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einige große Anaben, die Hauptfiguren des Buges, der ganz in Versailles nach diesem heimatlichen Feste." Man mögte," heißt Stroh gehüllte" Winter " und der in frischgrüne Tannenzweige ge- es in einem ihrer Briefe, also fingen fönnen, wie die Buben fleidete Sommer". Mufiftapellen, die im Zuge verteilt find, spielen zu Heidelberg taten vom Berg, wenn sie oben Sommer und Winter luftige Marschweiſen und dazwischen ertönt immer wieder aus den herumführten: jungen Kehlen das fröhliche Sommertagslied:
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„ Strieh, strah, stroh,
Der Summerdach is do,
Der Summer un der Winter, Des sinn Geschwisterkinder.
Summerdach, Staab aus,
Blost em Winter die Aache( Augen) aus. Strieb, strah, stroh,
Der Summerdach is do
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Nun sind wir in den Fasten, Da leeren die Bauern die Kasten. Wenn die Bauern die Kasten leeren,
Wolle uns Gott ein gut' Jahr bescheren. Ströh, strüb, stroh,
Der Sommer der is do 1"
Das Austreiben des Winters, das Verbrennen oder ins Wasserwerfen der Strohpuppe, die ihn versinnbildlicht, wurde in vers schiedenen Gegenden auch als" Todaustragen" oder„ Todaustreiben" bezeichnet. Natürlich ist unter dem Tod" niemand anders zu ver stehen als der Winter, der dem lebenspendenden Frühling weichen muß; nicht selten brachten die Kinder, die den Tod hinaustrieben, den Frühling heim, indem sie sangen:
„ Nun haben wir den Tod ausgetrieben Und bringen den lieben Sommer wieder, Den Sonimer und auch den Maien, Der Blümlein mancherleien.
Wir kommen und bringen mit herein Den Sommer und den Sonnenschein."
Wie in Heidelberg und anderen badischen Städten, so hat man auch in Thüringen ( Eisenach ) die alte schöne Sitte zu neuem Leben erweckt. Was aber jetzt nur ein fröhliches Kinderfest ist, das war einst ein weitverbreiteter, von jung und alt froh geübter Brauch. Unsere Vorfahren litten ja viel schwerer unter den Unbilden der rauben Jahreszeit als wir. Aller Verkehr war gehemmt, alles Leben schien erstorben, und der Winter bannte groß und flein in wenig wirtliche Gemächer, die meist dem strengen Herrn den Eintritt nicht zu wehren vermochten. Sehnsüchtig schauten sie deshalb nach dem Beginn der schöneren Jahreszeit aus, und nahte sie endlich, so kannte der Jubei keine Grenzen. Mit heller Freude grüßte man die Reste dieses sinnigen Frühlingsbrauches haben sich in einzelnen ersten Lenzesboten, und in fröhlichem Spiel stellte man den Stampf Orten bis auf den heutigen Tag erhalten. In dem kleinen im zwischen Sommer und Winter symbolisch dar. Die ganze Gemeinde zog hinaus ins Freie; strobumbüllte Burschen, angeführt von dem bewährten bayrischen Odenwald gelegenen Dörfchen Buch wird noch heute am Winterkönig mit der Strohfrone, vertraten die Partei der scheidenden, ersten Sonntag in den Fasten ein Bube ganz in Stroh eingewickelt, ein anderer ganz und gar mit Immergrün umflochten, so daß nur grüngefleidete Burschen, denen der blumengekrönte Sommerfönig die losen Augen lustig aus dem Stroh und Grün herauslugen. Nun boranschritt, die Partei der kommenden Jahreszeit. Unter Gefängen beginnt der Spielgang." Sommer" und" Winter " ziehen durchs näherten sie sich einander, wobei der Winter mit Häcksel und Asche, Dorf, gefolgt von der Jugend des Ortes. Mit Kienruß haben die der Sommer mit Blättern und Blumen den Gegner bewarf. Nach Büblein grimmige Bärte über die roten Wangen gemalt. Sie haben dem der Winter hatte weichen müssen, wurden die Strohhüllen ins Wasser geworfen oder in einem Feuer, das die Festteilnehmer Wichtiges vor. Sie bringen den Frühling, sie bringen das Sommerfingend umtanzten, verbrannt. Tanz und lustige Schmauierei beschloß glück, fie bringen den Eierſegen, dafür heischen sie freilich auch eine den Tag. Nicht überall waren die Gebräuche die gleichen, aber sie Gegengabe. Mit dem Rufe: ähnelten einander, und ihr Motiv war immer dasselbe. In Steiermart war zum Beispiel der Brauch in die Form eines Rechtshandels gekleidet, und in manchen Drten heischte die siegende Partei des Frühlings Gaben als Lohn dafür, daß sie den Winter ausgetrieben. pochen sie an die Türen und erhalten überall Einlaß. Sofort schleicht Von den Liedern, die man zum frohen Spiele fang, hat sich manches erhalten bis herauf in unsere Beit. Bekannt ist das jubelnde Sommerlied aus der Pfalz und dem Elsaß , das mit den Worten beginnt:
„ Tra, ri, ra,
Der Sommer der ist da! Wir wollen naus in Garten
Und wollen des Sommers warten. Ja, ja, ja,
Der Sommer der ist da!"
Während dieses Lied den Winter gar nicht zu Worte fommen läßt, rühmen in anderen beide ihre Vorzüge, so in einem fliegenden Blatte von 1580. Der Sommer beginnt:
" Heut ist auch ein frölicher tag,
Daß man den Sommer gewinnen mag; Alle ir herren mein,
Der Sommer ist fein!"
