Abdallah hegte einen zu starken Widerwillen gegen ihreFamilie, um sich von der Reise verlockt zu fühlen, und warüberdies über Hals und Kopf von Verhandlungen in Anspruchgenommen, denen« er eine weittragende Bedeutung beilegte.Er begleitete sie und Mabruka nach Ssax, wo Si Hamza inhöchsteigener Majestät erschienen war, um sie auf den Dampferzu geleiten.Nachdem der erste Zorn verraucht war, hatte Abdallahseine junge Frau wieder zu Gnaden aufgenommen. Sowieer ernstlich eine Scheidung in Erwähnung zog, erwachte dieVerliebtheit mit erneuter Kraft und zeugte allerlei Zweifel,ob er sein junges Weib auch wirklich entbehreni könne. Wasdas Kind betraf, so durste man nicht ungeduldig fein, sondernmußte Allah Tank sagen, wenn er die rechte Stunde als ge-kommen erachtete.Noch ein Moment war es, das vielleicht schwerer wogals alle die anderen.Die Unwetternacht hatte Abdallah minder hart betroffen,als es im ersten Augenblick den Anschein hatte. EinigeGurbien waren wohl mitgerissen worden, aber sie waren zu-fammen kaum dreißig Frank wert. Seine Grundstücke hattenkeinen dauernden Schaden erlitten. Sie mußten von Kiesund Steinen gereinigt werden, aber das war die Sache derPächter und ging ihn nichts an. Sein Dach war eingestürzt,aber die Leute meinten«— und darauf kam es ja an!—, diesjei kein Unglück, da es ja doch einmal dem Gesetz der Ver-gänglichkeit verfallen war, sondern vielmehr ein günstigesOmen, durch welches Allah Gelegenheit gefunden, ihm seineGnade zu zeigen und ein Wunder an ihm zu tun. Allah hatteseinen Grund und Boden überschwemmen lassen, damit seinePächter hingehen und seine Frau wecken sollten, die in demBette, in dem sie lag, in Todesgefahr schwebte. Und als sieaufgestanden« war und zwei Kinder auf ihr Bett gelegt hatte,hatte das herabstürzende Dach, um sein Weib vor Verzweis-lung zu retten, die Kleinen verschont.Sultanas Popularität war somit, nachdem sie eine Zeit-lang infolge ihrer Parteinahme für die Selbstmörderin ernst-?ich bedroht erschienen, wiederum gestiegen, und diese Volks-gunst bedeutete in Abdallahs Augen eine Macht.In ihrem Elternhause fand Sultana mehr Frieden undHarmonie als je zuvor.Die Herzen hatten sich einander genähert. Mutter undSohn hielten zusammen und wußten' Si Hamza gefügig zumachen.Als er seinerzeit bei der Besetzung des durch den Todseines Vaters freigewordenen Ca'idpostens übergangen wordenwar, hatte man ihm bedeutet, er sei noch zu jung, könne sichjedoch für späterhin Hoffnungen hingeben. Dies war derGrund, daß er nach Tunis übergesiedelt war, Umgang mitden Franzosen« gepflegt und seinen Sohn in eine französischeSchule gebracht hatte. Er hoffte sich auf diese Art einzu-schmeicheln und in Erinnerung zu bringen. Sollte es auch fürihn selbst fehlschlagen, so eröffnete sich doch dem gelehrten Nureine glänzende Karriere.Diese seine Taktik erwies sich jedoch kaum als besondersklug und jedenfalls nicht mit der genügenden Geschicklichkeitdurchgeführt. Wäre er in seiner Heimat geblieben, so hätteder Glanz des Namens El Askari in Verbindung mit seinemimponierenden Austreten ihn wohl lange Zeit, vielleicht durchsein ganzes Leben auf der Oberfläche erhalten und ihm wahr-scheinlich einen bedeutenden Einfluß unter den Arabern ver-schafft. Auch seine ökonomische Lage wäre eine andere ge-worden, wenn er persönlich die Aufsicht über feine Güter ge-führt hätte und nicht, wie in der Hauptstadt, beständig derVersuchung eines seine Kräfte übersteigenden, verschwende-rischen Lebens ausgesetzt gewesen wäre.(Fortsetzung folgt.)Die Matten.Eine geographisch-naturwissenschaftliche Studie.Von Dr. I. Sauerland.An der deutschen Nordseeküste, die sich in einer Länge von etwa280 Kilometer von der Insel Röm bis zur Ems erstreckt und ander die Mündungen der größeren schiffbaren Flüsse Eider, Elbe,Weser sowie der Jadebusen und der Dollart sEmsmündung) liegen,ist keine Erscheinung origineller und charakteristischer als die Watten.An keiner anderen Küste der ganzen Welt gibt es den deutschenWatten ähnliche Bildungen.Die Watten find eine Art amphibische Uebergangsformen zwischen Wasser und Land und durch den eigentümlichen Wechselvor-gang der Zerstörung des Küstenlandes durch das Meer und desWiederabsetzens des losgelösten Materials entstanden. Denn dieNordsee, deren Fluten Tag für Tag fruchtbares Erdreich an denStrand tragen und bei dem Zurückweichen eine feine Schlamm-schicht zurücklassen, brach oft als.Mordsee" mit rasender Schnelleund unwiderstehlicher Gewalt über das so dem Meere entrungeneund von Menschenhand durch Deiche geschützte Marschland heremund verschlang große Länderstrccken, um sie nie wieder herauszu-geben. Alle die kleinen Inseln an der deutschen Nordseeküste stnbklägliche Ueberreste eines fruchtbaren Landes, auf dem einst Tau-sende von Menschen durch den Fleiß ihrer Hände im