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1583
drei Tage, und hier konnte am Ende irgend etwas Besonderes eintreffen. Hatte Signore nichts zu befehlen?"
Fontanara betrachtete diesen prächtigen Arbeitsvormann, den ihm ein glücklicher Zufall verschafft hatte. Wie gut verstand nicht Yussuf Hali seine Orders, und wie geschickt fing er's nicht an, daß fie zur Ausführung famen. Der Mann besaß feine Bildung woher hätte er die auch haben sollen? er war statt dessen begabt, seine Energie war ganz einfach großartig, und seine Fähigkeit, fich in alles Neue hineinversehen zu können, zeugte von einer außer gewöhnlichen Intelligenz. Nach einer Woche schäßte Fontanara Yussuf Hali, nach zweien hatte er ihn liebgewonnen. Und dasselbe bag bei war bei dem Türken der Fall. Auf alle mögliche Weise hatte er Fontanara fuhr zusammen, der Dolmetsch hatte ihn ivarnend am Arm berührt.
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Hier, nehmen Sie, Yussuf, die Ablöhnung für die Woche." Der Archäologe gab dem Vormanne das Geld, während ihn dieser er staunt und fragend anblickte. Es kann sein, daß ich nicht rechtzeitig genug wieder hier bin, sehen Sie, Adieu!"
" Aber Sie kommen doch wieder?" fragte Yussuf Hali. Ich will Sie so gerne wiedersehen."
Natürlich," antwortete der Dolmetsch an Fontanaras Stelle. Yussuf fenkte den Kopf und der Archäologe setzte sich in Bewegung. Als er nach einer Weile zurückfah, stand der Türke regungslos auf dem Gipfel der Anhöhe und blickte den Fortgehenden nach. Fontanara nahm seine Müße ab und winkte einen herzlichen Abschiedsgruß. Yussuf Sali führte die Hand an seine Kopfbedeckung und grüßte militärisch.
Das war ja wahr, er hatte als Unteroffizier bei einem euro päischen Regiment gedient; Fontanara erinnerte sich jetzt deffen, und er fügte hinzu:„ Ein prächtiger Mensch, es war mein gutes Glück, daß er sich mit einem Offizier erzürnte und Abschied nahm, gerade rechtzeitig, um mein Gehilfe zu werden." Nein, rechtzeitig, um es nicht zu werden. Nun würde wohl irgendein Deutscher oder Franzose oder Engländer zu seiner Zeit die Ausgrabungen fortjeben. Mergerlich beschleunigte er die Schritte.
Nach einer Viertelstunde sahen sie in der Ferne das fleine Bahnhofsgebäude. Aber es dauert doppelt so lange, es zu erreichen. Sie famen noch eben zur rechten Zeit und fanden Platz in einem leeren Abteil. Fontanara troch in einer Ecke zusammen und überließ sich seinen bitteren Gedanken. Die Mühen langer Jahre waren umsonst gewesen, seine zuverlässige Arbeit war wertlos geworden,
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( Fortießung folgt.)
Stelle an seiner famen schaftlich ruiniert worden, bie reichen Bürger aus den Handwerken zur Bedeutung. Der berühmte orléanistische Historifer Augustin Thierry nennt sie in seiner Geschichte der Formation und der Fortschritte des dritten Standes" eine weniger aufgeklärte Klasse von gröberen Sitten" und be schuldigt sie, an der zügellofen Demagogie der Bariser Bevölkerung" während der Erhebung von 1412 Schuld gehabt zu haben. Und ganz besonders jammert er darüber, daß sich damals eine Erscheinung gezeigt habe, von der„ auch die modernen Unruhen ein trauriges Beispiel gegeben" hätten, nämlich eine politische Allianz der gebildeten klasse, der spekulativen Geister und des unwissenden, brutal leidenschaftlichen Teiles des dritten Standes". Nach der Wiederherstellung der freien Verfassung von Paris fag 1413 der berühmte Arzt Jean von Troyes an der Seite der Schlächter Saint- Yon und Legoig im Gemeinderat. Und die Universität selbst forderte durch den Mund eines ihrer Professoren im Namen des Volkes öffentlich Abstellung der politischen Schäden.
