Vaierl Sieh mich an!" scholl eine Stimme, als er den Hof fast überschritten hatte. Er wandte sich um und stutzte. Drüben in der Arkade vor ihrer Türe stand Sultana, ge- kleidet in eine Mlahfa und angetan mit den Schmuckstücken der Beduinenfrauen. Innerhalb der Türe stand spähend und lauschend Lalla Djerida. Bin ich schön, Vater?" fragte Sultana, zu ihm hin- tretend. Das ist ja die Tracht Deiner Mutter." Ja. War sie schöner als ich, als Du sie entführtest?" fragte sie. alle ihre Zähne zeigend. Sie schlang die weißen runden Arme um seine Schultern und folgte ihm zum Tore. Das ist ja so viele Jahre her. Aber ich sehe, Du bist zu einer Palme herangewachsen, die manch reicher Mann gern in seinen Marmorhos verpflanzen würde. Wolltest Du mich erinnern, daß es Zeit sei. Dir einen Herrn zu suchen?" Nein, Vater, ich wollte Dir nur meine Tracht zeigen," erwiderte Sultana ernst. Nun denn, bald sollst Tu in einer noch strahlenderen Tracht auf Brautschau sitzen." Hamza küßte seine Tochter und eilte zur Moschee. Sultana blieb einen Augenblick stehen, als die Türe sich schloß, bleich vor Angst über des Vaters Worte. Daß sie eines Tages einem fremden Manne gegeben werden sollte, wußte sie fa. Aber jetzt! Wohin sollte sie flüchten, wenn es Ernst würde? Da raschelte es von Seidenbeinkleidern. Lalla Djerida näherte sich auf Strümpfen. Sie war den Beiden nach- geschlichen, um Si Hamzas Worte zu hören, (Fortsetzung folgt.) Sin Vater. Von Anton Tschechow . (Schluß.) Der GreiS schluchzte auf, lachte aber gleich wieder. .Und gerade an dem Tage hatten wir wie zum Possen ge« riebcnen Rettich mit Äwaß und Bratfische. Ein Gestan! in der Wohnung, daß dem Teufel hätte übel werden können. Ich lag be- trunken, meinWeibchen" sprang dem jungen Paar entgegen mit seiner roten Fratze... mit einem Wort: eine Schweinereil Aber Alexander hat das alles einfach nicht bemerkt." Ja, unser Alexander ist ein guter Mensch", sagte Bernhard. .Der herrlichste Mensch I Ihr seid alle goldene Kinder für mich I Du und Gregor, Alexander und Sophie I Ich quäle Euch, blamiere, beschäme, bestehle Euch, und in meinem ganzen Leben habe ich von Euch noch nicht ein Wort des Vorwurfs gehört, nicht einen schiefen Blick gesehen. Ja, wenn ich noch ein anständiger Vater wäre I Aber so... pfui Teufel I Nichts habt Ihr von mir gesehen als Schlechtes! Ich bin ein schlechter, liederlicher Mensch.... Jetzt bin ich Gott sei Dank! friedlicher, bin nicht mehr so jähzornig, aber früher, als Ihr noch klein wäret, war ich ein Tyrann. Es kam vor, daß ich nachts betrunken aus dem Klub heimkam und Deiner seligen Mutter wegen der Ausgaben Vorwürfe zu machen begann. Die ganze Nacht quälte ich sie mit Vorwürfen und glaubte, das müßte so sein. Gütiger Himmel, wie habe ich sie gequält, die Märtyrerin und die armen Kinderchen! Du erinnerst Dich wahr« scheinlich? Gott gebe keinem solch einen Vater!... Na, schleppt schon bis zu Ende, Mnder! Ehre Deinen Vater und Du wirst lange leben. Für Eure gute Tat wird Gott Euch ein langes Leben schenken.... Kutscher, halt an!" Der Alte sprang mir einem Satz au? dem Wagen und lief in eine Destillation. Nach einer halben Stunde kehrte er betrunken zurück und setzte sich neben seinen Sohn. Und wo ist jetzt Sophie?' fragte er.Ist sie noch immer in der Pension?" Nein, im Mai kam sie zurück, und jetzt lebt sie bei Alexanders Schwiegereltern." Ist das die Möglichkeit!" wunderte sich der Alte..Ein Pracht« mädel wahrscheinlich! Nein, Bernhardchen, wenn die Mutter noch diese Freude erlebt hätte I Höre, Bernhardchen.... weiß sie, wie ich lebe?" Bernhard antwortete nicht. Es vergingen wohl fünf Minuten in tiefem Schweigen. Der Alt« schluchzte auf, trocknete mit seinen» Lappen das Gesicht und sagte: .Ich liebe sie, Bernhardchen. Sie ist doch meine einzige Tochter, und im Alter gibt eS doch keinen besseren Trost als ein Töchterchen. Ich möchte sie gern sehen. Könnte ich. Bernhardchen?" .Wenn Du willst natürlich." Und sie hat nichts dagegen?" .Sie würde Dich aufsuchen, un» Dich zu sehen." .Wahrhaftig? Das find Kinder! WaS, Kutscher?... Als« mache das, Bernhardchen. Aber, ich möchte mich ihr nicht in solch einem gemeinen Aufzuge zeigen. Weiht Du, Vernhardchen, wir werden die Geschichte so machen: drei Tage werde ich mich der Spiriwosen enthalten, damit meine betrunkene Visage wieder mensch- lich wird? dann komme ich zu Dir, und Du