zeigen, daß die Fanny kein Gefühl in der Hand habe. Sr suchte das medizinisch zu erklären, woraus der Laie nur so viel ent- nehmen konnte, daß die Hautnerven tot wären� und daß die Klä- gerin eine durch und durch kranke Person wäre, die dem Tode geweiht sei. Der Sachverständige wollte jetzt wissen, wie der Un- fall sich ereignet habe; aber er hatte leicht fragen. Die And- Worten der Fanny liehen an Klarheit alles zu wünschen übrig. Daß der Daumen amputiert war, konnte nicht geleugnet weroen, ebensowenig die Abkappung des Zeigefingers. Durch zwei Ar- beitskolleginnen der Fanny wurde auch bestätigt, daß diese sich beim Oefsnen der Kiste einen Nagel in den Daumen gejagt hatte. Ob der Daumen noch an jenem Tage intakt oder schon ganz oder nur zur Hälfte abgenommen war, konnte nicht festgestellt werden. Man mochte fragen so viel man wollte, es war nichts Klares aus der Fanny herauszubringen. Mit ihrer weinerlichen Kinder- stimme gab sie verdrehte Antworten, so daß es der Vorsitzende aufgeben mußte, weitere Fragen an sie zu stellen. Alle schwiegen. Der sonst so beredte Anstaltsvertreter hatte nichts zu sagen, augenscheinlich fehlte ihm der Mut, den stereotypen Antrag auf «Abweisung des Klagebegehrens" zu stellen. Der Rechtsanwalt. als Vertreter der Klage, schwieg ebenfalls; er war überzeugt, daß die Klägerin mit ihrem verschwommenen Blick und fahlen Antlitz und schönen Frisur mehr sagte, als man in einem Plaidoyer je« mals sagen kann. Der ärztliche Sachverständige, um etwas zu sagen, schätzte die Einbuße an Erwerbsfähigkeit bei der Fanny mit 30 Prozent ein. Jetzt handelte es sich darum, zu erfahren, wie viel die Fanny verdiente, um dementsprechend die Rente ein- zuschätzen. Aber auch das konnte bei den ungewissen und schwan- kenden Angaben der Fanny nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Das Schiedsgericht nahm deshalb einen Jahresverdienst an, den Arbeiterinnen von der Art der Fanny beiläufig zu erzielen pflegen, nämlich 500 Kronen und bewilligte ihr eine 24prozentige Rente, indem es eine Einbuße an Erwerbsfähigkeit von 40 Prozent an. nahm. Die Rente betrug monatlich 10 Kronen. Als der Vorfitzende, der sein Mitleid mit der Fanny kaum verbergen konnte, das Erkenntnis des Schiedsgerichtes verkündete, atmeten alle Anwesenden erleichtert auf. als wäre ihnen ein Stein vom Herzen gefallen; die Sachlage war gar nicht so günstig für die Fanny, zumal da fi-' nicht angeben konnte, wo und wann ihr der Unfall passiert war. Das Schiedsgericht war froh, end- lich von dem Banne des Elendsbildes, das die Fanny, dieses dreißigjährige Kind bot. befreit zu sein. Als fie vernahm, daß sie monatlich zehn Kronen bekommen hat, flog ein Freudenschimmer über ihr blasses Antlitz. Sie bedankte sich beim Schiedsgericht mit einemKüß' die Hand" und verließ mit erhobenem Haupte gleich einer Siegerin triumphierend den Verhandlungssaal. »« ..Hab' i'S Jhna net g'sagt, Hab' i's Jhna net g'sagt?" fragte selbstbewußt und mit der Zufriedenheit eines Advokaten, der einen Prozeß gewonnen hat, Zwirnbacher, als er am Tage nach dieser Verhandlung wieder beim Flickschuster zu Besuch weilte.