Man hat diese Periode der Pariser Stadtgeschichte durch den Namen Caboche und das Schlagwort der écorcheurs", Schinder, charakterisieren wollen. Die alten Chroniken und die neueren Geschichtswerke der herrschenden Klassen auch noch ein großer Gelehrter wie Thierry haben zusammengewirkt, um sie als eine Beit anarchischer Gewalttätigkeit und blutigen Böbelgreuels erscheinen zu lassen. Wie so oft in der Geschichte der Voltserhebungen, erweist sich auch diesmal diese Charakteristik bei unbefangener Forschung als ein tendenziöses Legendenwerk, das die Ereignisse und die Menschen aus Vorurteil oder absichtlich in eine falsche Perspektive bringt. Im neugewählten Gemeinderat hatten die Schlächtermeister einen großen Einfluß. Ihre Gesellen, namentlich jene Gruppe, die écorcheurs genannt wurde, waren die Stüße des neuen Regiments. Die Tatsache, daß dieser Beruf wenig Anziehungskraft auf fentimentale Gemüter hat, zeigte sich auch in der Insurrektion von 1413. Simon Caboche, ein écorcheur, wird als führende Persönlichkeit dieser Epoche hingestellt, und da schon die professionelle Bezeichnung Schinderknecht" die Phantasie leicht in Bewegung bringt, war es der reaktionären Legendenfabrikation nicht schiver, das ganze Bild der revolutionären Periode auf die Vorstellung von Mord- und Raubleben der„ Cabochieus" und„ écorcheurs" zu reduzieren. In Wirklichkeit handelt es sich im ganzen um eine energische Atrion der revolutionären Gemeinde gegen die zweideutigen Elemente. Der alte Geschichtsschreiber Juvénal des Ursins spricht von schlechten Leuten, Kuttlern, Schlächtern und Schindern, Kürschnern, Schneidern und anderen armen Leuten aus den unteren Ständen". Er berichtet:„ Sie zogen durch Paris in Scharen und verließen ihre Handwerke. Und da sie taten sie aus eigener, privater Autorität.... Man nahm Leute her, denen man unterschob, irgend etwas getan zu haben, und woran aber nichts Wahres war, und sie mußten ob recht, ob unrecht mit Geld büßen. Und wenn sie nicht sofort Zahlung leisteten, schickte man sie in verschiedene Gefängnisse und legte Sergeanten in ihre Häuser, bis sie das Geforderte gezahlt hatten." Wie schon der letzte Sazz zeigt, stimmt die Sache mit den privaten ,, Expropriationen ", um ein modernes Wort zu gebrauchen, nicht. In der Tat war Caboche nur einer der Kommandanten der Pariser Stadtmilia, und er hat in der Revolution durchaus nicht die führende Rolle gespielt, die ihm die Legende zuschreibt.
Die erfte Erftürmung der Baftille. berart nichts verdienten, mußten fie plündern und rauben und so
Die dritte Republik hat bekanntlich den 14. Juli, den Tag, an dem das Bariser Bolt im Jahre 1789 die Bastille erstürmt hat, zum Nationalfest erhoben. Diese revolutionäre Tat war bekanntlich ein mehr symbolischer Aft. Die Bastille war ja seit langem nichts mehr als ein Gefängnis für Angehörige der privilegierten Klassen. Weniger bekannt ist die Tatsache, daß die Bastille schon einmal von aufständischen Pariser Bürgern erobert worden ist, zu einer Zeit, wo sie nach der alten Chronit der Mönche von St. Denis „ das überaus starte Rastell des heiligen Antonius, jener fast uneinnehmbare, mit aller Art Waffen und Belagerungsinstrumenten ausgerüstete tönigliche Blazz" war.
