunger abzuhalten, bis sie mürbe waren und nachgaben. Ihr Widerstand wuchs durch diese Erkenntnis. Mager waren sie nach der endlosen Wüsten- Wanderung, aber sehr aufgelegt, um sich zu schlagen. Viel hatten sie bisher nicht von dem Ganzen verstanden: das Neue hatte sich in ihnen geregt, in losgerissenen Fetzen und Stücken als Ausdruck, des dumpfen Gefühles, daß das Land jetzt nahe sei. Oft war es nur ein einziges Wort, das sich fest- gebissen hatte, und das dienen mußte, das Ganze auszu- drücken. Es konnte jemand kommen und es ihnen mit noch so vernünftigen Gründen wegschlagen, dann zersplitterten die Sätze, an die sie sich festgeklammert hatten. Aber zurück blieb der Glaube selbst und das große Verständnis: tief in ihren Seelen saß das dunkle, unerschütterliche Bewußtsein, daß sie ausersehen seien, um in die Glückszeit einzuziehen. Und nun klärte es sich allmählich für sie. Der Kampf war Licht nach vorwärts und rückwärts. Er veranschaulichte in all seiner Härte ihr ganzes Dasein. Es war dasselbe, worauf sie immer aus gewesen waren, nur so kräftig auf- gezogen, daß ein jeder es sehen konnte. Man hatte die vielen Peitschenenden zu einer großen Peitsche zusammengeflochten, zur Hungerpeitsch«, um sie damit zurückzutreiben, wieder mitten hinaus in das Elend! Die Not war in ihrer kam- paktesten Gestalt auf sie gehetzt! Das war das äußerste Mittel: es bestärkte sie in der Gewißheit, daß sie sich jetzt auf dem rechten Wege befanden und dem Ziele nahe waren. Die Nacht war immer am finstersten ehe der Tag graute! (Fortsetzung folgt.) KocKum. Rcgenschauerlichcr Himmel über Westfalen   und der Ruhr. Alles grau. Nur im hastigen Vorüberflichen des Zuges winkt flüchtig eine lichtere Farbe, die grünenden Fluren. Auf den Feldern ist es leer. Die Zechen ragen�wie grämliche Schatten rechts und links über die Erde. Aus den Schloten steigt winziger Rauch und an den meisten Förderrädern kann man fast die Speichen zählen. Die Drahtseile lugen unbeweglich. Es scheint den Treibern die Kraft ausgegangen, sie hasten nicht ewig hungrig und nimmer- satt. Nur der Wasserdampf bläst weißschäumcnd hinaus in den grauen Tag. An einer Gruppe eintöniger Arbeitcrhäuscr vorbei. Die Ziegelsteine so schmutzfarben, daß kein Regen sie je wird blank waschen können. In den Gärten hinter den Häusern sind Männer am Umgraben beschäftigt, so als wenn Freischicht wäre. Die Männer müssen streikende Bergleute sein, so freudig geht ihnen das Werk vonstatten. Sie dürfen den Spaten im Lichte des Tages führen und dor Schweiß, der die Scholle düngt, ist froher Schweiß. Ein Sommer wird es lohnen. Endlich in Bochum  . Der Bahnhos zeigt kein anderes Aussehen als sonst. Vor dem Portal stehen zwei dicke Schutzleute, den Revolver im Gurt. Sie haben es hier gemütlich und plaudern von keinem beachtet als von! den Fremden, du in diesem Zeichen die ersten Fußangeln eines unbarmherzigen, fast unsichtbaren Krieges erblicken. Es ist noch' früher Tag und die Straßen zeigen ein alltägliches Bild. Erst drinnen in der Stadt wird es belüiter. Trupps von Arbeitern in sauberer, aber fast durchweg schwarzer Arbeitskleidung begegnen. Schwarz ist die Lieblingsfarbe, und das Düstere der Arbeit scheint es vorgeschrieben zu haben. An der nächsten Straßenecke protzen zwei Plakate. Ein weißes, das wenig weise die Streikenden und die Bevölkerung zur Ruhe mahnt. Darunter ein rotes Extrablatt eine Wolff-Depesche, welche meldet, daß Militär nach Dortmund   und Recklinghausen   be- ordert ist. Arbeiter bleiben stehen, schütteln den Kopf und gehen weiter. Ein neuer Trupp, scheinbar streikende Bergleute, kommt heran.A h sagt einer,Wolff Bureaux sgesprochen wie ge- schrieben), ob dat nich wieder gelogen ist."Wat," sagt ein anderer, Wolff in Berlin  , weißt Du dat noch nich, der muß dat wissen." Sie gchn weiter, aber sie zanken nicht, weil Militär zu Hilfe kommt, sondern die Diskussion spinnt sich weiter um die Frage: Was ist das Wolff-Bureaux? Auf der Castroper Straße. Die Arbeitcrmassen mehren sich, und