flul» Sache vertheidigen. Entfernt die Zeloten, strafet die Jntri- guanten, verbannt den Zunftzwang, verscheucht den Schranzengeist, zieht jene Beamten zur Rechnung, und ihr werdet bald die erstere Klasse von der letzteren verschlungen sehen." Görres fordert, dah man alles aufbiete, um das Volt aus seinem bisherigen Stande der Unmündigkeit herauszureißen, es reif zu machen für die Kultur und Wahlfähigkeit. Man soll sorgen, daß beim Eintreten der Wahl keine Aristokraten an die Spitze der Geschäfte kommen, keine Royalisten oder elende Schwächlinge, damit nicht Pinsel oder Bösewichter über das Schicksal des Vaterlandes entscheiden. Auf Batavien, die Schweiz , solle man schauen, auf Italien ,»wie der Republikanis'm dort in seinem ganzen Jugend- feuer glüht; wie die erhabenen Grundsätze der Freyheit auf einem Boden gedeihen, von dem man vor zwey Jahren noch glaubte, daß nur die Dornen des. Aberglaubens und der Bigotterie in ihm Wurzel zu schlagen vermögten", auf Italien , in dessen Dornen- gestrüpp sich dann ein paar Jahre später Görres selbst wieder verstrickt! Zwei Tage nach der Uebergabe von Mainz hält Görres eine Rede in der patriotischen Gesellschaft zu Koblenz : Maynz ist unser! Auf den Wällen dieser stolzen unbezwing- baren Beste weht die drehfarbige Fahne; ihre schrecklichen. Feuer- schlünde sprühen nicht mehr Tod über die Heerschaaren der Frey- heit; drohend und fürchterlich strecken sie jetzt den Königen und ihren Helfershelfern den alles verschlingenden Rachen entgegen. Sie ist verlohren diese Sternschanz« des Despotismus, zerschnitten der Samen der berüchtigten Reichsintegrität." Zu einem Traumbild gestaltet der Redner leibhaftig dieses Ge- spenst der»Reichsintegrität", wofür wir heute etwa Boden der staatlichen Ordnung sagen würden: Eine aus Urkunden und Adelsdiplomen zusammengeflickte pergamentene Toga umkleidete das Gespenst. Vor ihm aufge- schlagen lag die deutsche Konstitution, ein Buch ohne Anfang und Ende.... Auf der Böschung des Felsens lag Germania gefesselt und weinte; aber das Ungeheuer spottete ihrer Thränen. Von Zeit zu Zeit schrie es in einem kreischenden Tone: Konstitutionelle Basis; alte hergebrachte. Reichsverfaffung." Nun strömen die Vertreter der alten Mächte heran, um von dem Gespenst Hilfe zu erflehen. Zuerst eine Gesellschaft bejahrter Leute, mit Allongeperücken, Sturmhüten, spanischen Mänteln und Wickelstrümpfen; an den stupiden Physiognomien erkennt man sie als Mitglieder des alten deutschen Reichstags. In weinerlichem Tone und im lächerlich verschränkten Kurialstil wenden ste sich an tne allerhuldrcichste Gottin, um ihr im ehrerbietigsten Vertrauen allerunterthänigst zu hinterbringen, was Maßen ein unversöhnlicher und grausamer Reichsseind usw. Dann trabt heran ein Haufen von Kurfürsten, Bischöfen, Herzogen, Grafen . Baronen, Rittern und Freiherren , ein buntes Gemisch von, siechen Schtoächlingen, feisten Fettwänsten, entnervten Wollüstlingen und elenden Halb- menschen. Ein dritter Haufen folgt, weinend und schluchzend: Mönche, Pfaffen und Nonnen, von hundert verschiedenen Orden, Gestalten, Habitten; Frisirte und Glatzköpfe, mit spitzen und stumpfen Kapuzzen, Kaloschen, Tiaren und Mützen, mit und ohne Jnfuln, mit Bärten und Bartloße; baarfuß und gestiefelt, mit und ohne Hofen, mit seideneu und hänfenen Stricken.... Langsam und majestätisch wälzte sich die Masse über die Ebene; sie schwoll immer mehr an, denn alte Taugenichtse, Pflastertreter, Rabulisten, Frömmler, Fanatiker und Dummköpfe stießen zu ihr." Und ein Gebet hebt an: O Schützerin aller Bonzen! Was ist aus uns geworden? Sieh unsere Bäuche: sie waren einst so