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nicht etwa gefchaufelt, sondern durch Drudluft gehoben. Der Getreide-| Sajnapsfäufer nach Hause zurückkehrt. Wahrscheinlichkeit hat ja auc heber ist im Prinzip ein riesiges transportables Rohr, deffen unteres dieser Schluß; mehr spricht er jedoch für Tolstoi selbst, der inzwischen Ende als Saugrüssel bis zu dem Boden des zu entladenden auch den Kampf gegen den Alkoholismus auf seine Fahne geschrieben Schiffes hinunterreicht. Durch maschinell getriebene Luftpumpen hatte. werden die Getreidekörner aufgesaugt, gehoben, an einer automatischen Wage vorbeigeführt, gewogen und das Gewicht registriert. Die ab­gewogenen Getreidemassen fallen dann durch ein Abflußrohr in die Entladeschiffe oder in die Behälter, in denen das Getreide weiter berfrachtet werden soll.

Daß die Einführung dieser Getreideheber eine Gefahr für die Hafenarbeiter bedeutete, ist ohne weiteres llar. Die Gewerkschafts­führer wissen davon ein Lied zu singen. In einem Bericht des Sektionsleiters der Speditionsarbeiter vom vorigen Jahre wurden die Wirkungen der neuen maschinenmäßigen Arbeitsweise auf die Arbeitsorganisation ausführlich dargelegt. Es wurde unter anderem mitgeteilt, daß die Zahl der benötigten Speditionsarbeiter vor der Anwendung der neuen Getreideheber 150 Mann betrug, während nachher nur 30 Mann benötigt wurden. Auch ein Beispiel dafür, wie die Technik den Hamburger Hafen   mechanisiert".

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Uebrigens find die meisten Erzählungen während der Periode der voltserzieherischen Bestrebungen des Dichters und nicht in einem hingeschrieben worden. Oft liegen Jahre zwischen der Konzeption und der Weiterführung. So wurde z. B. die ausgezeichnete Geschichte des Rebellen Chadschi Murat, die im Vorwärts" abgedruckt wurde und auch in S. Fischers vortrefflicher Bibliothek zeitgenössischer Romane zum Preise von 1 M. erschien, zwischen 1896 bis 1904 be­gonnen und beendigt; Bater Sergius fogar erst nach drei Anläufen, nämlich 1890, 1891 und 1898.

8wei Erzählungen jedoch beanspruchen ein spezielles Interesse; fie stammen aus dem Jahre 1862. Tolstoi   hatte sich gerade verheiratet. Es begann für ihn eine glückliche Schaffenszeit; denn während der nächsten fünfzehn, sechzehn Jahre, die er fast ohne Unterbrechung auf feinem Landgut in Tula   verbrachte, schrieb er die Romane Krieg und Frieden   und später Anna Karenina  ", seine bedeutendsten Werke Kammerer hat denn auch Gelegenheit genommen, die Vorteile erzählender Gattung. Tichon   und Malanja" und Ein Jdy". der Maschinenwirtschaft für den Unternehmer als Kampfmittel gegen eben jene beiden Dorfgeschichten unterscheiden sich nun von allen die Gewerkschaften zu charakterisieren. In einem Seehafen wie später datierten Erzählungen durch die Unbefangenheit, mit der hier Hamburg   sind einige tausende solcher Handlanger( fogenannte Schauer- Tolstoi noch dem Weibgeschlecht gegenübersteht. Kein Mißton von leute und Kranarbeiter) mit dieser Arbeit beschäftigt. Troydem die jener asketischen Enthaltsamkeit, die er sehr viel später in Löhne nicht niedrig sind, sind die Schauerleute doch sehr zum Streit der Krenzerionate" propagierte, stört sein sinnliches Be geneigt. Es würde einen wirtschaftlichen Fortschritt von großer Trag- bagen am Weibe. Von ihrem Wesen geht ein schwüler weite bedeuten, wenn es gelänge, Kräne zu bauen, die mit irgend Ddem aus, dem der Mann erliegt. Leidenschaft erweckt Leidenschaft; welchen elektrisch betätigten Zangen oder Greifern in den Schiffs- finnliche Brunft entflammt Brunst   das ist nun einmal so. raum fassen und mit geringer Beihilfe die Lasten ergreifen könnten. Aber jetzt halten wir uns einmal die Frauen in Der Teufel" Die Verschiedenartigkeit der Lasten Baumwollballen, Fäffer, und" Bater Sergius" vor Augen welch neues Zeichen! Da Mahagonistamme, Säulen erschwert die Aufgabe außerordentlich; schildert Tolstoi   das Weib als den leibhaftigen Inbegriff alles immerhin ist denkbar, daß durch geschickte Konstruktionen passende Bösen, jeglicher Verbrechen. Immerhin: die Erzählung von Bater Lösungen gefunden werden." Sergius", dem ehemaligen Gardeoffizier, der im Augenblide, da er die Entdeckung macht, daß seine Braut vorher eine Favoritin des Kaisers gewesen ist, das weltliche Leben abschwört, in ein Klofter geht, aber auch dort keine Ruhe vor sich selber findet und schließlich als Barfüßer nach Sibirien   verschickt wird, ist prachtvoll. Zumal die Versuchungen des Mönchs durch hysterische Weiber und wie er ihnen widersteht, find durchsättigt von realistischer Darstellungskraft.

