Koran   anderen verbietet, die Weiber zu ehelichen, die er selbst besessen hat. Sultana saß tiefer in seinem Herzen, als er selbst es wußte. Sie war ihm eine süße Wohllust. Sie war ihm eme Wohllust, selbst in ihrer Widersetzlichkeit, selbst wenn er sie schlug. Es reizte ihn nur um so mehr, wenn sie sich von ihm wandte und andere rühmte. Wo sollte er die Kraft hernehmen, zuzusehen, wie sie hinging und ihr ganzes Zusammenleben mit ihm einem fremden Manne auslieferte! Zlber wie sollte er es andererseits verhindern, da er es doch seinem Ansehen schuldig war, der Welt zu zeigen, daß der Himmel ihm einen Sohn gönnte? So lag er da in einem Wirrsal von Gedanken, während die Lippen Gebete murmelten und die Perlen des Rosen- jfranzes mechanisch durch seine Finger liefen. Als der Mond seine Bahn über den Himmel vollendet hatte, stand er auf und ging heim. Sultana schlief noch und er wollte sie nicht sehen. Von Sorgen und Zweifel gequält, ging er zeitlich des Vormittags zu dem alten Freunde seines Vaters, dem Cadi, einem verständigen Manne, der an der grünen Moschee in Kairo  , der vornehmsten Universität des ganzen Islams, studiert hatte. <Fortsetzung folgt.) kteukaii. Von Alfons P a q u e t. Der Europäer   fühlt sich heimisch und sicher in der Nieder- lassung von Hankau  . The Bund, die Uferstraße, gleicht einer ver- größerten Rheinallee an einem um das dreifache verbreiterten Rhein  . Man weiß wohl: ein paar Tagereisen stromaufwärts füh- ren mitten in das rauhe halbwilde Szetschwan, die verschlossenste Provinz des Landes, zum Uebergang in das noch rauhere Tibet  . Die gelben Menschen, die stromauf und stromab an beiden Ufern in uralten Städten wohnen und ihre phmitastischen Pagoden auf den Hügeln errichteten, sind uns fremd wie die Bevölkerung eines anderen Sternes. Die Niederlassung von Hankau   ist ein kleines, doch mächtiges Einsprengsel der weißen Rasse. Noch nicht tausend Europäer und Amerikaner, von denen viele ihre Frauen und Kin- der bei sich haben, bilden diesen Fremdkörper in dem ungeheuren Organismus Chinas  . Ihr aller Leben, Gesundheit und Eigentum schwebt hier gleichsam in der Luft. Doch bleiben die Unterschiede der Nationen sorgsam gewahrt in dieser einzigen großen Gemeinde. Ihre Gegenwart bedeutet Geldverdienen, und damit haben sie in diesem Boden, den sie in einem steten eifersüchtigen Ringen behaup- ten, Wurzeln geschlagen. Mitten in einer eingeborenen Bevölke- rung von vielleicht zwei Millionen erbauten sie an einem Uferab- schnitt von höchstens vier Kilometer Länge das prächtigste Viertel. Der Grund mutzte erst hinter den Quadern der Uferböschung auf- geschüttet werden. Die Häuser und Höfe sind europäisch solide und kehren sich nicht im geringsten an chinesische   Formen. Das Straßen- netz ist in seinem Plane offen und regelmäßig wie ein Schachbrett. Die Gebäude der Firmen wetteifern mit denen der Konsulate an Stattlichkeit. Jede Niederlassung hat ihren eigenen Stadtrat, ihr Rathaus, ihre Kirchen und Klubs, ihre eigene Polizei, ihre bewaff- neten Freiwilligen, ihre eigenen Schulen und Missionen. Steuern und Abgaben werden in jeder Niederlassung anders erhoben. Im Hintergrunde der Fremdenstadt liegen die Missionshospitäler und ein großes von italienischen und spanischen Nonnen verwaltetes Kloster. Die Fremden haben sich in den chinesischen Handel hinein- gearbeitet, stehen durch ihre Kompradors(Einkäufer) mit den chine- fischen Geschäftshäusern in Verbindung, die sich mehr und mehr den fremden Methoden anbequemen, sichren den