Waffe wie eine Keule. Mit ein paar langen Sätzen war er bei den Kämpfenden'. Ter Gewehrkolben sauft» durch die Luft nnd fiel von hinten auf den Kopf des Korporals nieder. Ter Ausdruck in dem wie aus Holz geschnittenen Gesicht des Türken blieb sich gleich. Mit derselben unveränderlich stumpfen Gleichgültigkeit, die er während der ganzen Zeit betvicscn, empfing er den Todcsfchlag. Er hatte seine Pflicht getan, er wie die anderen.„Bism' Allah!" Blut und Gehirnmaffe spritzten umher, aber Itapagnottis Kolbe w- stötzc hörten nicht auf. Der Bauer schlug besinnungslos Schlag auf Schlag. Bisweilen traf der Kolben den Toten, bisweilen die Erde, lluunterbroche-r, unter heiserem Geheul und einer furcht- baren Kraftverschwendung wirbelten die Schläge. Noch immer sein seelenloses Lachen ausstoßend zog sich Zirilli aus der Nähe des Kameraden zurück. Die übrigen standen in sonderbaren und gezwungenen Stellungen und sperrten aus Er- staunen über diese Eruption von wahnsinniger Wut den Mund auf. „Rapagnotti!" Leutnant Carello hielt seinen verwundeten linken Arm mit seiner rechten Hand hoch und stierte mit weit auf- gerissenen Augen.„Rapagnotti!" schrie er.«Mensch!" Pietrv wurde aus seinen. Gedanken geweckt und begriff. Er winkte einigen Kameraden, aber sie zogen sich zurück und wollten seine Absicht nicht verstehen. Da entriH er mit einem raschen Griff Rapagnotti das Gewehr. Dieser erwachte wie aus einem Rausch und sah sich mit hohl- äugigen, wirren Blicken um. Er keuchte noch von der Anstrengung» holte tief Atem und rief mit einem gurgelnden Ton: .Ich bin hungrig." Die Pernmift kam ihm wieder. Er starrte die anderen an, las in ihren Mienen, kehrte den Mick auf den mvß- handelten Leichnam und zuckte die Schultern.»Letzt ist es vorbei," sagte er und fügte mürrisch hinzu:»Haltet den Mund." Leutnant Carello seufzte. Hier war wieder etwas von dem Unerklärlichen, das einem bald hier, bald dort in den Weg trat, etwas von dem, über das man niemals sprach und an das man, wenn man gescheit war, auch nicht dachte. Außerdem hotte er anderes zu tun. Sein verwundeter Arm schmerzte. Benedetti war ,.. ja, er war tot. Und wo war der Feind? „Zurück, marsch! Da hinüber!" Er zeigte noch Nordost.„Wir gehen nach dem Hohlweg zurück. Stützen Sie mich, Fontanara! Wir müssen vor Nacht zurück sein. Im Dunkeln kann das Passieren der Vorposten gefährlich sein.— Haben Sie ein Taschentuch? Danke! Knoten Sie es fest um! Der Blutverlust.», Mir ist ein wenig schwindelig." (Fortsetzung solgt.Zs Der(Intergang der großen Hrrneee Von Kurt Eisner .» III. Der französische Historiker Albert Vandol, der ein dreibän- oiges Werk über die Beziehungen zwischen Napoleon und dem Zaren Alexander I. verfaßt hat, stellt an die Spitze seiner Darstellung die Sätze:„Während der ganzen Dauer seiner Regierung verfolgte Napoleon ein unveränderliches Ziel: durch einen ernsten Frieden mit England die Festigung seines Werkes, die Größe Frankreichs und die Ruhe der Welt zu sichern. Um dieses Ziel zu erreichen, war das hauptsächlichste Mittel seiner Politik, das er in der entscheiden- den Epoche seiner Laufbahn anwandte, ein Bündnis mit dem russi- schen Kaiser Alexander I. Wenn die in Tilsit versuchte Verständi- gung fest und dauernd geworden wäre, wäre England unterlegen, Frankreich und Europa hätten in neuen Formen Ruhe gewonnen; der Bruch mit Rußland belebte die absterbende Koalition wieder, verstrickte Napoleon in tödlich« Unternehmungen und richtete ihn zugrunde." Diese Sätze mögen durch die Beziehungen gefärbt fein, die gerade zur Zeit der Veröffentlichung des Werkes zwischen Rußland