Seehunde zeigen hin und wieder ihre rauhen Köpfe über den Wogen oder lassen in der Ferne ihr heiseres Bellen hören." Nähern wir uns bei der Flut der schleswigschen Westküste, so dehnt sich vor uns das Wattenmeer als eine weite Wasserfläche, aus der die Halligen mit ihren flachen Linien kaum hervorsehen. Meilen- weit fährt der Küstcnsegler über die flachen Watten hinweg bis an die äußere Jnfelreihe von Amrum und Sylt. Wenn wir aber sechs Stunden später den Rückweg suchen wollten von Amrum , so ist das Bild ein vollständig verändertes. Jetzt ist das Gebiet bis zur Küste Land und nur einzelne Ströme und Priele führen das noch nicht abgeflossene Wasser dem Meere zu. So wie die Fluß- täler des Binnenlandes dadurch entstehen, daß die Regenmassen sich einen Ausweg suchen, so haben sich auch in diesem zwischen Land und Meere strittigen Gebiet ähnliche Flußshsteme gebildet, die das Wasser abführen, das zur Flutzeit über den Watten lagerte. Wenn nun die neue Flut kommt, so dürfen wir sie uns nicht als eine schäumend heranrollende Woge denken, es ist ein langsames Ansteigen der Meeresfläche, unheimlich weniger durch die Macht, mit der das Wasser hereindringt, als durch die Unmerklichkeit, mit der es heranschleicht, bis wiederum das Meer nach 6 Stunden die Herrschaft über das Wattenreich hat. So ist das Wasser in diesem ganzen Gebiet im allgemeinen in einer so starken Bewegung, daß es keinen Schlick abzusetzen imstande ist, sondern daß es eher den vorher schon vorhandenen mit sich in die offene See reißt. Betrachten wir nun näher die Welt der Watten. Sie ist nicht so eintönig wie man vermuten sollte. Zwar ist der im Westen nach der See zu gelegene Teil tot, und auf ihm findet fich keine Pflanze. Nach dem Lande zu sieht man Graswuchs, und am Fuße der Deiche ist das Watt noch häufig begrünt. Indessen erwähnenswert sind zwei Pflanzen: der Glasschmalz oder Krückfuß und die Strandaster. Der Krückfuh ist ein absonderliches Gewächs, die holländischen See- länder genießen die Pflanze gekocht oder roh als Salat. Sie wird auch in Essig gelegt für den Winter und galt früher als ein aus- gezeichnetes Mittel gegen den Skorbut . In Schweden und um Marseille braucht man sie zur Bereitung von Soda, und in ge- wissen Gegenden Spaniens und Italiens wird sie sogar zu diesem BeHufe angebaut. Auf den Glasschmalz folgt dann die schöne Strandaster, eine bis 1 Meter hohe Pflanze mit Blumen, um deren gelbe Scheibe fich blauviolelte Strahlenblüten gruppieren. Die Strandaster ist zweijährig und zeigt einen Dimorphismus: im ersten Jahre wird fie noch nicht geschlechtsreif und treibt bloß Blätter, im zweiten wird fie geschlechtsreif und treibt dann außer Blättern, die aber kleiner sind als die des ersten Jahres, auch Blüten und trägt Samen, dann stirbt fie ab. In sehr zahlreichen Arten ist die Tierwelt in den Watten vertreten. Nicht nur die Ebbe läßt aus den trockengelaffenen Watten die mannigfaltigsten und sonderbarsten Tiergestalten zu- rück, sondern eine Anzahl von eigentlichen Formen der Tierwelt der Watten ist hier angesammelt. Meist sind die Wattentiere Schlammbewohner: hier haust der jedem als Fischköder bekannte Pier und neben ihm ein anderer sonderbarer Ringelwurm. In ungeheuren Mengen finden sich Krebse und Krabben, Fische von der Garneele bis zur Scholle, wie sie fich in den Strömen und Prielen umhertreiben. Muscheln, Mies-, Tell- und Herzmuscheln und Meerherzen find keine Seltenheit in den Prielen. Von inter - essanten Funden sei ferner des Bernsteins und des Rollholzes ge- dacht. Das Rollholz, das in den verschiedensten Formen auftritt, und dessen Spalten von Sandkörnern, Foraminiferen und winzigen Tierresten erfüllt