übliche Akzise, die eine Konsumtionssteuer war. sorgte dafür, daß von einer Stadt in die andere ohne besondere Not nichts ein- geführt wurde. Die Akzise erschwerte, ja verhinderte den Handels- verkehr zwischen den einzelnen Städten, und das war nach Wunsch der Machthaber. Die Städte waren nicht für sich, nicht für- einander da, sondern nur Magazine für das flache Land, auf dem der Junker regierte— souveräner regierte, als zu regieren sich je ein absoluter König vorgespiegelt hatte. Auch die Akzise war in Brandenburg ein'Produkt des Mili- tarismus. Um die Kosten für das erste stehende Heer aufzu- bringen, hatte sie der Kurfürst Friedrich Wilhelm eingeführt. Diese Akzise blieb lange Zeit der we>entlichste Beitrag des Städters zu den Staatslasten. Der Landmann leistete direkte Abgaben, den Hufenschoß oder die Kontribution. Die indirekte Abgabe der Akzise wurde am Tore oder an den„Bäumen"(den beiden Fluß- sperren, die nachts wie die Tore geschlossen wurden) von allem er- hoben, was dem Luxus wie dem Bedürfnis des Bürgers diente, von allen Lebensmitteln wie von allen Wohnungs- und Kleidungs- stücken. Die Erhebung erforderte außer der Uebertvachung der Mauer ein umfangreiches Personal von Baum- und Torschreibern, von Beamten auf dem Packhof und dem Posthause. Sie revidierten alles, ob Personengepäck oder Kaufmannsgut, mit nachfolgendem umständlichen Schreib- und Zahlungsverfahren. Zum Schutze der «inheimischen Manufaktur wurden gewisse Waren überhaupt zurückgewiesen. Auf Luxusartikel standen so hohe Sätze, daß diese als Schutzzölle einem Einfuhrverbot gleichkamen. Der Kaufmann hatte neben der Akzise des Privatmannes noch eine Handlungs- akzise zu entrichten, da er die Ware nicht zum eigenen Gebrauch, sondern zum verhandeln benötigte, also eine Gewerbesteuer. Der Bauer, der Lebensmittel einführte, zahlte Konsumtionsakzise, der Vi«hhändler dagegen, der Vieh gerauft hatie. um es weiterzuver- kaufen, erlegte die Handlungsakzise, die wiederum nicht der Bauer zu zahlen hatte, der sein eigenes Vieh hereinbrachte, auch nicht der Schlächter, der lebendiges Vieh für seinen Scharren gekauft hatte; ihn traf nur die Schlachtakzise. Die Telikatessteucr betrug fast das Doppelte der üblichen Konsumtionsakzise, 6Proz.; sie hatte es schon mit einem recht umfangreichen Material zu tun: mit Nürnberger Nudeln und Westfälischen Schinken, Hamburger Räucherzungen und Pommerschen Spickgänsen, spanischen Feigen, italienischen Nüssen, Archangelschem Lachs, mit Morcheln und Champignons, Oliven und Kapern, Italienische Händler führten viel ihrer Landesprodukte ein und wurden trotz reichlicher Schikane dabei reich, namentlich sobald sie sich entschlossen hatten, festen Aufenthalt zu nehmen; der „Jtalienerhändler" war noch zu Beginn des l9. Jahrhunderts die von Feinschmeckern gesuchteste Stelle für Magen und Kehle. Die höchste Akzise aber stand auf Tee, Kaffee, Schokolade und fremden Tabak. Schokolade wurde mit 33—66 Proz,, Kaffee mit mehr als 100 Proz. besteuert und Zucker noch höher. Während man für ein- heimischen Tabak nur 2 Groschen Akzise pro Zentner zu entrichten hatte, zahlte man für fremden b Groschen auf das Pfund. Be- sonders bemerkenswert nun ist es, daß diese hohen Sätze, die weder durch den Produktions- oder Transportwert noch durch die Un- entbehrlichkeit der betreffenden Genußmittel allein gerechtfertigt, sondern aus Protektionistischen Rücksichten angesetzt waren, den Waren noch zu allem einen fiktiven Extrawert verliehen: man hatte zum Kaffee- oder Teegcnuß, der begreiflicherweise selten blieb, besonders kostbares Mobiliar und Geschirr, Lacktiscke mit goldenen Landschaften und ostindisches oder japanisches Porzellan. Solche Raritäten hielt der„M a t e r i a l i st", der Großkaufmann der damaligen Zeit. Sein Laden war Warenhaus