Hlnterhallungsblatt des HorwärtsNr. 87. Dienßtag� den 7. Mai� 1912(Nachdruck verboten.»141 Suitana*Ein arabisches Frauenfchicksal von Emil Rasmnssen.Risja hatte sich so warm gesprochen, dah eine Selbstent-zündung ihrer brennboren Substanzz zu befürchten war. DasGesicht bewahrte sein farbloses Wachsaussehen, aber die dreiTreppenstufen zu ihrer Brust hinab hatten von der Anstren-gung. den energischen Bewegungen des Unterkiefers zu folgen,jede eine besondere Farbe bekommen— die unterste warblau. Sie mußte mit Rücksicht auf ihr Asthma(inen Augen-blick unterbrechen.Sultana antwortete diesmal nur mit einem tiefen Senf-zer, der als Zeichen aufgefaßt wurde, daß schon dieser ersteSturmangriff die Fugen der Mauer gelockert, hinter welchersie, vermutlich in einer kindischen Laune, ihre Jungfraulich-seit verschanzte.Risja schmiedete, während das Eisen ihr zu glühen schien.Sie nahm neuen Anlauf. Sie pumpte Luft wie eineBiene, die sich zum Fliegen anschickt, und sehte abermals an.�Jch vergaß zu sagen, daß Gafia ganz nahe bei Chottel Dierid liegt, dem wunderbaren Palmenparadies. Nichtweit davon ist Beni-Zids Distrikt. Wenn nun Deine Mrittergeschieden ist. kehrt sie gewiß zu ihrem Stamm zurück, so daßDu sie dann ganz in der Nähe hast: sie ist ja aus Beni-Zid.Und Mabruka würde Dir gewiß gerne folgen, nicht wahr,Mabruka?"„Ja, ja!" Mabrukas Augen funkelte«. Sie fühlte sichschon mitten draußen im Märchen.„Siehst Du! Du bleibst nicht allein! Und Abdallah,gegen den alle anderen jungen Männer, die ich gesehen, sindivie ein träges Maultiergestüt gegen einen feurigen arabischenHengst aus der südlichen Wüste, wird Dich durchs Leben tragenwie eine Prinzessin. Was sagst Du nun lazu, meine Suk-taua?"'Sie war dagesessen und hatte mit blanken, wcitgeöffnetenAugen gehorcht. Kaum aber schwieg Risja, als sie sich zurück-warf und so vorzweifelt und bitterlich zu weinen begann, alshätten plötzlich ganz neue Gedanken sie überwältigt.In diesem Augenblick hörte man Si Hamzas Stimmedraußen auf dem Patio.Mabruka zog rasch den Vorhang vor die Tür: denn erbefand sich in Gesellschaft eines Fremden.Risjas stark vorgewölbte Augen wagten sich�noch einStück weiter. Sie erinnerte an den aufgeblähten Frosch imMärchen in dem Augenblick, da er im Begriff ist, zu platzen.Sie zog eifrig Speichel in sich mit einem Wohlbehagen,als sei es sjorb el bnefsösj. ein veilchenduftendcr Likör.„Der reiche Naftali Bembaron, der Livornescr!" sagtesie, vor sich hinnickend, während die beiden Männer am Gitter-fenster vorbeigingen, mit einer Stimme, die vermuten ließ,daß sie sich auch über die Bedeutung dieses Besuches ganzklar sei.-----Si Hamza führte seinen Gast zu einem Diwan des Saasesund hieß ihn niedersetzen, während er selbst auf einem anderenihm gegenüber Platz nahm.Bembaron war ein alternder jüdischer Bankier. Seineeuropäische Kleidung verriet seine Herkunft von der letztengroßen Einwanderung italienischer Juden aus Livorno, diesich von der eingeborenen, verarmten, in Tracht und Spracheganz arabisierten Judenkolonie aus den stinkenden Gäßchenunterhalb Suk el Htzt ziemlich scharf unterschied.„Mißverstehe mich nicht. Sidi Hamza," sagte er. das-unterbrochene Gespräch wieder ausnehmend,„ich weiß, daßDeine Besitzungen mehr wert sind als die andertlmlb hundertTausend, die Du mir schuldest. Ich konnte Dir auch dasGeld, das Tu jetzt wünschest ohne Risiko leihen, und ich würde<s ohne Bedenken tun, wenn Du es zur BowirfschaswngDeines Bodens oder zur Verbesserung Deines Ackerbaues be-uötigen würdest. Aber zu diesem Zweck— nein? Du hastnicht die Mittel, Dir ein so kostspielige? Weib zu kaufeit. Duhast eine Ehefrau, die Dir Kinder geschenkt hat. Ich lveiß.daß sie nock jimg ist— verzeih, daß ich, ein alter Mann,-ausnahmsweise von Deiner Familie spreche-- und sie ist Dirvolle zwanzig Jahre ein gutes Weib gewesen. Du handelstin jeder