ewigen, stillen, fruchtbaren Kampf des Handelsverkehrs mit Menschen, die man niemals ganz kennen lernt und deren Geschäftsmoral ins Schwan- ken geraten ist. Sie beschäftigen Tausende gelber Arbeiter in ihren Fabriken und an den Schiffen, die Maschinen, Baumwollwaren, Farbstoffe, Waffen. Kurzwaren, Papier   und Glas den Strom her- aufbringen und die Erzeugnisse des Landes fortnehmen. Sie trotzen der feuchten ungefunden Schwüle des Sommers mit den schlaflosen Nächten, der alljährlich ihre Reihen lichtet, trotzen dem Aerger und den Enttäuschungen, die ihnen der stumme Widerstand chinesischer Richter bereitet, die sich bei Streitigkeiten nicht selten mit allen erdenklichen Ausflüchten weigern, Recht zu sprechen, trotzen den ewig zitternden Konjunkturen der Jahresernten und der Kurs- Veränderungen, die oft jede Berechnung zunichte machen; sie ver- größern ihren Einfluß und ihre Geschäfte mit dem gewaltigen Ernst, den ihnen das Gesetz des Kapitals auferlegt, dieses Gesetz, dos aus Hankau   ein chinesisches Chikago entstehen läßt. *) Aus dem in den nächsten Tagen erscheinenden Buche:Li oder Im neuen Osten" von Alfons Paquet  (Verlag der Literari- scheu Anstalt Rütten u. Loening.n Frankfurt a. M.). Mitten in der prächtigen Allee bei den Landungsbrücken   tönt unaufhörlich der monotone Gesang der hart arbeitenden Kulis, knarren die chinesischen Boote an den Steintreppen. Und doch scheinen in dieser vornehmen, monumentalen Häuserreihe die hage» ren, gerösteten Menschen, die in seufzenden, plärrenden Prozessio!- nen Steine, Fässer, Säcke und Ballen über die Straße schleppen, nur zufällig vorhanden. Die Villen und Grotzhandelshäuser tragen ihre Würde in deutschen, französischen und englischen Bauformen zur Schau. Blumige Rasengärten sind den hohen nüchternen Mauern der Fabrikhöfe benachbart, die nach gesottenem Tee, nach Gerber- lohe oder Chemikalien riechen und von chinesischen Arbeitern Wim- mein. Festungsähnliche Bankgebäude mit vergitterten Fenstern wechseln mit behaglichen, hellen, grünbewachsenen Häusern, denen haushohe Gerüste mit hängenden Bastmatten Schatten geben. Leicht wie Gummibälle schwirren die nackten Füße der Rickschaläufer über die sorgfältig geebnete und gesprengte Straße. An den Ecken stehen Polizisten in sauberen Khakiuniformen; hochgewachsene Punjabis mit rosenfarbenem Turban und schwarzem Bart oder geschmeidige bartlose Annamiten mit kreisrundem Strohhut, der in der deutschen Niederlassung mit einem schwarzweißroten Haarbusch geschmückt ist. Am kühlen Morgen und in den späten Nachmittagsstunden bewegen sich hier elegante Reiter, Privatrickschas, Dogcarts und Staats- kutschen mit Dienern Hintenauf, die in gelbe, blaugesäumte Staub- mäntel gehüllt sind, und die weißgekleidete Welt der Europäer   ver- sammelt sich an der Rennbahn und in den Klubs mit ihren paten  - ten Kegelbahnen und Billardsälen. Die Europäerstadt besteht aus fünf Niederlassungen. Abwech- selnd tragen die Straßen englisch  «, russische, französische, deutsche und japanische Namen. Der englische   Stadtteil ist der älteste. Er stammt aus dem Jahre 1861 und war der Dank der chinesischen   Re- gierung für die britische Hilfe bei der Niederwerfung des Taiping- Aufstandcs, der Hankau nach dreimaliger Belagerung in Ruinen zurückließ. Die anderen Konzcssionen, außer der japanischen, die erst vor_wenigen Jahren erteilt wurde, wurden 1886 gegründet. Da- mals räumte die Regierung den drei Staaten, die ihr im Frieden von Schimonoseki gegen die japanischen Ansprüche zu Hilfe