und Bazar, in dem von Zeit zu Zeit Ausverkäufe und Auktionen veranstaltet wurden. Für ihn war eine besondere Großhandlungsakzise eingeführt, die weder Gebrauchssteuer noch Handlungsakzise war, sondern eine Gebühr für unversteuert auf dem Packhof liegende Waren. Indem diese dort versiegelt lagen, sparte der Materialist den Speicher und konnte, wenn er direkt von dort aus verkaufte, die Verbrauchs- steuer den Käufern aufhalsen, ein beliebtes Verfahren bei Tabak, Heringen in Fässern usw. Die königlichen Güterverwalter auf dem Packhof dienten ihm dabei als Spediteure. Demgegenüber waren die Höker, die Kleinhändler von Lebensmitteln, die in ihren Buden der engen Marktstraßen saßen, um so schlechter gestellt. Sie rekrutierten sich zum Teil aus Soldaten und ihren Weibern, die bekanntlich auf Nebenerwerb angewiesen waren, da der Re- gimentskommandeur von seiner Gage die Besoldung zu zahlen hatte und, um möglichst viel davon in die eigene Tasche zu Wirt- schaften, nicht mehr Leute unter der Fahne hielt, als unbedingt er- forderlich war. Die Höker durften weder einen richtigen Laden haben, noch ließ man ihnen in bezug auf Einkauf und Verkauf freie Hand. Das durften sie nicht auf dem Lande kaufen, jenes überhaupt nicht führen und ein Drittes wiederum nur von den Materialisten beziehen. Da sie aber beim Verkauf nicht über die öffentliche Taxe hinausgehen durften, zu der einzukaufen sie selbst gezwungen waren, so war in zahlreichen Fällen ein Verdienst illusorisch; sie waren genötigt, die Bestimmungen der Taxe zu übertreten. Wir sehen also, daß sich nicht nur innerhalb desselben Berufs zwei Klassen streng geschieden hatten, die sich zu völligen Gegensätzen in bezug auf ihre ökonomische Macht zu entwickeln strebten, sondern daß auch die Staatsgewalt diese ökonomischen Unterschiede dadurch respektierte, daß sie dem Mächtigen Vorrechte gab, dem Schwächeren aber zu allem Porschriften auferlegte, deren strikte Erfüllung fast seine Existenz iü Frage stellte. «. F. Cohn. Stätten der Arbeit. (Ausstellung in der@a*eri» Arnold. Dresden *). Was diese Ausstellung zeigen will, ist eigentlich etwas Selbst» verständliches. Wir sollen zu sehen bekommen, wie hingebend die Maler sich an die Häfen und Fabriken, an die Bahnhöfe und Groß- swdtstraßen, an die Werften und Maschinenhallen verlieren, mit welcher Leidenschaft sie diese Stätten der modernen Arbeit ge» stalten. Es ist gewiß interessant, all solche Bilder einmal neben- einander zu sehen; es wäre wunderlich, wollte es nicht ein leichtes fein, eine Fülle von Beispielen zusammenzubringen. Es ist nicht neu, daß die Arbeitsstätten den Maler fesseln; eine Zeit, die ihr Wefen in den Problemen der Arbeit beinahe erschöpft, muß not» wendig die Arbeit und ihre Stätten auch der Kunst zum Thema geben. Das gehört zu der materialistischen Bedingung alle? geiftmen Geschehens. Schon auf den Bildern, die noch ganz den Heiligen dienteir, wurden heimlich, wenn auch mit Lust, die Arbeitsstätten ge- schildert. Sowie die Malerei zur Wirklichkeit erwacht war, suchte sie den Pulsschlag des Lebens. Jan van Eyck stellt eine Madonna in ein gotisches Kirchengewölbe; durch die Fenster sieht man hinaus, über die Stadt dahin, sieht die Bürger in den Straßen den Handwerken nachgehen, sieht draußen vor den Toren die Bauern das Feld bestellen. Wenn Dürer im Marienleben die Werkstatt Josephs schildert, so freut es ihn, die Einzelheiten des Handwerks aufzuzählen, die Axt, den Hobel, die Arbeitsbank. Und man kann nicht einmal sagen, daß bei solchen Schildereien die Heiligen gegenüber den irdischen Einzelheiten die Hauptpersonen blieben; wer weiß, ob Dürer sich nicht zumeist an dem Zimmer» mann gefreut hat. Immerhin, es läßt sich eine EntWickelung fest- stellen für das Tempo, nach dem die Götter und die Könige