Ganz richtig zeigen diese Ausführungen, wie den Kapitalisten alles zum besten ausschlägt: er mechanisiert sich seinen Betrieb, zieht eiserne Arbeiter in die Arbeitsstätten hinein, versichert sich dadurch gegen Streifgefahr und sucht sich von dem Einfluß des Arbeiters auf den Produktionsprozeß immer unabhängiger zu machen.

R. Woldt.

Tolstois literarifcher Nachlaß.

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Bei einigen anderen Erzählungen hat man allerdings die Empfindung, als wäre die Handlung allzu knapp resümierend zu Ende gebracht. Der Dichter wandelt sich da immer zum Bericht erstatter nadter, unabwendbarer Tatsachen, die als solche freilich alle ferneren Schicksale seiner Helden oder Heldinnen mit naturalistischer Deutlichkeit erklären. In den meisten hat Tolstoi, Tolstois Nachlaßichriften find in drei Bänden zu gleicher Zeit der religiöse Ethiker und Schwärmer, das führende Wort. gwei in Rußland   und im Ausland erschienen, die deutsche   Ausgabe in andere Arbeiten von pädagogischem und sozialem Gehalt, nämlich J. Ladyschnikows Berlag. Die vortreffliche Uebersetzung haben August Kinderweisheit" und Die Geschichte des Bienenstocks mit dem Scholz und Alexander Stein besorgt. Es ist immer ein gewagtes Mindendeckel" haben die Leser des Vorwärts" bereits tennen gelernt. Spiel, die Hinterlassenschaft eines noch so bedeutenden Schriftstellers Außerdem werden zwei Dramen vollständig mitgeteilt, die vors Publikum zu bringen. Nicht selten wird dadurch Schaden an- ihre interessante Vorgeschichte haben. Das kriminalistische Stück: gerichtet. Was ein Autor bei Lebzeiten zurückhielt, braucht zwar Der lebende Leichnam" ließ Tolstoi aus zwei Gründen nicht in jedem Falle unwert einer nachträglichen Veröffentlichung zu im Bulte liegen. Als russische Zeitungen es ertvähnten, sein. Es können Gründe persönlicher Art mitgewirkt haben. Grill- fam ein junger Mann zu dem Dichter und bat ihn, von der Vers parzer bietet geradezu ein Schulbeispiel hierfür. Nicht, weil er öffentlichung doch abzusehen, da die Heldin des Dramas seine Mutter verschiedene seiner Dramen, die erst nach seinem Tode auf sei, die in solchem Falle schwer kompromittiert werden würde; die Bühne gelangten, für erfolglos erachtete, hatte er außerdem fönnte sich auch die Polizei in die Sache mischen. Diese fie verschlossen; sondern, weil er sich, fich, vorzeitig grollend, Eröffnung war für Tolstois Entschließung bestimmend. Ohnedies vom Theater zurückgezogen hatte. Jm ganzen läßt sich wohl sagen, hatte er schon seine Bedenken gehabt, ob das Stück auch ein Ding daß man im Bult ruben lassen sollte, was der Autor von der Ver- fei, das Gott billige". Wir wissen ja aus seiner Schrift:" Was ist öffentlichung ausgeschieden wissen wollte. Kunst?", daß er der Kunst um der Kunst willen feinerlei Ob man bei Tolstoi   nicht ebenso hätte verfahren sollen? Die Bedeutung für die Kultur zuerkannte. Und der Wissenschaft gefamte Kulturwelt macht allerdings auf ihn besondere Anrechte nicht mehr. Das andere Drama: Das Licht, bas im geltend; denn seine Lebensarbeit gehört nicht bloß dem russischen Dunkel leuchtet" inzwischen gleichfalls bei uns aufgeführt- Bolle, sondern allen Nationen- so mächtig ist sein Einfluß gewesen. wird in Rußland   verboten bleiben, da Tolstoi, wie bereits in Die literarische Kritik hinwiederum muß strengere Maßstäbe anlegen. Krieg und Frieden  ", sodann in einer dem ersten Bande beigegebenen Die Frage heißt nicht: Ist es unbedingt nötig, Tolstois schier Nachlaßerzählung Nach dem Balle" an jener Stelle reichliche Ge unübersehbares Schrifttum durch weitere drei Bände zu vermehren legenheit fand, seinen Abschen gegen den Militarismus nachdrücklich und auf diese Weise das Bild von dem Menschen, Philantropen und zu offenbaren. Dichter nur noch schwieriger zu gestalten? Die Frage lautet viel Wenn wir nun zum Schluß das Ergebnis dieser drei Bände eher so: Erfährt das Bild Tolstois hiermit eine endgültige Ver- zusammenfassen, so kann es nur lauten: ihre Herausgabe stellt eine bollständigung? Stoßen wir da auf Charakterzüge, die uns bisher Bereicherung dar, trotz aller literarischen Schätze, die Tolstoi der borenthalten, also fremd geblieben? Dann allerdings war die Kulturwelt schon bei Lebzeiten gegeben hat. Herausgabe der Nachlaßschriften nicht nur berechtigt, nein, höchst notwendig. Betrachten wir einmal die Argumente für und gegen.