kamen, in Hankau und Tientsin das Recht eigener Niederlassungen ein. Tausende von chinesischen Kaufleuten, Schreibern, Handwerkern betreiben jetzt ihre Geschäfte in den rückwärtigen Straßen der Europäerstadt. Ihre Läden und Werkstätten liegen in halbeuropäi- schen Steingebäuden; der gellende und klirrende Lärm ihres Stratzenlebens umwogt die eng aneinandergcdrückten Häuier der Taiping Road, an deren Ende das einem riesigen Zirkus ähnliche Gebäude des chinesischen   Theaters sich erhebt. Hier in der Wha Cheong Road steht eine große Backsteinkirche mit der Aufschrift St. Pauls Cathedral  . Ich betrete eines Sonntagsmorgcns, vom Brummen der Orgel angelockt, die hohe kühle Halle, nehme Platz in einer der gothisch geschnitzten Bänke, bestaune die chinesischen   Bibel- sprüchc an den Wänden und den mit einem hohen Kreuz geschmück- ten Altar. Noch mehr aber die gut und gewaschen aussehenden Chinesen des Mittelstandes, die sich nach Frauen und Männern geschieden hier versammelt haben, und den Aufmarsch der Chor- sänger mit dem Prediger und zwei Presbytern an der Spitze, wie man es in Amerika   bei den Gottesdiensten der Episkopalkirche sieht. Ein paar Straßenecken weiter steht die kleine vornebme St. Johns Kirche der Engländer. Chinesen haben hier keinen Ein- tritt. Da wegen der Hitze die Türen offen stehe», so sieht man drinnen die Leute knien; über ihren Häuptern bewegen sich die indischen Windfächer, die von zappelnden Chinesenjungen draußen gezogen werden. Die Europäer fühlen sich in diesem kleinen Um- kreis als die Herren, so sehr, daß manche seit Jahrzehnten hier wohnen, ohne je ihren Fuß in die dunklen, stinkigen Gassen gesetzt zu haben, wo ein friedliches Gedränge das Leben der breiten Straßen verwirrend fortsetzt. Die alten Schwesterstädte Hankau   und Han- jang säumen mit ihren Gassen beide Ufer des kurzen Bogens, den der Hanfluß vor seiner Mündung in den Jangtse   beschreibt. Bis zu dem braunen, von gefährlichen Wirbeln erfüllten Brackwasser dieser Flußmündung reicht die Fährstraße der Ozeandampfer, die vor der Europäerstadt wie auf einer offenen Reede Anker werfen. Man wird nicht müde, hier von einer Bank am Ufer das breite Schauspiel der Schiffe und der arbeitenden Kulis zu betrachten. Bei einer Gruppe von Dschunken, die mit durcheinander wankenden Masten im blendenden Wasser schaukeln, liegt ein kleiner Schlepp- dampfer, blau wie der Kittel eines Maschinisten. Eine kühle Brise geht über den Fluß. Der Himmel ist blau, mit einer durchsichtigen weißseidcnen Decke darüber. Ein weißer Heckraddampfer mit der deutschen Flagge über den Sturzbächen, zwischen denen die das Wasser peitschenden Schaufeln wie optische Signale blitzen, kommt den Strom herauf. Eine Ameiftnschar von kakaobraunen Menschen macht sich an den Leichterbcoten zu schaffen, die am Kai liegen. Die dünnen, grauleincnen Jacken kleben naß auf den schmalen knochi- gen Schultern. Scheibenförmige Strohhüte, die mit einem breiten Band unterm Kinn befestigt sind, schützen die Gesichter gegen die Sonne. Oft auch nur ein Stück Zeitung oder ein billiger Fächer, der unter dem wie eine Krone um den kahlen Schädel geschlungenen Zopf festgebunden ist. Kulis tragen blumig bemalte Teekisten über die Straße. Andere ziehen Baumstämme von einem Floß ans Land. Fünf Mann tragen einen dieser eisengrauen Stämme auf ihren fast brechenden Rücken. Sic gehen mit gebogenen Knien nach dem Kommando ihrer eigenen gepreßten Stimmen, stützen sich tastend mit einem Knüppel auf die Erde, und jeden Träger führt