- Als letzter von allen, eine ganze Stunde nach Sonnen-Untergang, erschien Abdallah mit seinem Gefolge.Seine Freunde, lauter Eingeweihte der Brüderschaft Abd»l Kader Tidjani, hatten sich in ihrer Zäuia versammelt, wosie sich mit Räucherdust und einigen Versen des Koransstärkten.Ihnen folgten zum Brauthause die unausweichlichenSpielleute mit ihren donnerähnlich dröhnenden Tamburins.An der Spitze des Zuges, dem ein starkes Geleite Neu-gieriger sich anschloß, gingen etwa ein Dutzend Knaben inihren besten Gewändern mit angezündeten Hramsas, riesigen,in fünf Zweigen gegossenen Lichtern, einer Nachahmung derglückbringenden Hand Fatmes, des mächtigsten Talismansdes Islams.Bei der Ankunft empfing den Bräutigam das Freuden-geschrei unsichtbarer Frauen: iju! iju! iju! und jenes seltsameHühnerglucksen, mit dem die schönen Tuneserinnen die großenAugenblicke des Lebens feiern. Unterdessen wurde oben beiden Damen Alarm gerufen; es hieß sich aus dem großenMittelsaal, den der Bräutigam durchschreiten mußte, ent-serneu und sich in den umliegenden kleineren Gemächern der-bergen.Abdallah besaß keine Mutter oder weibliche Verwandte,die ihn zu seiner Braut führen konnte. Lalla Uarda durftesich dem fremden Manne nicht zeigen. So mußte er denn,was von allen Regeln abwich, von seinem Schwiegervater zurSchwelle des Brautgemaches geleitet werden, das am Endeeines Korridors, gerade über dem Kuppelsaal lag und seinevergitterten Fenster dem Hofe zuwandte.Abdallah klopfte an und trat ein, blieb aber einen Augen-blick bei der Türe stehen, tief ergriffen von dem Anblick diesesjungen Wefbes, das schon seine Gattin war, ehe er es nochgesehen.Da saß Sultana auf ihrem goldenen Brautthrone mittenin dem strahlend erleuchteten Räume, ernst und geschmückt wieein Götterbild.(Fortsetzung folgt.)Lorckarclts Vorgänger.ii.Die Revolte des Ministers gegen die Ordnung des preußischenAbgeordnetenhauses endigte, wie wir gesehen haben, mit der—Heimsendung des Hauses. Nachdem man so nachdrücklich bewiesen,daß ein Minister über eine parlamentarische Ordnung stünde, stellteman nun in einem zweiten Falle die Regel auf, daß der Präsidentaber gleichwohl berechtigt sei, die Regierungsvertreter— gegenKritik(nicht nur gegen unparlarnentarische Aeußerungen)äuS dem Hause zu schütze n.Am k». Mai 18Sö erstattete Professor Gneist, als Referent derKommission, Bericht über die Verhandlnngen, die Lur Verwerfungder verfassungswidrig unternommenen Heercsreform geführt hatten.Gneist(auch einer, der hernach ganz bismärckisch gesinnt wurde),hatte an das religiöse Gewissen des Kriegsministers appelliert, diesesWerk zu verleugnen:„diese Reorganisation— mit d e m K a i n s-zeichen deS Eidbruches an der Stirn—, die reorganisierte Armee auf dem Boden des Verfassungsbruches wäre doch sichereine Armee, die nun und nimmermehr eine dauernde Jnsti-tution dieses Landes werden kann, so lange eine göttliche Ge-rechtigkeit über diesem Lande waltet I"Das war keine parlamentarisch unzulässige Bemerkung, sondernwie Gneist nachher richtig erläuterte, ein Appell an die Gewisien-hastigkeit des ÄriegsministerS,.die ihn abhalten wird, diese Institutionauf die Dauer ausrecht erhalten zu wollen, wenn fie im Widerspruchmit dem Versassungseide nicht aufrecht zu erhalten ist.''Aber