Anterhaltungsblatt des vorwärts Nr. 152 Donnerstag den 8. August 1912 CTiachdruil Set toten.) 28] Oer Mittiber. Von Ludwig Thoma . „Dös is dir erscht geschtan ei'g'fall'n?" „Na, dös woaß i scho länga: er Hot ma scho auf's Neujohr g'schrieb'n." „Geh, hör' auf! Dös braucht an stark'n Glaab'n. Daß du de ganz Zeit her koan Cchnaufa it tho hätt'st(nichts davon hast merken lassen) vo dem?" „Weil i mir selm it g'scheidt gnua g'wen bi. Aba no, älta werd ma'r aa, und bat bei dir all's änderst wurd, kunnt i mi aa nimmt ei'g'wohna, und drent hätt i de G'leg'nheit vasammt." „M— hml Und z'weg'n wos bischt na du geschtan so belzi(zornig) g'we«?" „I?" „Es schteht da it guat o, Hansgirgl, daß d' ma du it d' Wahrheit sagst." „I ho nix zu'n sag'n." „Dös ham mehra Leut g'mirkt, net i alloa, daß du geschtan wos g'habt hascht: und niit wem ko'scht d' di denn z'kriagt Hamm ? Mit mir net. Also hascht mit dem Lackl (Kerl) an Streit g'habt. Und i brauch nir z'wiss'n: mir schmeißt d' an Strohsack hi und gehst, als wia wann mir it neun Johr mitanand g'arbet' hätt'n." Der Hansgirgl �var nahe dabei, etwas von seinem Ver- druß zu sagen, aber da fiel ihm das Wort vom Lenz ein, daß er ihn seinetwegen auch verklamperln könne. Und die Nachrede vollte er sich nicht verdienen� zu was auch? Gehen mußte er, weil das Bleiben kein gut mehr tat. Also kratzte er sich hinter den Ohren und setzte eine längere Rede zusammen. „I bi gern bei dir g'wen, Schormoar, dös sell woaßt du recht guat, und Hot aa nir geb'n: aba, net, bal ma sie nimma außi siecht, indem daß also du nimma lang regierscht, und mi werd aa'r älta. und durch dös, daß mir da Vctta g'schrieb'n Hot. i hätt bei eahm's Bleib'n, derf ma halt so it vo da Hand weis'n; mi lebt it g'rad heut und»maß aa'r auf morg'n denka. Dös sell muaßt d' selm sag'n." „Wann's d' it bleib'n willst.— i kon di net halt'n: und i dank da recht schö, daß d' ma so mit da Tiir ins Haus rumpelst. Eh'nder hättst d' ina's it sag'n kinna, oda mi glci gar um an Rat frag'n,— dös sell waar gar it ganga!" „Ma übalegt si's halt binum und herum.. „Und red't hinum und herum. Mei Liaba. für so dumm muaßt du mi net kaffa, daß i gar nix spann. Du hoscht mit 'n Lenz wos g'habt, und i muaß's Bad aussaufa. Aaba dem kimm i. und net schlecht." „Na, dös möcht i fei gor it. I mag it mit an Vadruß wegkemma.. „Dös i na mei Sach. Seit an halb',, Johr hätt i nix als Z'widrigkeit'n mit dem Kerl, und jetzt vatreibat er mir no d' Leut!" „Dös kam nacha so anßa, daß'n i schwarz g'niacht bätt." „I glaab's omni net änderst, und i schenk's eahm it." „Nacha muaßt du an Zeug'n macha, bal's hintadrei hoaßt, i hätt'n vaklamperlt. Du muaßt as bezeug'n, daß i vo dem gar uix g'sagt Hab." „Vo wos? Gel', daß's richti is? Jetzt hon i di g'fangt." „I woaß nix, Schormoar, und mi waar's liaba, wann mir jetzt nix mehr rcd'n iiba dös, und du thatst nur mei Zeugnis schreib'n." „Hoscht d' as fest an Sinn, Hansgirgl?" „Jo. Schaug', es is amal it änderst!" „Aba bal i ganz ans deina Seit'» steh?" „Dös ko'scht d' it. Du muaßt mit dein Buaui länga haus'n, als wia mit mir.. „Wart's o, wia lang i mit dem no Haus'!" „J wünsch enk it, daß ös ausanand kemmt's. und z'weg'n meina scho gar it. I wer an ander'n Platz kriag'n." „I ho gmoant, du hoscht'n scho bei dein Vetta? Gel, Hansgirgl. hoscht d' di Wieda vared't?" „Na, bal i dir's amal sag: aba