Lerwundert riß das Mädelchen die Augen auf.—„Schläft er?'.Ja er schläft; komm, wir wollen ihn nicht stören", antwortete derOffizier mit rauher Stimme,»ich will ihn von Dir grüben und ihmDeine Blumen geben."_Eisberge.Zur Kollision des Dampfers„Titanic".Henry F. Urban, der deutschamerikanische Publizist, hat in seinerSkizze„Der Eisberg" mit dramatischer Wucht die Gefahr geschildert,die den Riesen des Ozeans von den gewaltigen schwimmenden Eis-Massen droht, die sich alljährlich im Frühjahr aus der Arktis aufihrer Wanderung nach dem Süden machen und die Ozeanrenner mitBcrderben bedrohen. Nun hat just den neuesten und gröfiten allerDampfer, die den Atlantic befahren, das Mißgeschick einer Kollisionmit einem Eisberge erreicht, ein Mißgeschick, das zu einer furcht-baren Katastrophe geführt hat. Der Dampfer„Titanic" der WhiteStar Line ist schon kaum mehr ein Schiff zu nennen; er istauch kein schwimmendes Hotel, er ist geradezu eineschwimmende Stadt. Nicht weniger als 5476 Menschen gewährter bei voller Besetzung Raum und Unterkunft; davon bilden 706die Mannschaft, und von den verbleibenden 4776 Passagieren können776 in der ersten, 500 in der zweiten Kajüte befördert werden,während 3500 Mann Raum im Zwischendeck finden. 300 Meter langist das Ungetüm, ebenso wie sein Schwesterschiff„Olhmpic"; eshat eine Wasserverdrängung von 60 000 Tonnen und übertrifft da-mit die bis vor kurzem als die größten Ozeanrenner angesehenenDampfer„Mauretania" und„Lusitania" der Cunard-Linie, undzwar um nicht weniger als 15 000 Tons. 20 Meter hoch ragt dasBootsdeck über den Wasserspiegel. In dieser über den Ozeanwandernden Stadt sind die größten Raffinements verwirklicht, diesich ein amerikanischer Nabob in seinen kühnsten An-sprächen auszudenken vermag. Auf der„Titanic" gibt eszum Beispiel ein Gartenrestaurant, in dem man auf knirschendemSilberkies unter blauem Himmel, rings umgeben von Blumen undBlattpflanzen sitzt, und dessen Zaun farbenprächtige exotische Schling-pflanzen überwuchern. Da gibt es wie in einem Luxusbadeorl eineGalerie mit Kaufläden, wo die Dollarprinzessinnen ihr Bedürfnisnach kostbaren Spitzen, nach Juwelen, den neuesten Pariser Mode-hüten u. dgl. befriedigen können. Da fehlt weder ein Schwimmbad,ein Fischbassin für Angler, eine Rollschuhbahn, ein Fcstsaal noch einTheater; von Kleinigkeiten, wie einem Kinderspielzimmer, gar nichtzu reden. Wunderbar ruhig, selbst bei schwerem Seegang, fuhrdieses herrliche Schiff; denn dank seiner gewaltigen Länge um-spannte es mindestens drei Wcllenzllge mittlerer Größe, so daß dasStampfen und Schlingern auf ein Minimum reduziert war.Dieses schwimmende Gemeinwesen mit seinen Tausenden vonMenschen ist nun einem der gefürchteten Wanderer des Nordatlanticzum Opfer gefallen, die alljährlich im Frühjahr die Schrecken derArktis weit über die große Heerstraße des Ozeans bis an die Grenzeder subtropischen Zone tragen. Die Eisberge stammen, soweit siefür die nördliche Halbkugel in Betracht kommen— denn denAequator überschreiten sie nicht—, aus den höchsten nördlichenBreiten. Wenn die Gletscher Grönlands sich bis ins Meerhinein fortschieben, so bricht meist der über das Festlandhinausragende Teil mit großer Gewalt ab; man sagt:der Gletscher„kalbt". Die Eismasse treibt alsdann ziellosim Meere, bis sie in den Bereich einer der arktischenStrömungen gerät, die sie nach Süden führt. Noch häufiger ent-stehen Eisberge im freien Polarineere, wenn sich Packeis und Eis-fclder wild übereinander schieben und auftürmen. UngeheuereEisfelder werden so von den kalten Meeresströmungen in