Fahrt. Halbe Fahrt. Aeuherste Fahrt, darüber in roten Buchstaben: »Zurück". Noch steht der Zeiger friedlich auf.Stopp", aber schon sind die Maschinen nach der Kommandobrücke klar, d. h. betriebsfertig gemeldet worden, und da kann e» bald los- gehen. Schon klingelt es auch und der Zeiger geht auf.Kleine Fahrt Voraus", bim— bim— bim.Stopp". Bim— bim— bim„Lang- same Fahrt Voraus"—.Stopp'—.Halbe Fahrt zurück"— .Stopp"—„Kleine Fahrt zurück"—.Stopp"—.Halbe voraus" —.©toste voraus"—.Aeusterste Kraft voraus"—„Stopp"— .Halbe zurück" usw. Unaufhörlich jagen sich die Kommandos, und bor jedem ertönt das nervenerschütternde Klingeln. ES ist kaum die Zeit, eins in das Maschinenjournal einzutragen, da ist schon das andere da. Und jedes soll sofort mit gröstter Genauigkeit ausgeführt werden, denn davon hängt unter Umständen die Sicherheit des ganzen Schiffes ab. Mit unbeweglicher Ruhe steht der wachhabende Maschinist vor dem grosten Handrade des Hauptmanövricrventils feiner Maschine, das Gefühl sagt ihm schon, wie weit er rechts oder links herum zu drehen hat, um die Geschwindigkeit der Maschine dem Kommando entsprechend einzustellen. Und jeder Bewegung de» Ventils folgt die Maschine genau, fast augenblicklich ändert fie ihre Umdrehungen. Die Wirkungsweise der Regulierung ist äusterst einfach, durch die Bewegung des Ventils wird einfach der Weg deS Dampfes mehr oder weniger verengert. eS tritt entsprechend weniger oder mehr Dampf in den Zylinder der Maschine, so datz diese eine geringere oder höhere Umdrehungszahl annimmt. Einfaches Umlegen eines Hebels (das allerdings bei den grasten Maschinen meist durch eine besondere, kleine Dampfmaschine vorgenommen wird) gestattet ferner, die Maschine voraus und zurück laufen zu lassen. Bei der Dampfturbine ist aber eine so einfache Regulierung nicht möglich. Wohl kann man auch bei ihr durch teilweises Absperren des Dampfe» die UmdrebungS- zahl herabsetzen, aber die Wirtschaftlichkeit, d. h. der Dampf- und Kohlenverbrauch, steigt in unvergleichlich höherem Mäste als bei der alten Dampfmaschine. Vor allen Dingen ist eS aber ganz unmöglich, die Turbine rückwärts laufen zu lassen. daS ist durch ihre Konstruktion aus- geschloffen. Denn die Schaufeln, auf die der Dampfer trifft und die er gewissermasten vor sich herschiebt, wie das Waffer des BacheS die Schaufeln des Mühlrades, stehen ja so, dast fie nur in einer Richtung bewegt werden können; um die Bewegungsrichtung umzukehren, müstten sämtliche Schaufeln herumgedreht werden, was bei ihrer grosten Zahl völlig ausgeschlossen ist. Um diesem Mangel abzuhelfen, hat man eine besondere Rückwärtsturbine eingebaut, deren Schauseln umgekehrt stehen, wie die der Hauptturbine. Natürlich ist die« eine lästige Gewichtsvermehrung, und um diese nach Möglichkeit zu der- ringern, baut man diese Rückwärtstnrbine nur für kleine Leistung. Sie kann etwa 40—60 Proz. der Leistung der Haupturbine abgeben, ver- braucht aber eben so viel Dampf wie diese, ist also ein grotzer Dampf- freffer. Die Kohlendampfmaschine dagegen gibt bei Rückwärtslauf fast ebensoviel Leistung wie im Vorwärtslauf, und ihr Dampf- verbrauch ändert fich fast gar nicht. Diese Schwierigkeiten erklären es zur Genüge, dast die grasten Reedereien keine Lust gezeigt haben, die bewährte Kolbendampfmaschine ohne zwingenden Grund durch die Turbine zu ersetzen. Um den Dampfturbinen indirekt die wünschenswerte Touren- regulierung und Richtungsumkehr zu verleihen, sind verschiedene Mittel vorgeschlagen, von denen die zwei, die vielfach die besten Aus- fichten für die Zukunft haben, im folgenden kurz besprochen werden sollen. ES find dieS ein mechanisches, der Trans- formator von Profeffor Dr. Jng. Föttinger und ein elektrisches, das Unipolargetriebe von