glänzend und feist, daß du dein Göttcrangesicht in ihnen, wie in einem polirten Schilde hättest bespiegeln können. Aber sieh! Wie sie jetzt zusammen- geschrumpft schottern; sie hängen in hundert Falten herab, und erwarten mit Sehnsucht bessere Zeiten..., Unsere Nasen! Einst waren sie mit den schönsten Rubinen und Karfunkeln besetzt. Das Feuer des Rheinweins erzeugte sie jedesmal von Neuem, wenn ihr Glanz je einmal verloschen war; aber, o weh! Der Rhein soll den Franzosen zufallen und wo nehmen wir den edeln Rebensaft dann her?... Wir lechzen nach dem Labctrunk. Aber ach! Wo ihn hernehmen? Unsere Güter sind in den Händen der Gottes - lästerer; unsere Weingärten zerstört; der Landmann, angesteckt von den Grundsätzen einer vcrdammlichen Aufklärung, verschließt nus mit karger Hand seine Scheunen und Vorräthc.... Ach! Was lvarcn unsere Vorgänger so glücklich! Ihre Becher und Schüsseln füllten sich immer von selbsten; unmerklich erhob sich ihr Bauch vom niedrigen Hügel zu" einem von Fett strotzenden Chim- dorasso." Unter Verkaufs-Anzeigen findet sich auch einAvertissement" des kurhessischen Landgrafen, gegeben zu Kassel am 15. Mai 1798, das also beginnt: Wir Wilhelm der IX. von Gottes Gnaden Landgraf von und zu Hessen , Ordensmeister der Tapferkeits- und goldenen Löwen- orden, Besitzer der Bergvestungen Spangenberg und Babenhausen , Erbauer einer neuen Bastillc, Oberaufseher über die Pantalons und Hüthe aller Katten, weitberühmter Schweinshändler usw. usw., entbiethen hiemit allen unsern Handelsfreunden und resp. Gönnern unfern Gruß, und machen denselben bekannt, was Maaßen wir ein vollständiges und ausgesuchtes Assortiment von 12 000 Stück Men- schcnvieh erhalten haben; es geht daher an alle, die dieser Waare bedürftig, die Bitte, uns gefälligst mit ihrem Zuspruche zu be- ehre» Wir haben darauf gesehen, nur lauter bildschöne junge Leute wie Milch und Blut, zusammenzutreiben.... Ein zwölf« jähriges Abrichten mit Stock und Prügel hat es endlich dahin gebracht, daß sie sich für ihren Herrn todt schießen lassen, ohn« nur dabev zu muzen. oder eine"Miene zu verziehen.... Wir werden uns jedoch nicht mit dem Handet en detail abgeben, sondern si» nur Tonnenweis, und zwar die Tonne von 190 Stück zu 49 Pfund Sterling ablaßen.... So schäumt und strudelt es in der ungeberdigen Zeitschrist des 22 jährigen Mannes, die von den Behörden unterdrückt, dann noch kurze Zeit alsRübezahl " auflebte. Der jähe Umschwung ist keineswegs aufgeklärt; er fällt zusammen mit seiner Anstellung als Phystklehrer an einer Koblenzer Schule, der bald die Heirat folgt. Zwei Jahrzehnte später, als er längst im Lager der Feind« seiner Jugend stand, hat er als Grund seiner einstigen Irrtümer angegeben, er habe den Zeitgenossen mehr zugetraut, als sie zu leisten imstande gewesen. Auch das ist keine Erklärung; ll)enn eine gewisse Verzweiflung an seinen Zeitgenossen beherrscht schon daS rote Blatt. Das Renegatentum von Görres scheint deshalb inner» lich so unmotiviert, weil seine revolutionäre Begeisterung sich nicht wie bei andern 1789 entzündete und dann bei der Hinrichtung Ludwigs ins Gegenteil berkehrte, sondern erst nach den Schreckens» zeitcn aufbrauste. Dem roten Blatt selbst wird in dem klerikalenStaats- lexikon", das sich unter das geistige Patronat von Görres gestellt hat, nachgerühmt, es habe freimütig die öffentlichen Angelegenheiten besprochen und die Mißgriffe der Freunde ebenso getadelt wie di» Uebergriffe der Gegner. Aber den Beweis für das Lob durch seine Herausgabe hat die Görresgesellschaft denn doch nicht zu erbringen gewagt. SonnenfinftrniilTe. Von Dr. B. Borchardt. Eine Verfinsterung