ans den Bildern verdrängt wurden, um dem bisherigen Hintergrund. der Landschaft, dem Markt, der Werkstatt und dem Volk, den Platz zu räumen. Das geschah nach dem Maß, wie der Menfch sich aus der Furcht befreite und der Bürger die Sklaverei zerbrach. Die Holländer, nachdem sie den Befreiungskampf der Niederlande ge- schlagen, ließen das Volk laut und stürmisch in die Bilder dringen. Die Bilder der Heiligen hatten sie verbrannt; dafür malten sie jetzt Bauern in der Kneipe, trinkend und raufend. Sie malten aber auch sonst das Volk bei der Arbeit und beim Spiel, in den Booten, die zum Fischfang fahren und auf dem Eis, im Getümmel des Winters. Für Rembrandt war das Proletariat von Amsterdam . war der Jude des Ghettos bereits ein Medium, die Wunder des Lichtes und das Drama der Finsternis zu offenbaren. Der Hof- maler Velasques durfte so radikal nicht vorgehen; er malte eine Schmiede des Vulkan, auch Spinnerinnen bei der Arbeit; er malte diese Szenen ein wenig nobler als die Wirklichkeit, ein wenig geschminkt, höfisch zubereitet. Auch Murillo, als er die Straßen- jungen, die eine Melone schlecken, auf die Leinwand brachte, hat seine ruppigen Modelle zuvor ein wenig gewaschen und poliert. Die Götter und die Helden spukten diesen Malern noch im Gemüt. Bis dann Goya kam, der das Grauen des Bürgerkrieges und die Schrecken der Revolution in rücksichtsloser Wirklichkeit auf die Kupferplatte riß. Wenn er die Opfer der Inquisition , die Ge- henkten und Erdrosselten der napoleonischen Soldateska aus dem Dunkel der Gespensternächste tauchen läßt, stöhnt und schreit daS Volk, dem selbst die Freiheit zu einer Groteske des Jammers wurde. Die Zeit stürmt zum Ziel, und bald kann Daumier in seinen Bildern und Radierungen den Vulkan des Volkes verkündigen. Und Courbet gibt mit den Steinklopfcrn, die er so malt, ivie sie in harter Wirklichkeit am Wege hocken, ein Manifest von der Wandlung, die den Göttern und Königen den Dienst aufkündigte und nur noch der Natur und dein Menschen, den unerschöpflichen Kräften des Wäldes und dem Arbeiter Altäre bauen will. Es hat vielleicht mehr Bedeutung, als nur die. einer. Episode, daß dieser Courbet als ein Mitglied der Kommune aus Frankreich verbannt sterben mußte. Millet ist bereits eiw Bote des Sieges. Der Sämann, den er in Einsamkeit vor den unendlichen Horizont eines aufgebrochenen Ackers stellt, hat wahrhaft den Platz genommen, der einst dem heiligen Andreas oder der Jungfrau gehörte. Diese Bauern Millets, die wie eirtz überirdischeS Geschlecht aus der Erde wachsen, haben etwas Prophetisches. Was Rembrandt ahnte, ist Wirklichkeit geworden: das Mysterium des Lichtes vollzieht sich an den Lastträgern. Von nun an ist das soziale Motiv der Kunst. ebenso selbstverständlich wie notwendig. Meunier ist nicht mehr. ein Kämpfer, bereits einer, der Denkmale baut. Er läßt die Ar- beiter- des Bergwerks, die Genossen des blinden Grube npferdes, das Maß der hellenischen Klassik ausfüllen; er steigert die brutale Wirklichkeit zu verklärten Symbolen. Die EntWickelung hat ent- schieden: der Arbeiter und die Arbeitsstätte stehen im Zentrum der Welt. Die Kunst braucht das pulsende Leben nicht mehr heimlich in die Bilder zu schmuggeln; das Leben brach alle Kon» ventionen. Der Maler braucht nur zuzugreifen; was er auch immer gestalte, die Häfen und Fabriken, die Bahnhöfe und Groß- stadtstraßen, die Werften und M lsch. icnhallen, das alles wird von ihm erwartet als eine.Verkündigung der lebendigen Welt. So malte Menzel das Eiscnwalzwcrt und Liebermann die. von hastenden und handelnden Menschen vollgestopften Gassen mit der *) Im Herbst wird diese Ausstellung auch in Berlin 4U sehen sein.
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29 (12.4.1912) 71
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