BreSlauer. Der Föttingersche Transformator besteht aus einer rasch laufenden Zentrifugalpumpe, die auf der Welle einer Dampfturbine sitzt. Sie erzeugt einen Wasser- strahl von gewaltigem Druck, der als Antriebsmittel für eine gewöhnliche Wafferturbine dient. Eine Wasserturbine besteht aus einein Rade, das am Umfang mit Schaufeln besetzt ist. nicht unähnlich dein Mühlrade. Auf diese Schaufeln trifft der Wasserstrahl und treibt dadurch das Rad an, indem inan die Schaufeln mehr oder weniger aus ihrer ursprünglichen Lage verdreht, ändert man die Geschwindigkeit des Rades und kann es sogar dahin bringen, rückwärts zu laufen. Wenn diese Wafferturbine auf der Schrauben- welle sitzt, so kann man die Umdrehungszahl und Drehrichlung der Schrauben nach Belieben ändern. Natürlich tritt aber in dem Transformator ein Krastverlust auf, verursacht vor allem durch die Reibung deS strömenden Wassers an den Schaufeln und Wänden. Dieser Krastverlust äustert sich in einer Erwärmung des Wassers. Föttinger hat nun den geistreichen Gedanken gehabt, als Triebwaffer des ganzen Apparates das Speisewaffer der Kessel zu verwenden, das auf diese Weise schon vorgewännt wird, so dast man nachher nicht mehr soviel Kohlen gebraucht, um eS zum Sieden und Verdampfen zu bringen. Der Verlust im Transformator wird auf diese Weise wenigstens zum Teil wieder weit gemacht. Das vorerwähnte zweite Mittel ist daS elektische Unipolar- getriebe. Es ist erfunden von einem bisher noch Unbekannte», zu- fammen mir dem Privatdozenten an der Charlottenburger Technischen Hochschule, Dr. Breslauer. D«»iei treibt die Dampfturbine eine Dynamomaschine von besonderer Art, eine sogenannte Unipolar- Maschine. Bei dieser rotieren die Kupferdrähte des Ankers zwischen zwei Magneten und zwar befindet sich der eine innerhalb, der andere austerhalb des Ankers. Bei den gewöhnlichen Dynamomaschinen befinden sich sänftliche Magnete auherhalv deS Ankers und die Ankerleiter treten bei der Verdrehung abwechselnd unter einen Nord- und einen Südpol . Die Unipolarmaschine hat die Eigenschaft, dast sie viel niedrigere Spannungen erzeugt, als die üblichen Dynamomaschinen, die mit Leichtigkeit mehrere hundert Volt ergeben. Das ist eine Eigenschaft, die ihre allgemeine Vor« wendung hindert, in diesem Falle aber nichts schadet. Denn der Motor, ebenfalls eine Unipolarmaschine, ist mit der Dynamo« Maschine direkt zusammengebaut und die erforderliche leitende Ver« bindung zwischen beiden wird durch eine Ouecksilberschicht gebildet Auf diese Weise wird ein äusterst enger Zusammenbau beider Maschinen ermöglicht und man erspart die sonst erforderlichen, dicken Kupferleiter. Die von der Dynamo erzeugte Spannung beträgt nur ein halbes Volt, während die Stromstärke 60 000 bis 100 000 AmpSre beträgt. Durch Aenderung des MagnetstromeS in beiden Maschinen kann man die Drehrichtung und Umdrehungszahl deS Motors beliebig regeln. Der Wirkungsgrad einer Versuchs« ausführung erwies sich als sehr günstig. Eine Ausführung im grosten Maststabe, wie fie für Schiffszwecke geeignet ist, würde jedenfalls er- weisen, dast das Unipolargetriebe für Schiffsantrieb ein sehr ge- eignetes Mittel darstellt, zumal eS, für den Schiffsingenieur eine sehr wichtige Sache, nur wenig wiegt. Die genannte Versuchs- ausführung wog bei einer Leistung von 60 Pferdestärken nur 116 Kilogramm, also noch nicht 2 Kilogramm pro Pferdestärke, ein Gewicht, wie eS so niedrig mit elektrischen Maschinen bisher noch nicht erreicht werden konnte. kleines feiiiUeton. Meteorologisches. Die Nordsee und unser Wetter. Dast die Meere. die fich im Sommer schwerer erwärmen, dafür aber auch die Wärme länger festhalten als das Land, die Rolle großer Wärmespeicher spielen und dadurch auf die Witterung auch der