der Sonne vermag uns nicht mehr toi« in alten Zeiten in besondere und ängstliche Aufregung zu versetzen. Die Vorausberechnung von Sonnenfinsternissen ist uralt.' Di« Chinesen, denen wir die älteste Auszeichnung über eine Sonnen» fiusternis verdanken, die sich vor mehr als 4999 Jahren ereignete» waren auch imstande, ihr Eintreten vorauszuverründen, und es war eine wichtige Aufgabe der kaiserlichen Astronomen, derartige Er» eignisse zeitig genug anzusagen. Auch die alten Chaldäer und Babylonier wußten bereus vor mehr als 3999 Jahren, daß in einem Zeitraum von 13 Jahren und 11 Tagen sich 41 Sonnen» finsternisse ereigneten, und daß nach einer solchen Zeit die Finster» nisse, wenn auch nicht für denselben Ort auf der Erde, sich wieder» holen. Vermutlich hat dieser Zyklus auch der Berechnung der ersten Sonnenfinsternis zugrunde gelegen, von deren Vorausberechnung uns Kunde gegeben ist. Das ist die Finsternis vom 28. Mai b8b v. Chr. Geburt, also vor 2'/h Jahrtausenden, die in Kleinasien ein» trat, als die Heere der Meder und Lyder am Halys-Fluß in heißem Streite miteinander rangen. Das plötzliche Auslöschen des Tages« lichtes am hellen Mittag durch die Verfinsterung der Sonne erfüllte die Kämpfenden und ihre Führer mit solchem Schrecken, daß die beiden Könige unter dem überwälti, senden Eindruck des Ereignisse» noch auf dem Schlachtfeld Frieden schloffen, um den Zorn der Götter zu besänftigen. Die Finsternis soll zwar von dem Waisen Thale » von Milet , der später hochgeehrt am lydischen Hofe lebte, voraus­gesagt worden sein; aber von solchen Dingen konnten damals nur sehr wenige Kunde erhalten. Die Verbreitung der Künste und Wissenschaften war noch ungemein gering, die vervielfältigenden Künste, die so ungemein zur Verbreitung des Wissens in den Volks» masscn beigetragen haben, sind erst viel viel später im Abendland erfunden worden, und so kann eS nicht wundernehmen, daß di» Massen einem solchen Ereignis voll abergläubischer Furcht und Schrecken gegenüberstanden. Das hat sich im Laufe der Zeiten gründlich geändert.. Bei allen zivilisierten Völkern ist heute die Kenntnis der Ursachen einer Sonnenfinsternis ganz allgemein verbreitet, und das Vertrauen zn den Astronomen, die ihr Eintreten schon lange vorher bis auf di« Minute ankündigen, ist so unbegrenzt, daß niemand mehr das Er» eignis mit Schrecken ansieht, daß vielmehr jeder es als eine inter» essante Naturerscheinung betrachtet, der er je nach Veranlagung und Neigung mehr oder weniger Interesse entgegenbringt, und bei deiner allenfalls nach dem wissenschaftlichen Wert ihrer Beobachtung fragt. Zu einem erheblichen Teil liegt dieser Wert für die Astro. nomen in der Kontrolle ihrer Rechnungen, in der Prüfung, ob all« Einzelheiten auch genau so auf die Sekunde und selbst auf Bruch» teile einer Sekunde eintreffen, wie es die Rechnung ergibt. Mancher meint vielleicht, die Verhältnisse sind bei jeder SonnensinsterniS genau die gleichen, der Mond, der die Erde umkreist, tritt zwischen Sonne und Erde; von der Sonne beleuchtet, wirft er einen Schatten hinter sich, der bis auf die Erde reicht und den Stellen der Erd» obcrfläche, über die er hinstrcicht, auf einige Zeit die Sonne ver- deckt. In dieser Weise spielt sich jeH? Sonnenfinsternis ab, so daß die allgemeinen Verhältnisse bei jeder die gleichen sind. Ganz so einfach liegen die Dinge aber nicht. Der Mond um» kreist die Erde in einer Bahn, deren Ebene nicht mit der überein. stimmt, in der die Erde die Sonne umkreist sEIliptit). Die Mond » bahn ist vielmehr gegen diese um 5 Grad geneigt, und schneidet sie daher in zwei Punkten, den sogenannten Knoten der Bahn. Zur