niedrigereBreiten getragen, Eisfelder, die oft eine Länge und Breite vonmehreren Kilometer erreichen. Mehr als 100 Meter hoch ragen oftdie Eismassen über den Wasserspiegel empor; aber nur etwa einSiebentel ihrer Gesamthöhe ist oberhalb des Wasserspiegels sichtbar.Denn da das Eis ein geringeres spezifisches Gewicht als das Wasserhat, so schwimmt der weitaus größere Teil der Masse im Meere,und ein Eisberg, der 100 Meter emporragt, hat unter Wasser un-zweifelhaft noch eine Tiefe von 6 bis 700 Meter, so daß die Be-zeichnung als Eisberg angesichts dieser ungeheuren Masse durchausdas Richtige trifft. Au Eisbergen fehlt es namentlich im westlichenTeil des Atlantischen Ozeans während der ganzen ersten Hälfte desJahres nicht; am häufigsten sind sie jedoch in den Monaten Aprilund Mai, wenn die kalte Labradorströmuug sie auS der Baffinbaiund aus der Davisstraße oder von der grönländischen Küste in dievielbefahrenen Gewässer im Süden der Neufundlandbank treibt.Hier an der Grenze der kalten Labradorströmung und deswarmen Golsstromes wird durch die häufig herrschendendichten Nebel die Gefahr bisweilen außerordentlich vergrößert;von der Häufigkeit ihres Auftretens zeugen zahllose Beobachtungen.So hat am Ostrande der Neufundlandbank am 24. Mai 1882 eindeutscher Dampfer innerhalb 24 Stunden nicht weniger als 351 Eis-berge gesichtet.In der gegenwärtigen Jahreszeit sind die Seeleute in jenenGewässern naturgemäß vor Begegnungen mit den unheimlichenschwimmenden Kolossen sehr auf der Hut. Aber bei Nebel, zumalbei Nacht, gibt es kaum ein anderes Mittel, herannahende Eisbergezu erkennen, als die Beobachtung des Thermometers. Denndie Kälte, die von diesen Millionen Kubikmetern Eisesausgestrahlt wird, ist so intensiv, daß die Lufttemperaturbei der Annäherung«ineS Eisberges geradezu rapidesinkt. Schauerlich dröhnt zu solchen Stunden, in denen derKapitän Gefahr vermutet, das Nebelhorn; vor dem Eisberg selbstallerdings gibt es keine andere Rettung als schleunige Flucht undVeränderung des Kurses. Aber auch das ist ein schwieriges Be»ginnen, sobald der Nebel oder die nächtliche Dunkelheit jede AuS«ficht unmöglich macht. Bei klarem Wetter und hellem Sonnenscheinbieten die oft überaus bizarren Eisbergs allerdings ein wunder«volles Bild. Manche ragen wie Felsinseln massig aus dem Meer«empor, und in ihren weißen Wänden spielt das Sonnenlicht mitzauberischer Pracht. Andere wieder sind wild zerklüftet, gleichSpitzen und Klippen; wieder andere bilden breite Tore undBrücken, von denen bei Frostwetter ungeheuere Eiszapfen und Nadelnherabhängen.Nach den internationalen Bestimmungen hat jedes Schiff di«Pflicht, die Positionen der gesichteten Eisberge den Hafenbehördenzu melden. Neuerdings dient zu diesen Meldungen in immerwachsendem Umfange die drahtlose Telegraphie. Auch die einanderbegegnenden Schiffe signalisieren sich die Eisverhältnisie, die sie beider Neufundlandbank antrafen; gegenwärtig teilen sie sich ihre Wahr»nehmungen darüber bereits auf weite Entfernungen drahtlos mit.Alle diese Angaben werden an die Deutsche Seewarte in Hamburgund an das Hydrographische Amt in New Uork telegrapbiert; auf Grunddieser Meldungen entwerfen die beiden Institute Eiskarlen und Eis-Prognosen, die den auslaufenden Schiffen mitgegeben werden. Dochkönnen alle Vorsichtsmaßregeln, wie der Fall der„Titanic" wiederzeigt, nicht verhindern, daß gelegentlich Zusammenstöße zwischenSchiffen und Eisbergen erfolgen, Kollisionen, die besonders deshalbso verhängnisvoll für die Dampfer werden können, weil sie gewöhn-lich auf den Teil der Eisberge auflaufen, die