Beziehung unverantwortlich, wenn Du Dich von ihrtrennst. Ich sehe es Deinem Gesichte an, was Du denkst: daßmich dies nichts angeht. Gut! Du hast r�cht! Aber für michsteht die Sache, hiervon abgesehen, ganz anders. DeineSchuld wächst mit jedem Jahre. Erinnere Dich: vor zweiJahren war es der Scirocco, der die Aussaat verdörrte: imVorjahre waren es die Heuschrecken, die die Ernte vernichteten;dies Jahr wird, wie Du sagst Deine ganze Raba bei Sfaxkeine Oliven geben. Das sind Unglücksfälle, aber solche Un-glücksfälle muß man voraussehen und berechnen. Jedes Jahrwird neue bringen, und auf irgendeinem Punkte muß män demUcbel zu steuern suchen. Wenn Du nicht arbeiten. Dich nichtausbilden, nicht Neue Wege suchen willst um Deine Erdefruchtbringend zu machen, so mußt Du wenigstens in denmageren Jahren sparen, statt im Gegenteil immer mehr undmehr zu vergeuden. Du könntest Wagen und Kutscher ent-kehren, Du könntest geringere Smrnnen für das Spiel unddie Opernsterne des Msinos opfern/'Der Riese saß unbeweglich, die Absätze auf dem Diwan,bloß ein wenig nervös an feinen Vaumwollsocken zupfend.Das Antlitz unter dem imponierenden Turban verriet durchkein Mienenspiel feine Gedanken. Selbst die Lider warengeschlossen wie ein Visier, hinter welchem ein schmaler Streif,grau wie Stahl, aber ohne Glanz, hervorblickle.Der alte menschenkundige Rastaki wußte nur allzu wohk,welch grenzenlose Wut und Verachtung hinter diesen ge-schlofsenen Gesichtszügen und der äußeren Höflichkeit der»borgen lag. Aber seine eigene Verachtung ging noch tieferund fühlte sich sicher in ihrer Gerechtigkeit. Er fuhr nn-beirrt fort:„Du bestellst Deine Erde. Uns Juden habt Ihr vonjeher, bis die Franzosen kamen, verboten, Erde zu erwerben.Wir bestellen unser Gold. Aber dieses Handwerk ist nn-populär und erfordert nach mehr als einer Seite hin Rück-sichten. Wenn ein Barbnsji in seinem Bazar den TouristenTeppiche mit 300 Prozent Gewinn verkauft, nennt Ihr ihneinen tüchtigen Kaufmann. Wenn ich mein Geld mit einemVerdienst verkaufe, der dreißigmal geringer ist, nennt Ihrmich einen Wucherer und verfolgt mein ganzes Volk mitEurem Haß. Hier hast Du die Rücksicht, die ich nehme. Eskann ein Tag kommen, wo ich Deine Besitzungen übernehmenoder Du sie zur Anktion bringen mußt, damit ich den gc-liehenen Betrag wieder bekomme, dar nnt jedem Jahre umdie Zinsen wächst..Habe ich Dich beizeiten gewarnt undzurückgehalten, so habe ich meinen Rücken frei. Strecke ichDir aber neue Summen zn wahnwitzigen Ausgaben vor, sowird man sagen, der Jude habe den unschuldigen Araber aus-gesogen und ihn in endlose Schulden gestürzt, um sein Habimd Gut zu Spottpreisen zu übernehmen und bei der Per-teilung sein hübsches Sümmchen zu profilieren."„Du willst mir also unter keinen Umständen die zehn-tausend Francs leihen?"„Nicht einmal zu zwanzig Prozent. Ich will Dir da-gegen einen Rat geben: verkaufe, was Du hast und verkaufealeich! Dann beziehst Du Renten. Jetzt verlierst Du Renten.Du bist wie einer, der sine Kuh besitzt, aber sie nicht zu melkenversteht."„Ich verachte Geld."„Sonst wärst Du kein Aarader. Aber die Hälfte all desUnglücks Deines Volkes liegt in den drei Worten: wir der-achten Geld."„Was ich brauche, ist ein Darlehen utzd kein Rat."Naftali Bembaron erhob sich, um Abschied zu nehmen.Es war etwas Väterliches, fast Herzliches in dem Ausdruckseine? klugen Greisengesichts.„Was ich auch sage, so wirst Dil mir mißtrauen, weilich Jude bin. Aber Du wirst eines Tages zu spät einsehen.daß der Rat mehr wert war als das Geld. Das Geld kannstDu entbehren: den Rat nicht. Uebrigens ist er gratis, und Dirkannst damit tun, was Du willst."Si Hamza erhob sich, um seinen Gast hinauszugeleiten.Mt jähem Uebergang wählte er ein neues �,hema, und seinGesicht war so ruhig lächelnd, als habe die peinliche Unter-redung nie stattgefunden. Er überhäufte den behaglich knau-