«Mit so aner Hand krieg'n S' in der ganzen Welt ihna Renten", ver« sicherte er.Und was werd'n S' jetzt'n mit dem vielen Geld anfangen", fragte er schelmisch die Fanny. Diese, fand es nicht der Mühe wert, darauf zu antworten. Als die Fanrty die erste Rente zugeschickt erhielt und außer- dem die Nachzahlung der Rente für 8 Monate, denn so lange Zeit war vergangen, seit der Arzt das Heilverfahren als abge- schlössen erklärt hatte, kaufte fie beim Selcher einSchunkenban" und beim Wirt 2 Liter Bier, um den glücklichen Ausgang des Prozesses zu feiern. Es war ein vergnügter Abend beim Flick- schuster, an dem selbstverständlich auch Zwirnlmcher teilnahm. Denn daß die Fanny jetztzehn Kranln jeden Monat einstecken tut", war ja eigentlich nur ihm zu verdanken. Er war auch nicht wenig stolz auf den Sieg der Fanny. Durch ein vielsagendes Augen- zwinkern gab er ihr nach einem Schluck Bier zu verstehen, daß er nicht abgeneigt wäre, mit ihr anzubandeln. Jetzt, da die Fanny zehn Kronen Monatsrente hatte, war sie keine schlechte Partie mehr. lRaiydnnr verboten� )Zrneilciigäste. Von C. S ch e n k l i n g. Die Ameisen mit ihrem geschäftigen Treiben haben seit je das Interesse der Menschen erregt. Bereits bei den alten griechischen und römischen Schriftstellern, so bei Aristoteles , PliniuS und anderen finden wir mehr oder minder wertvolle Bemerkungen über das Leben dieier überaus regsamen Hautflügler. Erst einer viel späteren Zeit blieb es vorbehalten, jene Wesen kennen zu lernen, die in dem ge- ordneten Staat der Ameisen als Fremdlinge leben, zum Teil geebrt und geliebt, zum Teil verfolgt und verachtet. Die ersten Gelehrten, welche diese Merkwürdigen Beziehungen dieser Tiere zu einander näher untersuchten, waren Franz Huber und sein Sohn Jean Pierre(l800>. Sie hatten bei ihrem Studium der Klein- tierwelt wiederholt Gelegenheit zu beobachten, wie die Ameisen sich gewissermaßen.Milchkühe" in Gestalt von Blattläusen hielten, deren zuckerhaltige Ausscheidungen sie mit großer Gier leckten. Im Laufe der Jahre lernte man eine außerordentlich stattliche Reihe von Kerfen und anderen Tieren kennen, die eS sich in Ameisenbauten wohl sein lassen. Man faßt sie zusammen unter den NamenAmeisenfreunde" undAmeisen- gäste". Hunderte von Arten derselben verteilen sich allein auf die verschiedenen Jnsektenordnungen. Die Zahl erhöbt sich von Jahr zu Jahr und wächst, je mehr man den tropischen Ameisenarten und ihren Wohnungen Jmeresse schenkt. Durch die fleißigen Unter- suchungen über die Lebensweise der Ameisen wurde es möglich, jene Gäste und ihr V rhällnis zu den Wirten näher kennen zu lernen. Genauere Forschungen darüber stellten Forel, Wasmann und Emery an. J Man kann die Ameisengäste in zwei Gruppen sondern. Zur ersten gehören diejenigen Tiere, welche von den Ameisen sichtbar ge» pflegt und gleich der eigenen Brut behandett werden und ohne die Ameisen überhaupt nicht existieren könnten. Vertreter dieser Gruppe find u. a. die drei europäischen Käfergattungen Claviger, Atemeles und Lomechusa. Zur zweiten Gruppe rechnet man die Tiere, welch« zwar die Gesellschaft der Ameisen suchen, aber auch an äderen Orten ihr Fortkommen finden, in einzelnen Fällen sogar von den Ameisen verfolgt werden; man bezeichnet fie alsunechte Ameisengäste". Zu ihnen gehören die Larven verschiedener Käfer, welche in Ameisennestern ihre EntWickelung durchmachen, wie z. B. die des bekannten metallischgrünen RoienkäferS, ferner die bereits erwähnten schon von den beiden Huber beobachieten Blattläuse, die von den Ameisen als Gefangene gehalten werden, endlich eine große Zahl von Käfern, die hauptsächlich der Gruppe der langen,� schmalen kurzgeflügelim Raubkäser angehören. Für diesmal wollen wir uns nur mit den echten Ameisengästen beschäftigen, den Käfergattungen Clavi�sr, Atemeies und Lomechusa. Der Leser wolle aber ent» schuldigen, wenn wir ihm hier mit lateinischen Namen auswarten. Diesen drei Gruppen ergeht es aber wie einer großen Anzahl ihrer Käferbrüder sie haben keinen deutschen Namen, sondern find nur auf lateinisch getaust, sowohl bezüglich ihres GatlungS» als auch ihres