benachbarten Fest- länder einen großen Einfluß ausüben, prägt sich in dem bekannten Unterschied zwischen einem maritimen und kontinentalen Klima aus. Im Seeklima find die jahreszeitlichen Gegensätze stets gemildert. Wie weit diese Wirkung noch in die Festländer hinein- reicht, ist schwer zu bemessen und wahrscheinlich auch in den ein- zelnen Jahren recht verschieden. Erst in dem letzten Jahrzehnt hat die Witterungskunde mit der Meereskunde ein Bündnis geschlossen, aus dem sich wahrscheinlich die wichtigsten wissenschaftlichen Schlüsse ergeben werden. Auch werden sie wohl des praktischen Erfolges nicht entbehren, da vermutlich die Wärmeverhältnisse mancher Meeresteile die Witterung der umgebenden Länder auf längere Zeit Hinaus bestimmen, sodaß sich daraus vielleicht zuverlässigere allge- mein« Wettervoraussagen auf längere Zeit bauen lassen werden. Insbesondere hat sich die Forschung der Nordsee zugewandt, um ihren Einfluß auf den Gang deS Wetters in Nord- und Mittel« europa festzustellen. WaS bisher auf diesem Wege erreicht worden ist. hat der bekannte schwedische Ozeanograph Profeffor Pettersson in einem Vortrag vor der meteorolgischen Gesellschaft in London geschildert. Zunächst kam er auf die Schwankungen des KlimaS zu sprechen, die sich innerhalb der geschichtlichen Zeit namentlich im Mittelalter vollzogen und im 13. und 14. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreicht zu haben scheinen. Damals fand, soweit die Berichte reichen, ein höchst auffälliger Wechsel zwischen heißen und dürrren Sommern, durch die die europäischen Flüsse fast ausgetrocknet wurden und kalten und sehr feuchten Sommern statt. Nicht weni» ger scharf waren die Gegensätze der Winter, denn in einem Jahr wurden namentlich an der Nordseeküste ungeheure Verheerungen durch Sturmfluten verursacht, während in einem anderen Winter ein so strenger Frost herrschte, daß die ganze Ostsee, zuweilen sogar Kattegatt und Skagerrak , zugefroren waren. Professor Pettersson will nun solche Wechsel durch Aenderungen in den Strömungen des Ozeans erklären, die ihrerseits durch den Einfluß von Mond und Sonne erzeugt werden. Höchst sonderbar sind die Beobachtungen ausgefallen, die über den Wasseraustausch zwischen der Nordsee und dem Kattegatt angestellt worden find. Stets fließt das stärker salzige Wasser der Nordsee in einem Tiefstrom gegen die Ostsee hin. Die Grenzfläche dieses Salzwasserstroms sinkt und steigt zweimal im Monat um 16 bis 25 Meter, und zwar scheint dieser merkwürdige Vorgang durch die Stellung des Mondes zur Erde beherrscht zu werden. Professor Pettersson ist übrigens davon überzeugt, daß der Einfluß der Sonne und des Mondes auf die Gewässer des Welt- meers vor 6— 700 Jahren größer gewesen sei als heute und auch eine stärkere Bewegung der Gewässer veranlaßt«. Danach deutet er auch die verbürgte Tatsache, daß die HeringSschwärme. die mit dem Salzwasser der Nordsee ins Kattegatt eintreten, früher durch den Sund in die Ostsee gelangt sind. Der Grund dafür wäre in einer größeren Dicke der salzigen Tiefströmung zu suchen. Dem- nach muß die weniger salzige Oberflächenschicht dünn gewesen sein. Da aber eine dünne Oberflächenschicht im Winter leichter abkühlt und im Sommer schneller erwärmt wird, so wäre eS wohl erklärlich. daß auch die Witterungsderhältnisse im Mittelalter im nördlichen und südlichen Europa wesentlich andere gewesen sind. Das wäre ein Beispiel dafür, wie die Nordsee die Witterung in großen Zügen beeinflußt.__ Berantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin.— Druck u. Verlag: VorwärtSBuchdruckerei u.Verlagsanstnlt Paul S>ngertCo.,Berlln LW.
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29 (14.5.1912) 92
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