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Ueberhaupt ist die ganze Geschichte von den écorcheurs und Dieses bedeutsame Ereignis spielt in der Epoche der großen ihrem Terrorismus ein reaktionärer Mythus. Eine Hauptsorge des Kämpfe der mittelalterlichen Kommunen um ihre Selbständigkeit. neuen Gemeinderats war vielmehr die Sorge für die öffentliche Besonders heftige Formen nahm die städtische Bewegung an, als Sicherheit in Paris , die durch die Mordtaten der großen und das Königtum unter Karl V. die Bermanenz der Steuern eingeführt fleinen Edelleute gar ins Arge geraten war. Als Jean von Troyes und damit das Bewilligungsrecht der Gemeinden aufgehoben hatte. erster Schöffe von Paris geworden war, reorganisierte er die Polizei. Das Königtum hatte sich so zum erstenmal in Gegensatz zur Bour- Da sich die Bourgeois zu dem ihnen auferlegten Dienst in geoisie gestellt, deren Bestrebungen es vordem gegen die Feudalen einer Truppe, die als Vorbild der Nationalgarde angesehen man die Ers unterstützt hatte. Ats Karl V. gestorben war, wuchs die Aufregung. werden kann, nicht gern bergaben, beschloß Es brachen bewaffnete Aufstände in Paris und in den Hauptorten richtung eines festen Korps von 500 Mann, dessen Kommando der Provinzen des Zentrums und des Nordens aus, und diese den drei Brüdern Legoig, sehr angesehenen Schlächtermeistern, zuBewegung hatte merkwürdige Zusammenhänge mit der gleich- geteilt wurde. Man überließ ihnen aber auch die Rekrutierung der zeitigen Erhebung der flandrischen Gemeinden unter der Mannschaft und es ist sehr begreiflich, daß sie diese aus ihren Gesellen Führung Gents. Zwischen den flandrischen Kommunen und nahmen, deren Ergebenheit für die Voltssache ihnen bekannt war. den französischen Bourgeois wurden Briefe gewechselt, die Dieses ist der geschichtliche Kern der Geschichte von den„ Schindern". die Gemeinsamkeit des Kampfes gegen die königliche Zentral- Wie wenig deren wirkliche Tätigkeit den reaktionären Schilderungen gewalt und den Adel verkündigten. Die Not vereinigte König und entspricht, geht darans hervor, daß Paris unter dem neuen Regime Adel . Karl VI. tvarf 1383 die Flandern nieder, und seine Armee förmlich aufatmete und daß zwei Jahre hindurch von keinem Mord haufte nach ihrer Rückkehr in Paris wie in einer eroberten Stadt. in den Straßen gehört wurde. Ein Arzt, Dr. Malpaigue, Es gab Hinrichtungen und Güterfonfistationen in Menge. Eine Professor der Chirurgie in Baris und Deputierter, hat 1842 in einem Königliche Ordonnanz bob die alten Freiheitsrechte, ihren Schöffen- Werfe: Briefe über die Geschichte der Chirurgie" das Andenken stuhl, ihre Gerichtsbarkeit, ihre Miliz, die Unabhängigkeit ihrer feines Borgängers Jean von Troyes von der Beschuldigung, mit Bünfte auf. Und ebenso erging es den Provinzstädten. Dazu kamen Mordbrennern Hand in hand gegangen zu fein, gereinigt und dabei überall ungeheuere Geldauflagen, deren Erträgnisse aber zu mehr auch das Lügengewebe um die Person Caboches mit der fundigen als zwei Dritteln an den Fingern der Prinzen und Hofleute hängen Hand des Operateurs zerschnitten. Seine Arbeit ist elf Jahre vor blieben. Die Neaktion dauerte 29 Jahre, während der das Land dem Buch Thierrys erschienen, der von ihr indes feine Notiz ge durch eine elende Verwaltung, durch die infolge der geistigen Er- nommen hat. Dagegen läßt sie Jules Lefranc in einem Artikel frankung des Königs eintretende politische Anarchie, durch Bürger- im" Temps " als zuverläffiges Wert gelten. frieg und bald auch durch die englische Invasion völlig zerrüttet Wir wollen nun die Vorgeschichte des ersten Bastillensturmes in wurde. In den Städten aber kam jetzt mit der neuerlich stärker ihren wichtigsten Vorgängen wiedergeben: Während der Geistess einfegenden Oppofitionsbewegung eine andere Schichte des Bürger- frankheit Karls VI. ließ einer der Prinzen, die mit einander um die tums zu führender politischer Bedeutung. Das alte städtische Obhut des Kranken und damit um die Ausübung der königlichen Patriziat des Handels und der königlichen Gerichtshöfe war wirt- Gewalt kämpften, der Herzog von Burgund seinen Gegner, den