Artnamens. Man könnte ihnen nachträglich ja noch einen deutschen Namen verschaffen, doch hat ein solcher posh festum gegebener Name immer den fatalen Beigeschmack eines Spitz- namens. Fügen wir uns also ins Unabänderliche und nennen die Tierwen bei ihren rechtmäßigen Namen, zumal dieselben gar nicht so übel klingen. Von der Gattung vlaviger, d. I. Keulenkäfer, kommen in Deutschland zwei Arten vor, von welchen der Keulenkäfer der häufigere ist. Dieses winzige Käferlein hat eine höchst sonderbare Gesialt, die zu erkennen uns nur mit einem guten Vergrößerungs- glaS möglich ist, denn das Tierchen ist nicht länger als zwei Milli- merer. Der glänzende, sich nach hinten allmählich verbreiternde Leib wird nur teilweise von den zusammengewachsenen Flügeln bedeckt. Unterseits erkennt man die Ringe, aiiS denen der Körper zusammen- gesetzt ist; oberseits liegt unmittelbar vor den Flügelenden ein Grübchen, das diese SpezieS von den GatMngSgenossen unterscheidet. Am Kopfe fallen die keulenartig verdickten Fühler auf. nach welchen man der Gattung den deutschen Namen Keulenkäfer ge- geben hat. Die Augen fehlen, würden bei dem unterirdischen Leben deS Tierchens ja doch zwecklos sein. DaS letzte Glied der kurzen. ungelenken Beine trägt eine Klaue. Der Käfer lebt in den Nestern der gelben Ameise(Lasius flavus), die man an trockenen Hügeln und Berglehnen, namentlich aber an Wald- und Feldrändern unter flachen Steinen findet. Er wird von den Ameisen als Angehöriger des eigenen Stammes be» trachtet und bewegt sich unangefochten und unbelästigt in den Gängen des Baues, während die Bürgerinnen selbst ihren Geschäften nach- geben. Begegnen sich der Gast und eine Ameise, so bleiben beide stehe» und streicheln sich in zärtlichster Weise gegenseitig Kopf und Rücken. Da die Käfer höchst langsame Gesellen find, nehmen sich die hurtigen Gastgeberinnen in der Zeit der Not ihrer liebevoll an, so z. B. wenn man eine solche Ameisenkolonie bloßlegt. In der- selben Weise wie die Ameise die Puppenkokons nicht Eier, wie allgemein fälschlicherweise gesagt wird erfassen, um fie in Sicherheit zu bringen, schleppen sie auch die Keulenkäser fort, als wäre es ihnen um deren Wohl ebenso zu tun, wie um das der eigenen Nachkommenschast. Die Sorge für die Fremdlinge geht aber noch weiter: fie werden von den Ameisen auch gefüttert, und es scheint, als ob die Käfer gar nicht imstande wären, selbständig Nahrung aufzunehmen. Neuer- dmgS hat man allerdings beobachtet, wie fie gemeinsam mit ihren Pflegern an einem toten Wurm stoßen. Doch steht diese Be- obachlung noch zu vereinzelt da. als daß man daraus eine all- gemeine Schlußfolgerung ziehen könnte. Oester dagegen wurde folgender Borgang beobachtet. Wenn sich eine Ameise, die sich eben satt gegessen oder getrunken hatte, einem Gast begegnete, so begann sie alsbald mit der Fütterung desselben, indem sie ihren geöffneten Mund dem gleichfalls offenen Munde des Käfers zuwandle und diesem von der soeben genossenen Nahrung abgab, welche von diesem gierig aufgenommen wurde. Die Pfleglinge find gegen ihre Wohl- »äter aber nicht undankbar, sondern revanchieren sich durch entsprechende Gegenleistungen. Gönnt fich einmal die Ameise eine Ruhepause in ihrer Arbeit, so pflegt fie zu» nächst ihren Körper einer gründlichen Reinigung zu unter- ziehen. Mit Fühlern und Füßen bearbeitet fie ihn nach allen Richtungen hin. kratzt und schabt, bis fie sich nach ihren Begriffen eines untadeligen Aeußeren ersteut. Manche Stellen ihres Körpers vermag sie aber weder mit den Füßen noch mit den Fühlern zu erreichen, fie kommen also bei der Säuberung schlecht weg, wenn