-
343
-
zusammengeflossenen Heuhaufen bildeten Inseln. In der Mitte troffenen sich ihr nicht nur als einer Selbstverständlichkeit willig des Stromes saß auf einem eingerammten Pfahl eine fleine Rabe unterwarfen, sondern sogar selbst um Beseitigung baten, sie als und wies ihm die Zähne, als er an ihr vorüberstrich. Ohne Unfall die legte Gunst betrachteten, die ihnen von Kindern, Verwandten erreichte er die Schafinsel und es gelang ihm, die stark mitgenom- oder Stammesangehörigen erwiesen werden fonnte. Es gibt ja auch menen Tiere in den Trog hineinzubringen. bei uns Fälle, wo jemand den Tod als Erlösung von Leiden herbei sehnt. Später fielen wohl die Voraussetzungen für die Sitte fort, sie hielt sich aber trotzdem noch lange, weil sie eben eingebürgert war. Wir dürfen sie jedenfalls nicht ohne weiteres und in allen Fällen als Neigung zu Grausamkeit, Lieblosigkeit oder gar Mordlust ansehen.
Dann begann der Rückmarsch. Er erwies fich als ungleich schwieriger. Er mußte jezt mehr gegen den Strom anarbeiten und außerdem wollten die Tiere, die an derartige Bootpartien nicht gewöhnt waren, alle Augenblicke in die eine Seite des Troges hinüberlaufen, wodurch er zum Kentern gebracht worden wäre. Auf diese Weise wurde Niels Aufmerksamkeit etwas von dem gefährlichen Strom abgelenkt, der ihit ununterbrochen auf die hinterhältigen Torfgräben zutreiben wollte, die hier in der Nähe sein mußten, deren Umrisse nun aber unter der allgemeinen Ueberschwemmung verborgen lagen. Die Schafe drohten schon wieder, den Trog um zuwerfen. Niels stemmte sich mit starfer Kraft entgegen, fühlte aber im selben Augenblick, daß ihm der Boden unter den Füßen schwand. Er wollte sich nun in den Trog zu den Schafen hineinschwingen, dadurch aber gewann das zerbrechliche Fahrzeug vollständig die Ueberbalance, sodaß sowohl die Schafe als er Hals über Kopf in die Torfgräben hineinfollerten, während der Trog den Boden nach oben kehrte. Line, die am Uferabhang ihren Plaz nach der Fahrt des Troges gewechselt hatte, um im Augenblick der Gefahr so nahe als möglich zu sein, stieß einen lauten Schrei aus, als sie den Trog fentern sah, und ergriff gleichzeitig das Röhrichtbündel, das im Gras Jag bereit, ihrem Freund zur Hilfe zu eilen: Nun entdeckte sie aber, daß Gören die angebundene Zügelleine um seine rechte Hand gewickelt hatte und keine Miene machte, fie frei zu geben. Laß los," rief Line und zerrte mit aller Kraft an der Leine. Sören ließ aber nicht los, sondern hatte für Lines Verzweiflung nur einen Blick, der sie am ganzen Körper erzittern ließ. Line fühlte, daß Leben oder Tod ihres Geliebten von wenigen Sefunden abhängig waren, warf sich auf Sören hin und drängte ihn rüdwärts an den Abhang des steilen Wiesenhügels. Willst Du die Leine loslassen," schrie fie ihm ins Gesicht, und im selben Augenblid stürzte Sören den Abhang herab, während sie ihm die Leine aus den blutigen Händen zerrte.
-
Niels, der bei seiner unfreiwilligen Tauchpartie eine Menge Moorwasser geschluckt hatte, war einige Minuten lang in dem Torfgraben umhergeschwommen, wie eine Ratte in der Schweinstonne, ohne in seinem nassen Zeug die schleimigen Seiten hinaufflettern zu können. Die Kräfte begannen ihn zu verlassen, aber plöblich hörte er Lines mutige Stimme:" Niels, Niels, Du bist doch nicht ertrunken!" " Hallo," rief Niels und schlug mit der Hand heftig in den Kuchen von zusammengespültem Heu und Torfstücken, der sich an seinem Gesicht gebildet hatte. Im selben Augenblick fiel das Röh richtbündel bei ihm nieder. Er ergriff mit letter Kraft die Leine, schwang sich hoch und fah Line bis an den Leib im Wasser stehen, nur wenige Schritte von dem gefürchteten Torfgraben entfernt. Auch von den Schafen fehlte teins; sie waren von ihren schweren Belzen getragen worden. Fünf Minuten später sah man das fece Paar Hand in Hand zum Heidhof hinaufgehen, hinter ihnen her die geretteten Schafe.
