und Zucht derstohende Handlung vorzunehmen, ist für die Krage, ob die Schrift selbst, ihr Inhalt einen unzüchtigen Charakter hat, nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Nicht darauf kommt es an, ob die Schrift geeignet ist. Lüsternheit zu erregen, sondern darauf, ob sie geeignet ist, das Schamgefühl zu verletze»! dieses bestimmt sich nach dem Durchschnittsempfinden der Gesamtheit." Es lautet fast wie ein Zugeständnis, ist aber im Grunde genommen dasselbe wie vorher. Grotesker wirken freilich die Urteile, die sich auf Mittel zur Verhütung der Konzeption beziehen. Der§ l84 Ziffer 3 sagt, datz ein objektiver, zu unzüchtigem Gebrauch bestimmter Gegenstand dem Publikum nicht angepriesen werden darf. Hierzu verfügt das Reichsgericht:.Der Anpreisende hat eS nicht in der Hand, die Ver- Wendung der Präservativs zu austerehelichem Geschlechtsverkehr zu verhüten. Die Vorschrift hat auch den Zweck, die Erregung von AergerniS durch derartige Anpreisungen beim Publikum zu verhindern. Dieses AergerniS wird auch erregt, wenn die Gegenstände nur Familienvätern angeboten werden sollen." Und an anderer Stelle:.Darauf, ob die Zwecke, die bei der Anwendung empfängnisverhütender Mittel verfolgt werden, an und für sich berechtigt sind, ob namentlich die Verhütung der Empfängnis im Einzelsalle auS gesundheitlichen Rücksichten und all- gemein rm volkswirtschaftlichen Jntereffe zu billigen sind, kommt es nicht an. Das Gesetz trägt nur dem öffentlichen An st and Rücksicht und verhindert, dast sich die Anpreisung solcher Gegen st ände in der Oeffentlichkeit vollzieht. Darüber hinaus schränkt eS Verwendung, Verkauf und Verbreitung der Mittel nicht ein/' DaS Gesetz verbietet also den Verkauf solcher Gegenstände nicht. ES hält sie demnach nicht für.unzüchtig". Und trotzdem verurteilt man den Sünder, der diese Mittel öffentlich anpreist, nach dem Unzuchtsparagraphen. Man greift Wohl nicht daneben, wenn man die Auslegung deS Reichsgerichts umbiegt und ausspricht, was wohl mit der Ausrede des.öffentlichen Anstandes" und der.Erregung von AergerniS" eigentlich bezweckt werden soll: Der Kaiser braucht Soldaten. Heiter und echt bureaukratisch ist ein neuerer Fall, der in Ham- bürg gezeugt ivurde. Dortselbst sang eine Soubrette mit grostem Erfolg ein Lied, zu deffen Vortrag sie nicht die Erlaubnis des Ver- fafferS eingeholt hatte. Dieser verklagte sie also und verlangte Schadenersatz. Das Gericht, das den Fall bearbeitete, kam aber zu dem Ergebnis, dast das Lied unzüchtig ist und dast deshalb der Kläger , da unzüchtige Werke nicht geschützt sind, auf keinen rechtlichen Schutz Anspruch hat. Die Sängerin konnte also das.unzüchtige" Lied unbehelligt weiter fingen, während sie im anderen Falle— wenn eS ein.züchtiges' Lied gewesen wäre— eS nicht nur sofort von ihrem Repertoire hätte streichen, sondern dafür auch noch an- ständig hätte berappen muffen. Völlig enthüllt hat silh aber das Gericht erst, als es im Vor- fahre eine Druckschrift konfiszierte, die den Titel trug:.Weniger Kinder und glücklichere Eltern". Neben dem Inhalte galt auch daS Titelblatt als unzüchtig. Dieses Titelblatt stellte zwei nackte Mensche» beiderlei Geschlechts und einen weinenden Storch dar, dem die weib- liche Figur eine lange Nase machte. Wir Hinterbliebenen begreifen und ehren den Schmerz der hohen Vehörde. Der weinende Storch sei auch künftighin eurem Beileid empfohlen, deutsche Schutzmänner und Richter l Tb. B. Kleines feuUlcton. Sozialhftgiene. ' Die gewerbliche Staubgefahr. Ueber die Aufnahme von Staub