und der französischen Republik sich zu festigen begannen, richtig ist, daß Napoleon sich die größte Mühe gegeben hat, um Rußland für seinen Kampf gegen England zu gewinnen. Aber ebenso sicher ist, daß Napoleon keinen Augenblick daran gedacht hat, Rußland al§ Herrn Europas zu dulden. Gerade weil Napoleon niemals den russischen Hoffnungen auf Koustantinopel irgendwelche Zugestand- nifle machte, weil er in der Gründung des Herzogtums Warschau Rußland den nationalen Todfeind vor die Tore setzte, ist die Allianz mit Rußland niemals zuverlässig vollendet worden. Na- pvleons politischer Gedanke war vielmehr. Rußlands Schwerpunkt »ach Asien zu verschieben: er wollte Rußland gegen Indien ge- brauchen und damit die englisch « Weltmacht ins Herz treffen. Als stärksten und sicherste» Bundesgenossen seiner Politik batte sich Napoleon nicht Rußland , sondern Preußen gedacht. Er hatte diesen Militärstaat in dem täuschenden Legendenlicht des friederi- danischen Ruhmes gesehen, einen harten, kargen, tätigen, aufge- klärten»nd tapferen Kriegerstaat, nicht unähnlich seinem eigenen Wesen. Als er dann das w i r k l i ck e Preußen erkannte, schlug seine Bewunderung für Friedrick» II. in Verachtung für seinen armseligen Nachfolger um. Dennoch hat er seine alte preußische Illusion nie ganz ausgegeben, und Preußen blieb auch nach Jena ein wichtiges Glied in seinem politischen System. Das ist die Lösung eines Pro- blems, das die Geschichtsschreibung bis zur Stunde beschäftigt, ohne daß man bisher Klarheit zu finden vermochte: Warum hat Napo- leon nach Jena Preußen bestehen lassen? Die deutschen Historiker versichern in der Regel, Napoleon habe ursprünglich beabsichtigt, Preußen auszutilgen, habe dann aber dem Zaren zuliebe, der sich für Friedrich Wilhelm III. verwandt habe, Preußen in einer un- gefährlichen Verkleinerung bestehen lassen. Eine Gefälligkeit also für den zärtlich besorgten Freund des preußischen Königs, der vom Zaren zuvor infam verraten und auch nicht gegen die ihm von Na- poleon zugefügte geflissentlich demütigende Behandlung geschützt worden war! Man sieht: Die Geschichtsschreiber, die aristokratisch auf die Macht der Persönlichkeit schwören(worunter sie in der Regel die zufällige und gleichgültige monarchische Dutzendware verstehen), vermögen gerade bann nicht in de» Menschen einzudringen, wenn sie wirklich einmal auf eine geniale, bewegende Persönlichkeit treffen. Es heißt Napoleon zu einer Possenfigur entwürdigen, wenn man glaubt, in den Lebensfragen seines politischen Systems hätten derlei Gefälligkeits dienste irgendwie von Einfluß sein können. Preußen hat ebensowenig das verführerische Seidengcwand Luisens wie das mystische und trügerische Sckwärmerauge Alexander I. ge- rettet. Es mußte am Leben gelassen werden, das forderte sein System. Napoleon sah 1807 in Tilsit 1812 voraus. Er ließ Preußen aus demselben Grunde bestehen, wie er das Großherzogtum War- schau schuf: Schutzwchren gegen Rußland , dem er nicht traute, dem er Europa nicht ausliefern wollte. Europa sollte nicht kofakisch werden. Aus demselben Grunde ließ ja Napoleon auch(unter großen perionlichen Opfern) seine Truppen nach 1807 in Preußen; er fürchtete einen russischen lleberfall. Welche Rolle Napoleon in Wirklichkeit Rußland zuweisen wollte, das erkennt man aus jenem gewaltigen Brief, den Napoleon, bevor er in Erfurt die schmarotzenden Fürsten Europas wie ein verächtliches Hofgeschmeiß um sich versammelte, am 2. Februar 1808 an Alexander I. schrieb Als Zeugnis für die weltpolitischen, mit Ruß- land gesponnenen Pläne Napoleons , wie für die begeisternde