Sören, der seinen Fuß im Fallen verftaucht hatte, fam fluchend und mit wütenden Augen ein Stüd hinterher gehintt. Am nächsten Sonntag wurden von der Kanzel aufgeboten der Junggeselle Niels Nielsen, in Arbeit auf dem Heidhof, und die ehrsame Jungfer Line Hanstockler, wohnhaft ebendaselbst.
Wir treffen fie schon bei unseren eigenen Borfahren, wenigstens bei einzelnen germanischen Stämmen. Waren die Massageten nicht Germanen, so waren sie doch sicher indogermanisch, und von ihnen erzählt Herodot : Wenn jemand alt geworden wäre, so hätten ihn seine Berwandten zusammen mit Kleinvieh geschlachtet, das Fleisch gefocht und damit ein Festmahl veranstaltet. Das hätte ihnen als das glücklichste Ende gegolten. Wäre aber jemand an einer Krankheit gestorben, so hätte man ihn begraben und bedauert, daß man ihn nicht mehr hätte schlachten fönnen. Das flingt zwar ungeheuerlich, doch ist zu bemerken, daß zur Urzeit die Menschenfresserei auch in Europa weit verbreitet war, unter Stämmen, die die Vorfahren der heutigen europäischen Völker sind. Germanen waren sicherlich die Heruler, die an der heutigen deutschen Ost seeküste, später zum Teil in Skandinavien saßen. Nach dem Bericht Protops war es bei ihnen Sitte, daß alte und franke Leute ihre Angehörigen baten, für ihren Tod zu sorgen; sie wurden dann erstochen und berbrannt, während ihre Witwen sich erhängen durfa ten. Hier soll es sich nach Prokop außerdem um Menschenopfer zur Erhaltung der Gunst der Götter gehandelt haben. Aus Standinavien erzählt ähnliches auch die Gautretssage: Der lebens müde Alte pflegte, von seinen Kindern geführt, sich von einem hohen Felevorsprung dem Stammesfelsen" hinunterzustürzen, um ohne Krankheit heiter und vergnügt zu Wotan zu fahren. Sein Weib und fein treuester Leibeigener stürzten sich mit ihm in die Tiefe. Hier hätten wir also religiöse und auchy ritterliche Anschauungen, die zur Selbstvernichtung führten; das Abstoßende der Ermordung, wenn auch auf eigenes Verlangen, fehlt.
-
In der Neuzeit sind es vornehmlich die Polarvölfer, bei denen die Beseitigung der Alten und Kranken vielfach üblich ist, und hier wirkt offenbar überall die Absicht ein, Leute, die nicht mehr selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können und deshalb den anderen zur Last fallen, auszumerzen; die Griverbsunfähigkeit gilt als Schädigung des Gemeinwesens, wie Byhan sich ausdrückt. Die Eskimos des Nordens von Amerika schlagen die alten Eltern tot. Schwache und Kranke, deren Genesung nicht zu erwarten ist, hängt man auf, wenn sie das nicht selber tun wollen, oder überläßt fie in der Hütte einfach ihrem Schicksal. Witwen werden ihrer Habseligkeiten beraubt und müssen zugrunde gehen. Ausnahmen gibt es aber auch dort. Nach James Roß zeigen bei den Eskimos an der Halbinsel Boothia Felix die Kinder ihren Eltern Zärtlich teit, Anhänglichkeit und Gehorsam. Ein alter Mann wurde auf der Wanderung auf einem Schlitten von seinen Angehörigen ge zogen, und für zwei ganz alte, gebrechliche Frauen wurde in jeder Weise gesorgt, als ob sie für die Gesellschaft noch von Nußen gewesen wären". Von den Eskimos an der Hudsonbai erzählt Klutschat, bis zum nahen Tode erfreue sich das Alter großer Achtung und der aufmerksamsten Fürsorge; erst wenn das Ende gekommen sei, sehe es sich von allen verlassen. Im Todeskampfe ist der Gatte der Frau, die Mutter dem Kinde, das Kind den Eltern fremd, im Todesfälle hört die Verwandtschaft, in Todesgefahr jede Nächstenliebe, jede Menschenhilfe auf. Der Eskimo, der eines natürlichen Todes stirbt, stirbt allein." Eine frante Frau schien dem Tode verfallen. Sogleich nahmen die Injassen der Hütte, in der sie lag,
Das Los der Alten und Schwachen play bie putte wurde verschlossen, und die Sterbende blieb sich
im Brauch der Völker.