Der Winter entgegnet:
So bin ich der Winter, ich gib dirs nit recht, D lieber Sommer, du bist mein knecht! Alle ir herren mein,
Der Winter ist fein!"
In mehr als dreißig Strophen tragen fie mun unter Aufzählung ihrer Vorzüge den Wettstreit aus, der aus Desterreich dahergezogene" Sommer und der mit„ belz und schauben" bekleidete, aus dem Gebirg" gekommene Winter. Bulegt reicht der Winter die Hand zum Frieden. Der Sommer schlägt ein:" Also ist unser frieg vollbracht" und schließt mit dem Kompliment:" Der Winter ist fein", das der Winter in gleicher Weise erwidert, um sodann in frembde land" zu ziehen. Mitunter begnügten sich freilich die Gegner nicht mit einem Wortgefecht, sondern es tam zu einem richtigen Kampf, bei dem selbstverständlich der Winter unterlag und vom Sommer in den Wald hinausgejagt oder ins Wasser geworfen wurde.
„ Glück ins Haus,
Eier, Schmalz und Weißmehl' raus!"
der" Winter " zum Dien, es schüttelt ihn, er zittert vor Frost. Der " Sommer" aber eilt zum Fenster und öffnet es weit, damit die Lenzesluft einströme. Das kann der" Winter " aber nicht leiden, und er stürzt auf den Frevler los. Sie ringen miteinander. Noch einmal siegt der" Winter ", aber schließlich bleibt doch der„ Sommer" Sieger. Nun ist der Frühling König im Land. Da tritt eines der Büblein vor und reicht der Hausfrau ein Sträußlein Immergrün, das man furzweg den„ Sommer" nennt. Während die Hausfrau aber nach dem Glücksfraut greift, fährt ihr eine rußgefchwärzte Hand ins Angesicht. Now andere Hände recken sich, alle Hausbewohner sollen der Schwarzkunst zum Opfer fallen. Das gibt ein Lärmen und Lachen! Dann bringt die forgiame Hausfrau den Spielgenoffen Eier, Mebl und Schmalz, das Glückskraut aber wird in die Hühnernester geflochten. Nun geht es weiter von Haus zu Haus, überall wird die Jugend fröhlich willkommen geheißen und reich beschenkt. Nach Beendigung des Umzuges schmoren die Opfergaben bald in einer mächtigen Bianne und jeder Bub erhält seinen Teil von diesem genossenschaftlichen Pfannkuchen.
Auch in anderen Gegenden, nord- wie süddeutschen, begegnen wir Spuren des alten Frühlingsfestes, in Mittenwald an der Jiar bat sich sogar noch das alte Kampfspiel erhalten und wird noch häufig in der Fastenzeit von Erwadienen aufgeführt. Hier und da aber hat es, wie wir eingangs sahen, seit einigen Jahren seine Auf erstehung gefeiert.
Kleines feuilleton.
Kulturgeschichtliches.
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Standesbewußtsein und Grammatit Daß die Respektierung der Standes- und Klassenmerkmale, soweit diese in der mündlichen Anrede zum Ausdruck tommen, selbst vor den allgemeinen Regeln der Grammatit nicht halt macht, ersehen wir aus der Geschichte des Berliner Dialekts vom Ende des 18. Jahrhunderts. Das interessante und lehrreiche Dieses Frühlingsfest war einst weit verbreitet, und für sein Beispiel, daß sich sicherlich bei zweckmäßig gerichteter Forschung hohes Alter spricht nicht bloß der Umstand, daß bereits um weitere vermehren ließe, entnehmen wir einer AbhandUeber in einer St. Gallener Klosterurkunde des 9. Jahrhunderts der lung des Berliner Schulmannes Friedrich Gedike Sitte des Sommereinholens gedacht wird, sondern auch der Name Du und Sie in der deutschen Sprache", die er des Festes selbst. Borauf Er mutet uns bente seltsam an: Frühlings- 1794 in der Akademie der Wissenschaften vorlas. gewinn würden wir das Fest nennen, unsere germanischen Vor- bemerkt iei, daß die ganze Frage durchaus die Psychologie der fahren fannten aber weder Frühling noch Herbst, sondern in der Mode berührt. Wie die Kleidermode( abgesehen von dem Expansions Hauptsache nur zwei Jahreszeiten, Sommer und Winter, wie ja bedürfnis der Fabrikation) ihren Hauptantrieb darin hat, daß ihre auch in vielen Gegenden der Alpen die Bewohner noch heute nur neuesten Formen die obersten Gesellschaftsschichten vor den niederen von einem Aus- und Einwärts reden. Auch Sebastian Frant auszeichnen sollen, so ist oder war wenigstens auch jederzeit den erwähnt das Fest in seinem Weltbuch( 1542). Er sagt, daß am herrichenden Individuen und Klassen, eine fie auszeichnende Form Rosenfonntag( Lätare) in Franken die Buben an Ruten Brezeln der Anrede vorbehalten. Für diesen Zwed gewann zunächst das herumtragen und der mit Sinngrün umflochtene Sommer" über Ihr das Vorrecht vor dem Du. Das scheint fast noch ökonomisch, den mit Moos umwidelten Winter" fiege, und die Herzogin jedenfalls redhmerisch empfunden: die Mehrzahl des Du gilt mehr Elisabeth Charlotte von Drleans sehnt sich mitten im Glanz von als die Einzahl. Als die unteren Voltsschichten nachdrängend
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