und unterwerfende Macht des Schriftstellers will ich diese Ur- künde— mit einigen unwesentlichen Kürzungen— übersetzen: „Eure Majestät werden die letzten Debatten des englischen Parlaments gesehen haben, den Entschluß, den Krieg zum äußersten zu treiben. Nur durch große und ungeheure Maßnahmen können wir zum Frieden gelangen und unser politisches System festigen. Eure Majestät mögen Ihre Armee vermehren und rüsten. Alle Hilfsmittel und jeder Beistand, die ich gewähren kann, werden Eure Majestät frei von mir empfangen; gegen Rußland erfüllt mich kein Gefühl der Eifersucht, wohl aber das Verlangen seines Ruhmes, seines Glücks, seiner Ausdehnung. Wollen Eure Majestät die Mei- nung einer Person hören, die offen gesteht, ihr innig und wahrhaft ergeben zu sein? Eure Majestät müssen die Schweden von Ihrer Hauptstadt fernhalten; möge sie also auf dieser Seite ihre Grenzen so weit ausdehnen, wie sie will, ich bin bereit, ihr mit aller meiner Macht zu helfen. Eine Armee von 50000 Mann, Russen, Fran- zosen, vielleicht sogar ein bißchen Oesterreichern, die sich über Kon- stantinopel nach Asien wendet, würde in dem Augenblick, wo sie den Euphrat erreicht. England zittern machen und es dem Konti- nent beugen. Ich bin in Dalmatien bereit; Eure Majestät an der Donau . „Einen Monat nachdem wir uns verständigt, könnte die Armee am Bosporus sein. Der Schlag würde in Indien widerhallen und England wäre unterworfen. Ich verweigere keine vorläufige Be- dingung, die notwendig wäre, zu einem so großen Ziel zu gelangen, aber das gegenseitige Interesse unserer beiden Staaten muß ver- einigt und ausgeglichen werden. Das kann nur in einer Zusam- menkunft mit Eurer Majestät geschehen, alles kann besiegelt und beschlossen sein vor dem 15. März. Am 1. Mai können unsere Truppen in Asien sein und zu gleicher Zeit die Truppen Eurer Majestät in Stockholm . Dann werden die Engländer, in Indien bedroht, aus der Levante verjagt, zerschmettert werden durch die Blitzschläge, mit denen die Luft geladen sein wird. „Eure Majestät und ich werden den Reiz des Friedens vor- ziehen, lieber inmitten unserer großen Reiche leben und uns damit beschäftigen, sie durch die Künste und die Segnungen der Berwal- tung lebendig und glücklich zu machen: die Feinde der Welt wollen es nicht. Wir müssen wider Willen größer sein. Es ist Weisheit und Politik, zu tun, was das Geschick befiehlt, und dorthin zu gehen. wohin uns der unwiderstehliche Gang der Ereignisse führt. Dann werden die Pygmäcnschwärme, die nicht sehen wollen, daß die gegen- wältigen Ereignisse derart sind, daß man ihre Bergleiche in der Geschichte und nicht in den Zeitungen des lebten Jahrhun- derts suche» muß, sich beugen und der Bewegung folgen, die Eure Majestät und ich weisen. Tann werden die russischen Völker zu- frieden lein mit dem Ruhm, dem Reichtum und dem Glück, die das Ergebnis dieser großen Ereignisse sein werden. .In diesen wenige» Zeilen enthülle ich Eurer ZMajestät meine ganze Seele. Das Werk von Tilsit wird das Schicksal der Welt lenken. Vielleicht könnte Euer Majestät und mich ein Rest von Kleinmut veranlassen, ein sicheres und gegenwärtiges Gut einem größeren und vollkommeneren Zustand vorzuziehen: aber da Eng- land es nicht will, erkennen wir, daß die Epoche der großen Uni- gestaltuugen und der großen Ereignisse gekommen ist." In diesem Brief enthüllt Napoleon wirklich seine ganze Seele. — mit jener großen und stolzen Offenheit, die das Wesen seiner Diplomatie ist. Rußland soll sich Finnland nehmen, uip fein«
Ausgabe
29 (15.8.1912) 157
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