du mögst mi so aus. fratscheln,(ausfragen) und dös Hot koan Wert it. Laß guat sei, Schormoar! Mir gengan in Fried'n und schö auseinand." „Und i muß schaug'n, wo i an Knecht herkrtag." „J woaß da'r oan. Vom Blank in Neuhof drent an Blast: der gang gern vo dahoam weg und Hot aa scho östa g'sagt, daß's eahm bei dir g"fallat." „Dös is schö! Muaß i wiada'r auf a neu's mit oan o'« fanga." „Der kennt sei Arbet: an dem hoscht d' it viel z' richt'n, und da Lenz is aa do." „Red' ma no g'rad net vo dem!" „Magst d' ma's Zeugnis it schreib'n, Schormoar?" „Wann's sei' muaß, schreib' i's halt." Der Schormayer ging zur Türe und rief der Ursula. „Bring ma'r a Tint'n und a Feda!" „Es muaß all's drtn sei." � „Thua's no her! I mog's it suacha." Ursula kam in die Stube und fand endlich im Wand- schrank hinter alten Medizjnflaschen ein Tintenglas und auch einen Federhalter. „Wo is na mei Brill'n?" fragte der Bauer.„Ohne Brill'» kon i it schreib'n." Sie war nicht im Schrank und nicht in der Tischschub- lade und nicht int Schubfach unter der Bank und fand sich zuletzt, in einen Kalender eingeklenimt, auf dem Fenster- brett. Der Schormayer setzte sie auf, und da wickelte der Hansgirgl sein Dienstbuch aus allerhand fettfleckigen Papieren und gab es ihm. „In, geht denn da Hansgirgl?" rief Ursula. „Geht a? Freili geht a! Weil ma bei enk it bleib'n ko.� „Wos hon eahm denn i in Wog g'legt?" „Ma red't net vo dir alloa." „Und i ho vo so was übabaupts nix g'sagt," fiel der Knecht ein. „Also, geh außi!" befahl der Schormayer seiner»Tochter. „Mi braucha'n di net zu dem G'schäst." Er schlug das Dienstbuch auf und las. „Eingetretten bei mir am viert'n Februar neunzehnhun- dart und oans. Do steht no mei Untafchrift. Selbig'smal iS da Preßl Bürgamoasta g'wen. Dös san jetzt akrat neun Johr." Er schaute über die Brille weg vor sich hin, als wenn er über manche? nachdächte,„Selbig'smal is no schöna g'wen. De Bäurin guat beinand, und finscht aa all'S ganz änderst. No ja! Jetzt is scho so." Er rückte die Brille näher an die Augen und schrieb es init kratzender Feder und nach mehrmaligen Pausen hin. daß Johann Georg Egerniayr diese Zeit her bei ihm in Dienst gestanden und auch seine volle Zufriedenheit durch Treue, Fleiß und Ehrlichkeit erworben habe. „Dös ko ma bei dir mit guat'n G'wiss'n schrei'm," sagte er. Ueber den HanSgirgl kam es nun doch wie Heimweh, als er sein Büchel im Empfang nahm und in die Tasche steckte: der Krage» wurde ibm eng, und er zog ihn ausander und schluckte ein paarmal. „I hä schöne Täg bei dir gchabt, Baua, und i sag dir vagelt's Gott : und des ander woaßt scho." „Und i wünsch dir Glück, Hansgirgl, v',>d auf den sclbinga Vctta waar i schier Harb(böse): wann i dro glaabet," setzte der Schormayer hinzu, und»in seine Mundwinkel war ein verstecktes Lächeln. Aber dann wurde er wieder ernst, als er sagte: „Mit dir geht was Gnat's vom Hof weg. und i wollt, du waarst blieb'»; aba geg'n dein Will'n derf i di it halt'n. Pfiiat di Good, und daß da's guat geh'!" „Adjes! Und no'mal schön Dank: und bal i auf Kall - back? kimm, dcrf,i scho znakehr'n?" „Allamal, so laug i do bin," HanSgirgl zog den Kopf ein und machte sich still hinaus. Eine halbe Stunde später sah ihn der Schormayer vom
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29 (8.8.1912) 152
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