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Der Schormayer legte einige Nickelstücke auf den Tisch und schob sie der Zollbrechtin hin.
Sä," sagte er, dös is für' s Kaffeekocha und wann' s amal auftrifft, daß i di brauch', nacha sag' i dir' s scho selm." ez dös is amal g'spaßig: bal sie heunt no bei da Dunk'lheit bei mir g'wen is und foan Ruah geb'n hot, bis i g'sagt hab, daß i fimm; und auf Ehr und Seligkeit, ho i g'jagt
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Des sell machst mit da Urschula aus; und jet' pfüad di Good( behüt dich Gott )!"
Die Zollbrechtin war getränkt, und, wie es jeder Mensch zugeben muß, mit Recht; denn für was holt man sie bei der nachtschlafenden Zeit heraus, und wenn sie hernach in der allergrößten Gutmütigkeit nachgibt, wäre es schier gar, als hätte sie um die Arbeit gebettelt, und sie wird für ihre gutnachbarliche Meinung hinausgeschmissen. Aber vielleicht holt man sie noch einmal? Und vielleicht ist sie noch einmal so dumm und laßt daheim alles liegen und stehen? Der erlebt was, der wieder so kommt. Adjä!
Und beim Hinausgehen rumpelte sie an den vollen Milcheimer an, den ein Weibsbild hereintrug.
Oha!" sagte Benzi und schaute der eiligen Person nach. Bleibt d' Zollbrechtin it do?" fragte sie den Schormayer, der ihr den Rücken zukehrte und zum Küchenfenster hinausschaute.
Er gab keine Antwort.
Wer hot an Schlüssel zu'n Kella?"
,, Am Tisch fladt a," brummte der Bauer, ohne sich umzuwenden.
Soll i heunt Butta rühr'n?"
Was woaß i? Mach dei Arbet, wia sinscht!" Benzi merkte, daß der Bauer feinen gesprächigen Tag hatte, und ging auf klappernden Holzschuhen die Kellerstiege hinunter. Es mußte fie aber etwas gefreut haben, weil ihr ein heimliches Lachen um den Mund spielte.
Der Schormayer überlegte sich, daß es gescheiter wäre, wenn er nicht daheim bliebe, denn da konnte ihm der Tag so zuwider verlaufen, wie er angefangen hatte; und weil ihm in Hohenkammer ein guter Freund lebte, mit dem er zusammen die Militärzeit durchgemacht hatte, beschloß er, einmal hinüberzugehen, auch unterwegs da und dort sich nach dem Viehstand umzuschauen. Er machte sich also auf den Weg und verlor an dem klaren Tag auch bald die dummen Ge danken, die sich in der Stube an ihm festhingen und ihn mahnten, daß er auf der Abseite des Lebens angelangt sei. Er kam mit einem kleinen Umweg an die stattliche Ackerbreite, die ihm gehörte jawohl, die ihm noch gehörte,-- und er stapfte mit einem befriedigten Gemüt über die gefrorenen Schollen. Da sollte ihm ein guter Weizen herwachsen, und weiter drüben an die zehn Tagwerk schöne Gerste, die ihm der Bräuer in Indersdorf abkaufen würde; und er sah schon im Geiste die Halme in die Höhe schießen, voll werden und reifen.
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( Fortsetzung folgt.)
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Da feuchte es in dem Hannes, daß er fast keine Luft befam. Es war ihm gerad, als ob da in ihm Hand gewachsen wären, die ihn wohin führten, an einen furchtbaren Ort, den er nicht fennen wollte, obgleich er ihn kannte. Ja, er kannte ihn, er wußte es, wo die Art lag. Die Art! Er betete in sich ganz inbrünstig und bat nur immer: ach Fieber Gott , ach lieber Gott ! Aber seine Lippen blieben fest zusammengepreßt. d
Als sie sich dann auftaten, sagte er zu seinem Bruder: Ja, wollen wir halt anfangen, weil's denn sein muß, und ich schlag den Daumen ein." Und gleich darauf bat er: Aber wart nur noch einen ganz winzigen kleinen Augenblick, nur ganz winzig flein! Ich komme gleich."
"
Das sagte er mit einer rührenden, flehenden Stimme, die noch fein Mensch so von ihm gehört hatte.
Der Bruder Ferkelstechen, der ein Hasenfuß eigentlich war, schielte ihn unter seinen blauen Brillengläsern heraus von der Seite an und fragte mit gewaltsam verdeckter Angst: Du willst mir doch keine Dummheiten machen im letzten Augenblick, Hannes??"
"
Er war sich eigentlich selbst nicht klar, was es war, das er fürchtete. Nun antwortete der Hannes ganz ruhig: Du brauchst fein Sorg wegen mir zu haben, Bruder Halsabschneider, ich will nur grad noch einen winzigen fleinen Moment für mich haben,
für mich ganz allein, eh's anfängt. Es geschieht nig und passiert nig, das versprech ich Dir, und jetzt geh Du nur ganz ruhig hinaus."
hatte er überstanden. Aber das andere, das saß noch fest in ihm Der Hannes atmetete auf, als der Bruder gegangen war. Das und frag an ihm und schraubte ihn zusammen, daß er meinte, daß er's nicht aushalten fönnt, und der Brustkasten müßt ihm zerspringen.