aus der Lust in die Lungen berichtet das.Archiv für �Hygiene"(Band 76. Heft 3) auf Grund von Experimenten, die im hygienischen Institut zu Würzburg von Prof. Lehmann, Dr. Gftörer und Dr. Saito ausgeführt worden waren. Der letztere, ein japanischer Arzt, hatte schon vorher ähnliche Versuche an Tieren vor- �genommen. Durch GlaSröhrchen wurde die Atemlust, ganz gleich ob durch Nase oder Mund, aufgenommen und die ausgeatmete Luft, die ebenfalls durch Röhrchen ging, wurde durch Watte, die alle festen Bestandteile zurückhielt, filtriert und durch eine Gasuhr gemessen. Die einzuatmende Luft wurde mit einer bestimmten Menge Blei- weist vermengt und jedes Schlucken wurde tunlichst vermieden damit auch die im Speichel enthaltenen Staubmengen gemeffen werden konnten. Bei der ersten Versuchsreihe, in welcher durch die Nase ein- .geatmet wurde, erwies es sich, dast durchschnittlich 10 Proz. deS Bleiweist wieder ausgeatmet wurden. DaS übrige blieb im Körper, und zwar rund 61 Proz. allein in der Nase und 3 Proz. in der Mundhöhle. Die Differenz, also zirka 40 Proz.. gelangte in die Lunge. Noch ungünstiger gestalteten sich die Verhältnisse bei der Einatmung durch den Mund und der Ausatmung durch die Rase; hier wurden nur 1—6 Proz. deS eingeatmeten Standes wieder aus- geatmet, in der Mundhöhle blieben 12—16 Proz., in der Nase bis "7 Proz» den Rest, bei einzelnen Versuchen fast 80 Proz., nahm die Verantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin.— Druck u. Perlag: Lunge auf. Da bei der �Nasenatnmng 60 Proz. des eingeatmeten Staubes in der Nase zurückbehalten werden, empfiehlt es sich, bei der Arbeit in staubigen Betrieben die Nase nicht nur zu schnauben, sondern ebenso wie den Mund zu spülen. Die Tierversuche von Dr. Saito hatten ergeben, dast im all- gemeinen etwa 96 Proz. des eingeatmeten StaubeS im Körper ge- blieben waren und nur 3 bis höchstens 12 Proz. wieder ausgeatmet wurden, und man darf für die Berechnung der Staubaufnahme durch den Menschen ruhig annehmen, dast fast die ganze eingeatmete Staubmenge auch wirklich dem Organismus einverleibt wird, so- lange der Körper sich nicht durch Niesen dagegen wehrt. Dieser Akt des Selbstschutzes im Körper fällt aber bald aus, da die Nase sich schnell daran gewöhnt, nicht mehr durch Niesen den als Reiz wirkenden Staub zu entfernen; um so notwendiger erweisen sich also die Nasenspülungen. Auch durch Verschlucken von Speichel und Rachen« schleim gelangt viel Staub in den Körper und zwar natürlich in den Magen. Es ist gar nicht daran zu zweifeln, dast die Staubmengen, die in den Lungen von Staubarbeitern gefunden werden, nur einen gewiffen Prozentsatz des im ganzen aufgenommenen StaubeS dar- stellen; da die Lösungsbedingungen deS StaubeS im sauren Magen- fast weit günstigere sind als in den Lungen, so steigt durch Ver- fchlucken bestimmter Staubsorten die Vergistungsgefahr erheblich. Kommt doch die Bleikrankheit fast ausschliestlich durch Verschlucken deS bleihaltigen StaubeS zustande. Jedenfalls ist eS notwendig. dast unter die Zahl der Vorsichtsmastregeln gegen berufliche Schädi- gungen in Staubbetrieben auch Spülungen deS MundeS und der Nase während und nach der Arbeit aufgenommen werden. Völkerkunde. Ein begabtes Naturvolk. Im äustersten Süden der Insel Mindano, die wiederum die südlichste und auch die gröstte der Jnfelgruppe der Philippinen ist, liegt ein mächtiger Bulkanberg, der sich b,S zu 3200 Meter erhebt und von den Spaniern, den früheren Besitzern des Lairdes, mit dem Namen Apo(Grostvater) belegt wurde, während