der Kriegsminister v. R o o n verstand nicht oder wollte nichtverstehen: Er sprach vielmehr die folgenden Sottisen:„Wenn der Herr Referent sich erlaubt hat, gegen mich persönlichzu werden in einer Weise, die wohl bisher in der parlamentarischenGeschichte aller Völker unerhört ist, so bin ich genötigt, schon jetzteine persönliche Auffassung über diese ganz unmotivierten Persönlich«leiten auszusprechen. Der Herr... hat mich einen religiösenMann genannt.... Wenn er nun aber daran die Frage knüpft:.Wie kann dieser religiöse Mann sich zu einem Werke bekennen,welches das Kainszeichen des Eidbruchs an der Stirn trägt?*...fo muß ich mich allerdings wundern, daß er nicht deswegen vondem Herrn Präsidenten zur Ordnung verwiesen ist. Da das nichtgeschah, so bin ich meinerseits in der unangenehmen Lage, ihm zuerklären, daß seine Aeußerung jedenfalls an derStirn trägt den Stempel der Ueberhebung undder Unverschämtheit."Der stenographische Bericht verzeichnet an dieser Stelle:«Stürmische Bewegung in der Versammlung. Lebhaftes Bravo Iauf der Rechten; wiederholte Rufe: Zur Ordnung! AnhaltenderRuf der Glocke des Präsidenten.Der Vizepräsident v. Unruh rief den schimpfenden Kriegs»minister nun zwar nicht zur Ordnung. Aber er beharrte darauf.Gneists Aeußerung habe nrcht gegen die Ordnung verstoßen, weil inder Tat die Ausrechterhaltung der Reorganisation nicht mit dem Be«stehen der Verfassung und dem darauf geleisteten Eid in Ueberein-stimmung gesetzt werden könne. Hätte der Referent also wirklichgefehlt, so müsse er dem Kriegsminister zu bedeuten geben,.daßauch er jede Grenze deS parlamentarischen Gebrauchs weit über-s p r u n g e n hat, und daß er das Präsidium in die Unmöglichkeitverfetzt, in zukünftigen Fällen die Minister zu schützen".Schließlich schien es äußerlich zu einem Ausgleich zu kommen.Der Minister nahm seine Beleidigung halb und halb zurück, warfaber dem Präsidenten vor, daß er Licht und Sonne zwischen denin diesem Hause diskutierenden Personen und Parteien nicht richtigverteile. Dadurch werde der Einzelne genötigt,.fich selbst Recht zunehmen".Aber Bismarck und seine Leute vergaßen die Szene nicht.Schon am S. Mai brachte das BiSmarcksche Reptil, die„Provinzial-Korrespondenz" einen Artikel über.parlamentarischeFügellosigkeit", in dem haarklein nachgewiesen wurde, daß die Ber»sassung Aeußerungen, wie die von Gneist nicht schütze. Die Ver»fassung bezwecke„möglichst steie Meinungsäußerung der LandeSver»tretung".„Zur Freiheit der Meinungsäußerung gehört aber ineinem gesitteten Staatswesen keineswegs auch die Freiheit der per-sönlichen Beleidigung, der Schmähung, der Verleumdung gegen diePersonen der Landesobrigkeit." Es entspreche dem Sinne der Ver-fassung nicht,„daß die steie Meinungsäußerung der Landesvertrewngin Zügellosigkeit verkehrt werden könne. Die Verfassung kann nichtgewollt und nicht vorausgesetzt haben, daß das Abgeordnetenhausdas Beispiel von Handlungen geben dürste, welche bei jedemanderen mit schweren und entehrenden Strafen geahndet werden."Nach dieser schmeichelhaften Charakteristik der Väter unsererheutigen Nationalliberalen und ihres über Sitte, Anstand und Gesetzvernichtenden parlamentarischen Treibens wurde dem Präsidenten vor-geworfen,„daß er die Ordnung und Zucht des