Wohlstandlebten. Freilich haben die Springfluten den festen Kern des Lan-des nicht zerstören, sondern nur die obere Erdschicht hinwcgspülenkönnen. Weicht dann zur Zeit der Ebbe das Wasser zurück, soliegt das ehemalige Festland mit grauem Schlick überzogen ajsWatt vor uns. Dieser sandige und glimmerreiche Schlick wird abernicht nur unter Einwirkung von Ebbe und Flut vom Meere, sondernauch von den in die Nordsee mündenden Flüssen abgesetzt. Er be-steht aus den von ihnen mitgeführten feinerdigen«Stoffen, ferneraus den vom Meer an den benachbarten Küsten abgenagten mine»ralischen Teilen und aus dem feinen, durch die Brandung bewegtenSand sowie aus den unzähligen Resten von kleinen Lebewesen dermarinen Tier- und Pflanzenwelt und der ins Meer geführten Süß-Wasserbewohner, endli«ch aus den Humussäuren der von allen Seitenkommenden Moorwässer, die sich mit den Kalk- und Kalkerdesalzendes Meeres niederschlagen. Letztere liefern so den Schlamm, daswichtigste Bindemittel für die«Sandmassen, und die übrigen vomMeere und Flüssen angehäuften Stoffe. Die humussauren«Salzebilden den Hauptbestandteil für die Entstehung der Watten und«der Marschen. Daraus erklärt man sich in gewisser Hinsicht dasFehlen der Wattbildungen in anderen Meeren, wie z. B. in dersalzarmen Ostsee.Die Gesamtoberfläche der deutschen Watten stellt ein Gebietvon 3656 Quadratkilometer, also etwa so viel wie das HerzogtumBraunschweig, dar; davon bilden 3372 Quadratkilometer einen ge-schlossenen Grenzsaum; der Rest besteht aus den sogenannten Watt-inseln, die sich nicht an festes Land anlehnen, sondern vereinzeltals„«Sande" vor den Friesischen Inseln und innerhalb der zahl»reichen Buchten, die das Meer in das Watt hincinsendet, auftau»chen. Die nordfriesischen Watten sind ausgedehnter als die oft»friesischen; jene bedecken einen Raum von 2024,4 Quadratkilometer(etwa so groß wie«Sachsen-Koburg-Gotha), diese aber einen solchenvon 1632,5 Quadratkilometer.Die Watten sind, wie gesagt, amphibisches Land und ändernihre Natur täglich mehrere Male: bei Flut legen sie ihr Wasser-«bei Ebbe ihr Landgcwand an, d. h. bei jener bedeckt sie die«See»bei dieser laufen sie mehr oder weniger trocken. Man hat dieWatten von verschiedenen Gesichtspunkten aus eingeteilt,— nachihrer Lage in: Festlandswatten, die Ausläufer und Vorläuferdes Festlandes, Jnselwatten, aus denen sich Inseln wie Hügel und!Hochplateaus aus der Ebene erheben und in Stromwatten, die in«den Strommündungen liegen. �llm die Schilderung der Watten anschaulicher zu gestalten,glauben wir einer wenig bekannten Beschreibung des niederländi»schen«Schriftstellers Staring in der nachstehenden Uebersetzung hierRaum geben zu sollen:„Sobald die Walte vom Meereswasser ver-lassen ist, beginnt auf ihr ein reges Leben, das gegen die Grabes-ruhe, die noch kurz vorher auf der weiten Seitenfläche herrschte,gewaltig absticht. In unzählbaren Rinnsalen strömt das Wasserrauschend und murmelnd den großen Kanälen zu. Von allenSeiten her ertönt das eigenartig knatternde Geräusch platzenderLuftblasen, die aus den Myriaden von Wurmkanälen aufsteigen,von denen der Schlamm durchzogenKst. Fische und Seehunde habensich, dem Wasser folgend, zurückgezogen und überlassen das Reichunzähligen Vogekscharen, die kreischend und pfeifend die Nahrungaufsuchen, die ihnen das Meer hinterlassen hat. Hier wandeltlangsam und bedächtig ein Trupp Silbermöven und sucht zurück-gebliebene Fische. Dort läuft ein Austernfischer hurtig trippelndentlang den Gräben, um an ihrem Rande Weichtiere aus ihren«Schalen und Gehäusen zu picken. Oben in der Lust über denzurückgebliebenen Pfützen schießen Seeschwalben hin und her undstoßen nach den kleinen Fischen, mit denen sie sich selbst und ihreBrut ernähren. Strandläufer ersiillen die Lust mit ihrem ein»tönigen Ruf, dem an anderen Stellen sich der des Brachvogels zu»gesellt. Unter allem diesen Leben geht es den Schiffern wie denFischen, denn für alle die Fahrzeuge, die des Frachtverkehr? oderdes Fischfanges halber die Watten befahren, ist die Ebbe eine Zeitder Ruhe. Nur für den Muschelsischer, der während der Flut seinBoot den Muschelbänken so nah wie möglich gebracht hat, ist jetztdie Zeit der Ernte. Kehrt nach etwa drei Stunden die Flut miteiner Geschwindigkeit, die beträchtlich absticht von der Trägheit, mitder bei der Ebbe das Wasser die Watten verließ, wieder zurück«so ändert sich das Bild durchaus. Zuerst füllen sich unter dem ge»waltigen Zudrang des Wassers die Kanäle und laufen alsbald über,Die große Wasscrmasse kommt darauf, eine Richtung einhaltend,herbeigerollt, und sofort ist alles, was noch eben Land zu sein schien,ein weites offenes Meer, nur fern am Horizont durch die Konturender Wüsten oder Inseln umgrenzt. Die Vögel ziehen sich landwärtszurück, Fische und Quallen schwimmen wieder über den Bänken«