Er wollte aber auch darüber Herr werden, über die Schand, die nun für sein Lebtag auf ihn fiel. Er schlang seine beiden Hände ineinander, fest und tief, und recte seine ganze Gestalt mit aller Kraft zusammen. Dann schloß es ihm einen Moment sammen und ballte es zu einem dünnen Knäuel und quetschte ihn die Augen. All sein Denken faßte er in diesem Augenblick zuklein, bis nichts mehr davon übrig war, bis sein Hirn davon leer war. Dann seufzte er tief. Wie zu einem letzten Griff, auch das Allerlegte zu erwürgen, faßten die beiden Hände noch tiefer mit aller Straft und Festigkeit ineinander, die harten ungelenten. Arbeitsfinger verschlangen sich wie eiserne Klammern, wie stechende Dornen und das Blut quoll aus den Nägeln. Nun war's gut, nun war das Letzte erwürgt, nun fonnte er alles aushalten. Er ging hinaus. Grad und groß erschien er im Rahmen der Haustür, ernst und feft, zermartert, aber doch vertrauend und start.
Er hatte noch nicht seine Finger auseinanderlösen können. Er hielt noch die Hände verschlungen ineinander und preßte die Arme tief und lang an sich herab. Aber seine Haltung erschien gar nicht gezwungen. Er sagte, und seine Stimme war dunkel von unterdrücktem Beben, und in seinem Wort war etwas, daß einige eine Gänsehaut fast überlief:
„ Mein Schand ift's nit, mein nit!" Und dann war er ganz wie erlöst.
Rings blieb's still. Nur bald danach lief ein dumpfes Murmeln durch die Leute.
Der Bruder Fertelstecher neigte wieder ein wenig die Stirne und giftete einen verächtlichen Blick zu dem Hannes hinüber, der aber gar nicht traf. Einige von den Anwesenden aber konnten ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Der Ferkelstecher war eben für alle Zeiten von ihnen gerichtet worden. Da fonnte er Blide Der Bauer stand unbeweglich, wie aus Stein gemeißelt, im Rahmen seiner Haustür.
werfen.
Der Gerichtsvollzieher bot das Haus aus. Es erfolgte fein Gebot. Wie auf Verabredung schwiegen alle Dörfler still. Der Bruder Ferkelstecher sah sich hilflos um.
" Bum zweiten, zum dritten Mal. Kein Gebot." Der Ferfelstecher fing an zu begreifen. Aber er wollte das Feld behaupten. Wollen wir mit dem Mobiliar beginnen," sagte er. Der Gerichtsvollzieher bot die Stühle aus. Wieder kein Gebot.
Der Bruder Ferkelstecher, um die Sache in Fluß zu kriegen, tat das Angebot. Die Dörfler murrten dagegen.
Der Gerichtsvollzieher begriff die Situation. Er riet, die Verließ den Tisch ausbieten. Aber es erfolgte fein Gebot. Und als steigerung zu schließen. Der Bruder Ferkelstecher wehrte sich. Er er jetzt nur den Versuch machte, wieder eines zu tun, erhob sich schon das Murren lauter und heftiger als vorhin. Da strich er die Segel. Die Versteigerung wurde aufgehoben und vertagt.
Der Gerichtsvollzieher framte mit einem schmunzelnden Lächeln seine Papiere zusammen, und sein Schreiber verschüttete vor Vergnügen das Tintenfaß, denn sie gönnten das dem Halsabschneider. Die Dörfler verliefen sich, befriedigt und von ihrer starten Tat, dem Halsabschneider einmal gehörig getroht zu haben, durch drungen.
Nur der Hannes stand wie ein Stein, gänzlich unberührt von den Vorgängen, im Haustürrahmen.
Nun fiel der Bruder über ihn her. So, das hab er nun fich ganz allein zuzuschreiben, mit seinem Gered, und zum Narren halten tät er sich nicht lassen. Rücksicht gäb's nun teine mehr, und wenn nun von seinem lumpigen Bettel nichts übrig bleiben tät, gar nichts, ihm war das ganz egal, und es läg ihm nun gar nichts mehr dran. Und ob er sich vielleicht einbilde, er hab das zu seinem Vergnügen getan, daß er all die Hauptschuldner auf sich vereinigt hätt, er hätt's getan, weil er's gut mit ihm gemeint hätt, nur gut gemeint hätt. Und das sei nun der Dant.
" Ja," sagte der Hannes,' s ist wahr. Aber Du sollst um nichts kommen, wart einen Augenblid."
Damit ging er in das Haus hinein.
Nach einer kurzen Weile kam er wieder, ein Bündel unterm Arm, seine hohen Arbeitsstiefel und seine Beitsche in der Hand. Er zog die Haustür zu, schloß sie ab und gab den Schlüssel den Bruder.
" Da," sagte er, damit Du nig verlieren follft,' s ist alles Dein, ich brauch das nit mehr. Ich hab noch so viel Kraft, daß ich's nit brauch. Ich geh jetzt in Krezers Hof und verding mich als Anecht."
Ich glaub, Du tätst Dich nicht schämen und tätst als Knecht hierbleiben," entfuhr es dem Bruder.
Nein, ich schäm mich nit. Auf mir ruht fein Schand! Und Du hast gemeint, daß Du mich auch noch aus dem Dorf vertreiben