Genuß und Kritik.

Doch dann nur find die Stimmen gut, menn Schweigfamteiten fie begleiten; wenn hinter dem Gespräch der Saiten Geräusche bleiben wie von Blut.

e. k.

Zunächst läßt diese dreibändige Nachlaßausgabe Raum zu Zweifeln offen. Wer weiß denn, ob die Erben Tolstois nichts zurüd behalten, nichts verkürzt oder verstümmelt haben? Wer vermag zu sagen, inwieweit dem Willen des Dichters zuwidergehandelt oder entsprochen wurde? Der torsoortige Charakter mancher dieser Ar beiten, die motivische Wiederholung bei einigen anderen verführt zu der Vermutung, daß Tolstoi fie möglicherweise noch erst mit den Anschauungen seiner legten Lebensjahre in Einklang zu bringen be­absichtigt haben möchte, aber, sei es durch größere Pläne, die ihn beschäftigten, sei es durch den Tod, an einer abschließenden Weiter führung verhindert wurde. Bezeichnend hierfür ist wohl die Schluß Db jemals einer aus höheren Sphären der Erkenntnis zu variante zu der 1889 geschriebenen Erzählung Der Teufel". Läßt unserer Erde niedersteigt, um uns das Geheimnis der Kunst, das Tolstoi ursprünglich den Helden durch Selbstmord endigen, was Geheimnis der Form und des Rhythmus zu lösen? Vermag man natürlich und konsequent deucht, so läßt er ihn in der viel später überhaupt die lezten Geheimnisse des tünstlerischen Erlebnisse einem entstandenen Variante den Teufel", das ist das junge Instweib, er- anderen in auch nur annähernd begrifflich flaren, verstandesgemäßen schießen, während er selbst zu Untersuchungshaft und Kloster- Worten nahe zu bringen? Ist nicht in jedem Kunstwerk so biel gefängnis verurteilt wird und schließlich als ein unverbesserlicher Infommensurables, das fich jeder Analyse entzieht? lind macht

Nilfe.