unter dem Wasser ist,und der sich viel weiter im Umkreise erstreckt als der sichtbare Teildes eisigen Kolosses._l)ie Sonnenfinsternis vom 17« Hprll«Seit der Wiederkehr des Halleyschen Kometen hat Europa keinso bedeutsames astronomisches Schauspiel zu sehen bekommen, wiedie ringförmige Verfinsterung der«onne, die sich heute in denersten Nachmiltagsstunden ereignen wird und die man ganz besondersin Norddcutschland, dann aber auch im Süden des Landes, in derSchweiz und in Oesterreich als partielle Finsternis wird beobachtenkönnen.Ueberaus selten hat der einzelne Ort der Erde Gelegenheit,eine totale oder eine ringförmige Sonnenfinsternis zu beobachten.So war die letzte totale Verfinsterung der Sonne in Deutschlandim August des Jahres 1887, und man hat damals durch die Un«gunst der Witterung von dem seltenen Naturschanspiel nicht einmaletwas zu sehen bekommen. Hoffentlich ist diesmal die Sonnen»finsternis von günstigerer Wilterinig begleitet; bietet doch gerade dieErscheinung der ringförmigen Verfinsterung einen überaus eigen«artigen Anblick. Dabei weiß man diesmal keineswegs mit völligerSicherheit zu sagen, ob nicht an dem einen oder anderen Punkte dieVerfinsterung für einen Augenblick total sein wird. Die Unsicher»heit in den bisherigen Messungen des Monddurchmessers istes, die den Astronomen die absolut genaue Berechnungder Länge des Mondichattenö unmöglich macht. Der Wertdes Monddurchmessers ist nämlich immer noch um etwa»mehr als 5/4 Bogensekunden unsicher, und das würde genügen, fürdie Ausdehnung der tolalen gegenüber der ringförmigen Verfinsterungeinen Unterschied von einigen hundert Kilometern hervorzurufen.Allerdings nimmt man als ziemlich sicher an. daß nur in Süd-amerika und im Atlantischen Ozean die Bedeckung der Sonne durchdie Mondscheibe für einige Sekunden vollständig sein wird. Nachden Berechnungen französischer Astronomen kann unier Umständenauch in Spanien und Frankreich die Finsternis für einen Momenttotal werden; innerhalb Deutschlands, so nimmt man an, wird siejedoch nur ringförmig und partiell zu sehen sein Die Distanz zwischenErde und Mond am kommenden Neumondtermin ist so, daß der schein»bare Durchmesser der Sonne und des Mondes fast gleich fein werden.Je näher der Trabant feinem Planeten steht, um so länger istnaturgemäß auch der Kcrnschalten. den der Mond auf die Erdewirft, wenn er zwischen Erde und Sonne steht und mit diesenbeiden Himmelskörpern eine gerade Linie bildet. Damit schwanktauch die Dauer der Totalität einer Sonnenfinsternis, die, wie beider Sonnenfinsternis vom 9. September 1004, mehr als 8 Minutenbetragen kann, die aber in ungünstigen Fällen wie diesmal aufwenige Sekunden beschränkt bleibt. Am 17. April wird nun derMond so weit von der Erde entfernt sein, daß die Spitzeseines Kernschattens gerade noch an einigen Punkten dieErde trifft, während der größte Teil der Tolalitätszonevon der Spitze des Kerii'chatrcns überhaupt nicht mehr ge-troffen wird. Diese Spitze verläuft durch den Wellraum zwischen Mondund Erde, so daß diejenigen Erdstriche, die auf dem Wege der ver-längerte» Schatlenacvse liegen, das Schauspiel einer ringförmigenVerfinsteriliig genießen weiden. Rings um den etwas kleiner alsdie Sonne erscheinenden Mond wird dabei em winziger Teil desTagesgcstirns in Gestalt eines lichten Ringes ftci bleiben. DieBreite dieses Ringes kann gegen 1�/g Minuienbogen betragen, wirdaber bei dieser Sonnenfinsternis ganz oußel ordentlich schmal seinund nur etwa 2" bei einem Toiiiiendnrchmesser ven 1911" aus-machen. Man wird demgemäß ein Naturjchauspiel von bizarrster