Hauses nicht in Ueber-einstimmung mit dem Geiste der öffentlichen Sitte, Ordnung undGesetzmäßigkeit streng und unparteiisch austecht erhalte. Einer derPräsidenten habe vielmehr unumwunden eingeräumt, daß er dieOrdnung des Hauses nicht nach den Geboten parlamentarischer Sitte.sondern als Parteimann handhabe.Schon am 14. Juni beantragte Herr v. Waldow- Steinhövcl impreußischen Herrenhause Vorkehrungen der StaatSregierung zu straf-rechtlichen Verfolgungen von Injurien, Verleumdungen usw. im Ab»((eordneten hause, natürlich.innerhalb der Grenzen der be-tehenden Gesetze". Bismarck erklärte sich bereit, die Gerichte vordie Frage zu stellen, ob sie die Verfassung so auslegen,.daß volleStraflosigkeit besteht für Injurien und Verbrechen, welche durch dasWort auf der Tribüne begangen werden können". Bestände abernach den Gerichtsentscheidungen ein solches privilegsirrm oäiosum,so müßte das Gesetz geändert werden.(Ein Kriegsminister hatteeinen Abgeordneten beschimpft I)Man ging sofort ans Werk. Die Staatsanwaltschaft wurde an-gewiesen, zwei Abgeordneten, T w e st e n und F r e n tz e l�den Prozeßzu machen, wegen Vorwürfe, die sie im Parlament gegen einenRegierungspräsidenten erhoben. Die Gerichte lehnten in zwei In-stanzen das Einschreiten als unvereinbar mit dem Artikel S4 derVerfassung ab. Nun brachte Bismarck den Fall an daS Ober-tribunal. Dieser höchste Gerichtshof bestand aus zwei Senaten.dem rheinischen(mit Mitgliedern aus Westelbien) und'dem alt-ständischen(mit den Mitgliedern der alten Provinzen). Die Rhein»länder waren unzuverlässig; um also ein richtiges Urteil zu erhalten,schob man zwei Hilfsrichter ein. So kam mit einer Stimme Mehrheit ein Beschluß zustande, der vielleicht die interessantesteUrkunde für das Seelenleben der echt preußischenJustiz ist, die die reichhaltige Geschichte dieses Unternehmens derRechtsverletzungen in Rechtsformen kennt.Der Fall schien verzweifelt. Der Art. 84 stellt unzweideutigdie Immunität parlamentarischer Meinungen fest. Trotzdem löstedas Obertribunal die ihm von Bismarck gestellte Aufgabe, dieSttasversolgung für zulässig zu erklären, auf wahrhaft bewunderungswürdige Weise. Man lese und beuge sich in Ehrfurcht vor demscharfsinnigen Witz zuverlässiger preußischer Richter:.Der Art. 84... ist eine Ausnahme von der allgemeinen Regel.nach welcher alle Angehörigen des Staate« den bestehenden Straf-gesetzen unterworfen sind.... Diese ihnen(den Abgeordneten) zn-gebilligte Ausnahme aber muß im entstehenden Zweifel nach denJnterpretattonSregeln der§§ 46, 54—57 der Einleitung zum all-gemeinen Landrecht so ausgelegt werden, wie fie am wenigstenzum Nachteile Dritter(also in diesem Falle zum Nachteile des,. beleidigten" Regierungspräsidenten) gereicht,.am nächsten mit den Bor-schritten deS gemeinen Rechts und dem Hauptendzweck des Staatesübereinstimmt, und wie ihr Wortlaut nach dem einfachen und ge-wöhnlichen Sprachgebrauch aufzufaffen ist."Nun aber hat das Obertribunal Zweifel, wie daS Wort„Meinungen" zu interpretieren sei:„Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch versteht man hierunterlediglich die Resultate des Denkvermögens, im Gegensatz zur Be-Hauptimg und Verbreitung von Tatsachen."Nach dieser erstaunlichen Anstrengung und Leistung preußischen