borgst mir einen Anzug; ich laste mich rasieren und mir die Haare schneiden; dann fährst Du und holst sie zu Dir. Einverstanden?" »Ja" I Kutscher, halt!". Der Alte sprang wieder hinaus und lief in eine zweite Destillation. Bis Bernhard mit ihm zur Wohnung kam, sprang er noch zweimal so hinaus, und der Sohn wartete schweigend und ge- duldig auf ihn. Als sie den Kutscher bezahlt hatten und sich durch einen langen, schmutzigen Hof wanden, nahm das Geficht des Alten einen äußerst verwirrten, schuldbewußten Ausdruck an. Er begann schüchtern Unverständliches zu murmeln und mit den Lippen zu schmatzen. .Bernhardchen," sagte er endlich,.wenn Dir meinWeibchen" irgend etwas sagen will, Du weißt schon, so achte nicht darauf und... und sei zu ihr... weißt Du... so... höflicher. Sie ist roh und frech, aber dennoch ein gutes Weib. In ihrer Brust schlägt ein braves, treues Herz!" Der lange Hof war zu Ende, und sie kamen in einen dunklen Flur. Die Tür kreischte in den Angeln, eS roch nach Rauch. AuS der Küche ertönten grobe Stimmen. Aus dem Flur in die Küche tretend, sah Bernhard nur dunklen Rauch, einen Strick, an dem Wäsche hing, und einen Eainowar, aus besten Schornstein goldene Funken flogen. Und hier ist meine Zelle," sagte der Alte, bückte fich und trat in ein Neines Zimmer mit niedriger Decke. Die Atmosphäre in diesem Raum war unerträglich du>»»pfig wegen der Nähe der Küche. Am Tisch saßen drei alte Weiber und aßen. Als sie den Gast sahen, warfen sie einander Blicke zu und hörten aus zu essen. Hast Du bekommen?" stagte mürrisch eine von ihnen, äugen- scheinl»ch da?Weibchen". Habe bekommen, habe bekommen," brummte der Greis.Nun, Bernhardchen, fetz' Dich, bitte! Bei uns, junger Mann, geht eS bescheiden zu, wir leben einfach..." Er schämte fich vor dem Sohne, wollte aber gleichzeisig, wie immer, den Frauen imponieren, sich auf den unglücklichen, der- lassenen Bater hinausspielen. Ja, junger Mann, wir leben einfach," brummte er..Wir find einfache Leute, junger Mann... Wir sind nicht wie Ihr. Wir wollen den Leuten nicht Sand in die Augen streuen. Vielleicht ein Gläschen Branntwein gefällig?" ES ist ihm bei uns nicht fein genug," seufzte daS.Weibchen". Rein, nein, er wird schon trinken." Um den Vater nicht durch die Absage zu beleidigen, nahm Bernhard daS Gläschen und trank eS schweigend auS. Als man den Samowar brachte, trank er schweigend, mit melancholischem Ge- ficht, dem Alten zu gefallen, zwei Tasten widerlichen Tees. Schweigend hörte er zu, wie dasWeibchen" mit Betonung davon sprach, daß eS auf dieser Welt unbarmherzige, gottlose Kinder gäbe, die ihre Eltern im Elend untergehen ließen. Ich weiß, was Du jetzt denkst," sagte der angetrunkene Greis, wieder in seinen, in der Trunkenheit meist angeregten Zustand über- gehend.Du denkst, ich bin im Sumpf steckengeblieben, bedauern?- wert. Aber meiner Ansicht nach ist dieses einfache Leben ungleich normaler als Dein Leben, junger Mann. Ich leide keinen Mangel und... und ich habe auch nicht die Abficht, mich zu erniedrige»». Ich kann eS nicht ausstehen, wenn irgend ein Knabe mich voll Be- dauern ansieht." Nach dem Tee machte er sich einen Hering zurccht und bestreute ihn so stark mit Zwiebeln, daß ihm gleich die Tränen in die Augen traten. Er sprach wieder vom Totalisator, von den Gewinnen und von einein Panamastrohhut, für den er gestern 16 Rubel bezahlt «. Er log mit demselben Appetit, mit den, er trank und Hering . Der Sohn saß schweigend eine Strmde bei ihm, stand dann auf mrd verabschiedete sich. .Ich wage eS nicht, Dich zurückzuhalten," sagte hochmütig der Alte..Entschuldige, junger Mann, daß ich nicht so lebe, wie Du willst." Er warf sich in die Brust, zog mit Würde die Luft durch die Nase ein und blinzelte den Frauen zu. .Lebe wohl, junger Mann I" sagte er. den Sohn bis zum Flur begleitend..Vorficht I Stufen!" Im Flur, wo eS dunkel war, preßte er plötzlich daS Beficht an den Bermel des Sohnes und schluchzte. .Wenn ich bloS Sophiechen sehen könnte!" flüsterte er. Arrangiere das, mein Seelchen! Ich rafiere mich, ziehe Deinen Anzug an... mache ein strenges Geficht... ich werde in ihrer Gegenwart schweigen. Wahrhaftig, ich werde schweigen!" Er blickte furchtsam nach der Tür. hinter welcher die Stimme desWeibchens" ertönte, hielt mit Weinen inne und sagte laut: .Adieu, junger Mann! Vorsicht! Stufen!" (llebersetzt von Josephsohn.)