er bei den Eingeborenen Sandaua(der Schweflige) heifet. Nicht nur die von vielem grostartigen IVulkan beherrschte Landschaft, sondern auch die dort hausenden Menschen sind höchst merkwürdig. Sie gehören zu den Bagobos, einem Volksstamm, der sich gleichzeitig durch sehr anspruchslose Lebensführung und durch hohe geistige Begabung auszeichnet. Elizabeth Metcals hat vor der Amerikanischen anthropologischen Vereinigung die Bagobos eingehend geschildert. Sie sind ein echte« Bergvolk, das eine meist nomadische Lebensweise führt. Vom Ackerbau kennen sie nur die Kultur von Bergreis. Auch diese aber hat sie nicht zu der Sesthaftigkeit geführt, die sonst das Merkmal der ackerbauenden Völker ist. Bielmehr roden sie in jedem Jahr eine neue Waldfläche, um ihre Pflanzung dort anzulegen. Von den neuen Herren der Philippinen, von den Amerikanern, sind die Bagobos allerdings ein wenig in ihrer Freiheit beschränkt worden. Man hat sie auch in Dörfer zu vereinigen gesucht und dadurch die Macht ihres Haupt- lings Dato einigermasten beeinträchtigt. Jedoch scheint diese neue Lebensart' dem Volke ganz gut zu gefallen. Sie sind ausfällig sowohl äusterlich durch ihre prächtige Kleidung wie durch ihre Intelligenz und Gelehrigkeit. Früher bestand ihr ganzes Besitztum in Vieh, schönen Kleidern. Sklaven und Trommeln. Die Zeiten der Sklaverei sind auch für dies Volk nun vorüber. Die Trommeln oder Aguns haben ihre alte Wertschätzung behalten, und ein Konzert auf diesen Instrumenten von gewalliger Gröste soll eine unbeschreibbare Wirkung hervor- bringen. Ueberhaupt scheinen die Bagobos ein recht musikalisches Volk zu fein, denn sie haben auch eine ganze Anzahl von Saiten- und Blasinstrumenten erfunden. Jene Trommeln aber sind die Hauptsache und bilden als Tauschmittel geradezu einen Ersatz für Geld, wie auch das Vermögen eines Mannes gewöhnlich nach der Zahl seiner AgunS angegeben wird. Die Kleider werden anS Hanf- sasern hergestellt, die zu einem sehr gleichmästigen Tuch verwoben werden und sich in wunderbarer Weise zu der künstlerischen Dra- pierung eignen, die der natürliche Geschmack des Volks verlangt. Leider hat sich auch hier schon ein verderblicher Einstufe der Europäer bemerkbar gemacht, da die Kunst der Stickerei mit Kreuz- stich, die noch vor 60 Jahren von den Bagobofrauen in feinster Weise ausgeübt wurde, zu einer Seltenheit geioordcn ist. Anderer- seits scheint sich das Schmuckbedürfnis noch gesteigert zu haben, da die Kleider jetzt auch mit dünnen Perlnmtterscheiben besetzt werden. Die Häuser werden nie auf Bäumen, sondern immer auf dem Boden selbst aufgebaut, meist auS BambuS. Zum Dachdecken dienen die Blätter gewisser Bäume. Wie bei den Schildbürger« liegt die ganze Wohnung eine Treppe hoch, und der Eingang wird durch eine Leiter ermöglicht. Auch daS Innere ist ziemlich merkwürdig, indem namentlich in aristokratischen Wohnungen die Fustböden der einzelnen Räume sich nicht in gleicher Höhe befinden. Ein besonders erhabener Platz ist für die Hauptmitglieder der Familie und für Gäste bestimmt, wie überhaupt die Abstufung des Fustbodenß lediglich dazu bestimmt erscheint, den Insassen de? Hauses daS ihnen zukommende Niveau zuzuweisen. Die Feuerstclle befindet sich in der Nähe der Tür. und daneben wird da» Waffer in BambuS - röhren aufbewahrt. Auch ein HauSaltar sehlt nicht, vor dem ein- fache Opfer dargebracht ivcrdeu._________ vsrtvärtsBuchdruckereig.PeriagsanjtaltZjqglS>nger<2iio--PerIinLVV.
Ausgabe
29 (22.5.1912) 97
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