sind, stammt aus submarinen Mooren und Wäldern. Das kleine Getier der Watten liefert vielen Vögeln will- kommen« Nahrung. Da sind zuerst die Regenpfeifer, kleine Sturm- Vögel in Gestalt den Kibitzen ähnlich. Man hört ihre Stimme oft des Abends und Nachts, wenn der Regen droht, hoch oben in der Luft, und daher haben sie ihren Namen. Dem Regenpfeifer sehr verwandt ist der Austernfischer, auch Stelzfüßler genannt. Der Säbelschäbler ist auf den Watten häufig und verläßt das Salz- Wasser nie. Obgleich er zu den Stelzfützlern gehört, kann er dach ausgezeichnet srf>tvimmen und übt diese Kunst auch fteiwillig aus. Reichliche Nahrung in den stachen Tümpeln und Prielen findet der auf den Watten zahlreich vertretene Fischreiher, ferner die BuntganS oder-Ente, sowie zahlreiche Möven. Im Winter stellen fich hochnordische Gäste im seichten Wasser der Prielen und Lachen ein: weiße Eismöben, der Papageitaucher, die schwarze Trauerente und Samtente und ungeheure Herden von verschiedenen Ber- inikelgänsen. In wirtschaftlicher Hinficht sind indessen am wichtigsten die Austern und Krabben. Die etwa 60 schleswigschen Austernbänke in t,v Meter Tiefe, find meist 100 Meter breit und 1000 Meter lang. Die Austernfischerei ist im schleswig -holsteinischen Watten- meer Regal, ähnlich wie die Bernsteinfischerei in der Ostsee . Die Ortsnamen im Deutschen . Seinen beiden vortrefflichen Bündchen über.Länder« und Völkernamen' und über.Die deutschen Personennamen' hat Rudolf Kleinpaul in der Sammlung Göschen jetzt eines über .Die Ortsnamen im Deutschen ' folgen lassen.<Nr. 573 der Sammlung, geb. 80 Pf.) Kleinpaul keine bloße Material­sammlung, sondern zugleich eine gründliche Untersuchung der Ent« Wickelung und der Herkunft der.deutschen ' Ortsnamen, und im Laufe dieser Untersuchung.lösen sich die Rätsel der deutschen Orts» namen zugleich mit denen der außerdeutschen. Sie sind überall die» selben". Denn die Prinzipien der Benennung sind überall die gleichen. Für die enragierlen Sprachreiniger ist das Ergebnis des Büchleins übrigens sehr traurig: ein großer, vielleicht sogar der größte Teil der deutschen Ortsnamen ist nicht deutsch, sondern ge» hört, gleich den zahllosen Fremdwörtern im Deutschen überhaupt, dis man schamhaft als Lehnwörter bezeichnet, wenn fie ein gewisses Alter erreicht haben, ftemden Sprachen an..Es gibt wenig kerndeutsche Gegenden: im Osten kommen außer den Slawen auch noch die Litauer in Frage; im Westen die nach der Aufhebung des Edikts von Nantes ebenfalls in Brandenburg eingewanderten Franzosen; im ganzen Lande die Geistlichen. Verhältnismäßig am reinsten mögen noch die altsächsischen Lande, Westfalen und Hannover , geblieben sein." Vorwiegend find es keltische, lateinische und slawische Bestand« teile, die Misere deutschen Ortsnamen.verunreinigen". So ist Leipzig sLindenstadt) wendisch. Wendisch find überhaupt die Orts- namen, die auf-in,-itz-,-witz und-zig ausgehen. Also hat nicht einmal die Reichshaupistadt einen deutschen Namen. Im zwölften Jahrhundert war Köpenick der bedeutendste Ort an der unteren Spree, und unterhalb dieses Ortes stand am rechten Ufer ein Pranger, wie denn noch vor einigen Jahrzehnten auf der Königsstraße, am alten Rathause, ein Schandpfahl zu sehen war. Jenem Pranger nun verdankt Berlin seinen Namen. Den Platz des Prangers nannte man.den Berlin '. sAuch das Italienische hat ein Wortboiima" für Pranger.) Albrecht der Bär zog um 1167 rheinische Kolonisten ins Land, die aus der Spreeinsel einen Ort anlegten, den sie, ihrer Heimat gedenkend. Köln tauften. sDieselben Leute gründeten aus demselben Grunde ein Straßburg in der Uckermark, ein Aachen oder Aken an der Elbe und Frankfurt an der