je mehr hinauf, desto lebhafter war es. Im Schützenhof ist Appell. Um 11 Uhr ist die Versammlung angesetzt. Es ist noch nicht 10 Uhr und schon beginnt sich der über 3000 Personen fassende Saal zu füllen. Um �11 Uhr steht Mann an Mann und draußen müssen Hunderte warten, weil sie keinen Platz mehr finden. Ge- sprachen wird nicht viel. Nur einzeln hört man in Sätzen, wie vom Zorn gekürzt, die Vorgänge in Herne   und Buer   besprechen, wo zwei Menschen auf dem Kampfplatz blieben. Sonst ziemliche Ruhe. Auch einige Frauen haben sich eingefunden. Kopf an Kopf stehen die Kämpfer dieses Krieges um die Erlangung zivilisierter Zu- stände. Hagere, aber sehnig-zähe Gestalten. Auf ihren Zügen prägt sich all ihr Verlangen nach gerechterer Entlohnung aus. Es sind nicht mehr die rein physisch lechzenden, wie sie Zola zu seinein G e r m i n a l Modell gestanden haben. Es sind nicht mehr die, die ihren größten Feind in den Kammrädern und Treibriemen sehen. Ja, daß diese Ruhe haben, bereitet ihnen Genugtuung. Aber es ist dieselbe Konfliktstimmung, dieselbe gespannte Atmosphäre, aus der sich Blitze und Donner lösen können. Die grauumflorten Augen glühen, die Lippen sind gepreßt, und es wurmt gallig in den Herzen eine doppelte Schmach. Der Herrensinn der Kapitalisten und der Verrat des Bruderverbandes, der noch 1306 in den Reihen kämpfte. Und die Tage des Januar sind auch noch nicht vergessen, wo dieselben Christen ihren Otto H u e hinauswählen halfen. Die Schmach jahrelanger Knebelung hat die von Natur freund- lichsten Züge in grimmige Entschlossenheit verwandelt. Aber keiner spricht darüber zum anderen, es geht höchstens dann und wann die knappe Mmeilung, daß der oder jener noch immer Streikbrecher macht, oder daß ein anderer nun auch streikt, was mit ruhiger Be- friedigung aufgenommen wird. Es ist elf Uhr. Ein Schutzmann erscheint im Saal und wird mit gedämpfter ruhiger Erregung empfangen. Alle Augen richten sich auf das Podium, an dem jetzt bald der Redner erscheinen muß. Bald darauf tritt ein Bergarbeiter vor, eröffnet die Versammlung und erteilt dem Kameraden Franz Pokorny   das Wort. Der Referent war ganz unbemerkt erschienen und als er das Podium ersteigt, wird er mit Händeklatschen be- grüßt. Er winkt ab. Auf dem Rednerpodium steht nun ein ein- fach gekleideter Mann im besten Alter, dem man auf den ersten Blick den Arbeiter ansieht. Kameraden, hebt er an und seine Stimme klingt warm Satz für Satz in den geräumigen Saal. Kameraden, die Ursache des Streiks brauchen wir nicht zu erörtern, aber über manche Gescheh- nisse während desselben Ivollen wir uns unterhalten. Vor allem können wir die weitere Steigerung der Streikmassen feststellen. Ein einstimmiges Bravo aus mehreren tausend Kehlen durch- braust wie eine Sturmwelle den Saal. Der Redner entrollt ein Bild der Situation, das je nach Gunst oder Ungunst aufgenommen wird. Er geißelt mit tiefem inner- lichen Groll das Verhalten der Christen und ihrer Presse, der Be- Hörden. Das Pfui der Entrüstung dämpfend mit Ermahnungen zur Ruhe und Besonnenheit. Zum Schlüsse verkündet er noch die Nachricht, daß es in England möglicherweise heute noch zum Frieden kommen könne. Die Situation gestalte sich dadurch günstiger, deshalb wollen wir kämpfen solange unsere Kraft reicht. Beifall und Kampfbegeisterung beschließt den Appell. Eine zweite Versammlung folgt sofort im gleichen Saal für die« die draußen stehen mußten. Julius Zerfaß. 6m altcleiitfckes friibUngöfcft. Von Franz Pflug l. In dem freundlichen Alt-Heidelberg hat seit einigen Jahren ein uraltes deutsche? Frühlingsfest seine Auferstehung gefeiert, das Fest des.Sommergcwinns" oder SomnicrlagstngenS. Am Sonnlag Lätare ziehen dort an die 3000 Kinder in langem Zuge durch die Stadt, festlich gekleidet und geschmückt und in den Händen die SomniertagSstccken tragend, geringelte Haicnslecken, die oben mit einer Brezel und mit bunten flatternden Bändern geziert find. In der schier endlosen Reihe des jungen Volkes marschieren abwechselnd