Von H. Singer.
Die Mahnung des Spruches Du sollst Vater und Mutter ehren, auf daß Du lange lebeft auf Erden", ist für unsere Auffaffung so selbstverständlich, daß wir nichts mehr verabscheuen, als eine lieblose Behandlung der Eltern durch ihre Kinder, unser Gefet nichts unnachsichtiger und härter bestraft, als einen Elternmord. Dieser Auffassung entsprechend halten wir es auch für unsere Pflicht, alten und hilflosen Leuten ihre Lage zu erleichtern, fie mit besonderer Hingebung zu pflegen und zu beschüßen. Damit stehen die Kulturvölker feineswegs allein; bei den Naturvölfern ist es im allgemeinen ebenso. Wissen wir doch, daß sogar die Auftralneger, die gewöhnlich tatsächlich übrigens mit Unrecht- als auf niedrigster geistiger Kulturstufe stehend angesehen werden, trotz ihres schweren Kampfes ums Dasein alte. gebrechliche und krüppelige Stammesglieder unter oft großen Mühen auf ihren Wanderungen mit sich führen und höchst rücksichtsvoll behandeln.
-
Hütte
selbst überlassen. Von den westlichen Estimos am Smithsund aber versichert Beary: Um Kinder wie um bejahrte und schwache Mitglieder des Stammes ist man sehr besorgt", während wiederum von den christlichen Eskimos des südlichen dänischen Westgrönland be richtet wird, sie ließen Alte und Schwache oft ohne Hilfe und Pflege und gäben ihnen kaum die notdürftigste Nahrung und Kleidung. Aus der Heidenzeit des dänischen Westgrönland aber werden von Cranz gar Fälle erwähnt, daß alte, unvermögende Berfonen von ihren Angehörigen lebendig begraben oder gar auf andere Weise umgebracht worden seien, und daß das auf Verlangen der Getöteten selbst geschehen zu sein scheine, die, nachdem Jugend, Gesundheit und Kräfte sie verlassen, eine schnelle Erlösung von den Mühselig teiten des Lebens gewünscht hätten.
Unter den Tschuttschen, die die nach ihnen benannte Halbinsel im Nordosten von Asien bewohnen, halten alte Leute ein untätiges Leben als mit ihrer Ehre unverträglich und bitten ihre Söhne, sie zu töten, was denn auch geschieht. Von der Samtschadalen oder Jtälmen erzählte Steller in seiner noch immer wichtigen Beschreibung von dem Lande Kamtschatta" Jft nun aber diese Anschauung auch herrschend, so fehlt es doch( 1774): Sie sind besonders zum Selbstmord dergestalt disponiert, nicht an Ausnahmen, die wir mitunter gerade bei solchen Völkern daß sie ohne andere Ursache sich bloß und allein deswegen ers finden, die harmlos und gutmütig veranlagt sind oder sich sonst morden, wenn sie bedenken, daß sie alt und gebrechlich und auf durch sympathische Charakterzüge auszeichnen. Sie entledigen sich der Welt zu nichts mehr nüße wären. Anno 1737 ermahnte ein der Alten, Kranten und Gebrechlichen durch Ausseßen, Ermorden alter Vater seinen Sohn, daß er ihn an den Balagan( an der oder Zwang zum Selbstmord. Ursprünglich muß wohl die Schwie- Sommerhütte) aufhenken sollte, weil er nichts mehr nüße wäre. rigkeit, bei eigener Armut diese arbeitsunfähigen Leute zu ver- Der Sohn hing ihn auf, weil aber bei der ersten Eyaltion der sorgen, die traurige Sitte herausgebildet haben, derart, daß die Be- Riemen riß und der Vater abfiel, schalt er deswegen seinen Sohn,