Oder .) Die Doppelgemeinde hieß nun.To dem Berlin und Tölne". Schließlich wurde Berlin allein, da es den wirtschaftlichen und bureaukratischen Mittelpunkt barg, maßgebend. Nicht anders wie den deutschen geht es den fremden Ortsnamen. Ancona (d. i. Ellbogenstadt, weil es an einer starken Krümmung der adriatischen Küste liegt) hat einen griechischen Namen, ebenso Neapel und vielleicht sogar Rom . Paris und London find keltische Bezeich- nungen, die Volksstämme, denen diese Namen ursprünglich angehören, find fast erloschen. Die Parifli waren das Schiffsvolk(Par--- Schiff), sind aber selbst keine Kelten. So ist überhaupt sehr häufig die alte Ortsbezeichnung von Eindringlingen respektiert worden, da sie nichts Besseres an ihre Stelle zu setzen wußten. Spanische Städte wie Cadiz , Cartagena , Malaga haben ihre phönizischen Namen behalten, obwohl die phönizischen Gründer dieser Städte schon in grauer Vor- zeit wieder ausgetrieben wurden. So kann es vorkommen, daß ein Platz seinen Namen durch Jahrtausende behält, selbst wenn er seine Staatsangehörigkeit un» zählige Male wechselt, und Kleinpaul sagt sehr richtig von, Geschichts - forscher:.Er kann die unverwüstlichen Ortsnamen als Beweisstück« brauchen und zu Zeugen der Vergangenheit anrufen; er liest in ihnen als in Palimpsesten. Durch die Krähenfüße der Gegenwart hindurch erkennt er die erloschenen Schriflzüge der ersten Schreiber wieder. Mehr wie irgendwo erweist sich hier die Sprachwissenschaft als die Hauptstütze, die magische Laterne der Kulturgeschichte.' Wozu nur noch bemerkt werden muß, daß Kleinpaul damit keine Tatsache konstatiert, sondern eine Forderung erhebt. Namen des Auslandes werden zwar zun« Teil ziemlich treu übernommen und hallen sich dann in der Fremde reiner als in der Heimat, wo fie den laufenden Sprachgesetzen unterliegen. Meist aber werden die Namen sehr verstümmelt, wie es die alten Griechen mit den ägyptischen Bezeichnungen machten, oder die Engländer mit den indischen Namen, die sich in ihrer englischen Aussprache und Rechtschreibung auch bei uns eingebürgert haben. So müßte eS statt Kalkutta mindestens Kalkatta heißen, statt Bombay: Mombay. DaS Wort Stadt ist das Hauptwort zu dem Zeitwort stehen, eS ist im Grunde dasselbe wie Statt, und die Schreibung mit dt stammt von der niederdeutschen Form stad, der man schon im sech- zehnten Jahrhundert, als die Orthographie allmählich barock wurde, ein t anhängte, das fich bei Wörtern wie undt, gesundt, Brodt, todt, Schwerdt usw. mit dem 18. Jahrhunderl wieder verlor, nicht aber bei Stadt. Das ältere Wort für den Begriff der Stadt ist aber eigentlich Burg. So übersetzte auch Ulfilas das griechische?olis(Stadt) mit Baurgs, und die alten Urkunden verbinden gern beide Be« Zeichnungen:.unser Burg und Skat zu Sarbrucken',die Stede zu Limpurg",.die Stat ze SugSpurg." Noch heute haben wir ja zahl« lose Ortsnamen mit-bürg, von denBürgern" ganz zu schweigen. Ein.Garten' heißt eigentlich jedes Gehege, so entstanden Gardelegen , Stuttgart u. a. Stuttgart ist ein Gestütgarten, wie denn in der deutschen Sage.Heime sich von dort den Hengst Falke holt, und wie das Stuttgarter Wappen ein Mutterpferd mit saugenden Fohlen aufwies. Auch die Worte Hof und Zaun dienen zur Namenbildung, wie schon die Phönizier das Wort Gadiz ver- wandten, das zugleich den Zaun und den eingezäunten Platz bezeichnete: Agadir in Marokko ist ihre Kründung. Das Wort Zaun ist in deutschen Ortsnamen selten, aber um so häufiger kommen seine Ver« wandten in anderen Sprachen vor. So ist ein alter keltischer Stamm Dün in Worten wie Dverden, Dunbar, Dnndee erhalten und das englische tovu(Stadt) samt seinen Abwandlungen--- toa und tea ist