Nationalfest(daS war in rund einem halben Jahr!)' wollten fie zusammen mit ihren Eltern und kleinen Geschwistern eine Land- Partie nach Charenton machen. Da könnte er denn auch hinkommen, ihre Eltern kennen lernen, und sie würden zusammen Fische essen, in einer Laube am fließenden Bach-- Kling— kling— tiring—! Aber: Brühl antwortete der Blasebalg. ,Ja, was will ich denn eigentlich von dem Kind? Ein Ver- hältnis anbandeln, wie alle meine Kameraden,' für drei Wochen? Pfui!" Er hatte mit seinen einundzwanzig Jahren noch»ie lein rechtes Verhältnis gehabt. Die Weiber waren ihm bis zu seiner Bekanntschaft mit Berthe ganz gleichgültig gewesen, ja fast wider- wärtig, wegen der paar eklen Straßenfrauenzimmer, ldie ihm unter die Hände gekommen waren. Deshalb hätte er mit Berthe nicht herumscharmieren mögen. Er konnte sie einfach gut leiden. Ein braves Mädel, das er lieb hatte wegen seiner arglosen blauen Augen, seines süßen Lächelns, und weil es ihm so viel von seinen kleinen Brüdern erzählte, wobei er an die zwei Knirpse in seiner elterlichen Hütte draußen denken konnte. Wollte er das Mädchen heiraten?. Jetzt wohl nicht— aber später, wer weiß— eine Frau hat man ja doch mal nötig, wenn man seine eigene Werkstatt auftut,,. Kling— ting—! und klingdi ting! „So! das wäre fertig! und prächtig ist's geworden!" Er ließ den getriebenen Rand des Beckens zufrieden durch seine Hände gleiten, blieb dann mit der rechten Hand darauf ge- stützt, nachdenklich. Tic paar Minuten bis zum Werkstattschluß wollte er nichts Neues mehr anfangen. Seine Linke spielte mit dem schweren Hammer auf dem Werktisch. Die Idee eines eigenen Geschäftes nahm ihn außerordentlich in Anspruch. Ein kleines Atelier zuerst— denn welch großes Kapital konnte er von seinen Lohnersparnissen sammeln? Im Anfang höchstens einen oder zwei Gesellen. Aber geschmackvolle, zierliche Sachen— reiche Fremde bestellten Prachtstücke— und wie Madame Berthe die einlaufenden Gelder zusammenzuhalten weiß! Tgnn eine immer größere Arbeiterzahl— und das geht so weiter, bis nach Jahren eines Tages die Angestellten(etwa.LS) versammelt sind, um der Grundsteinlegung des neuen Hauses beizuwohnen, in dem er sein vergrößertes Etablissement unterbringen will. Vorzügliches Diner— ein Vertreter der Regierung präsidiert —• der spricht einige anerkennende Worte und überreicht ihm einen Orden— dann hebt der Maitre Lorel den Hammer zur Grundsteinlegung—— Der"Träumer hebt wirklich den zwanzigpfündigen Schmiede- Hammer mit der Linken, den ersten Streich auf den Grundstein zu führen. Diese stolze Phantasie durchzuckte den jungen Arbeiter so mächtig, daß er den bedeutungsvollen Hieb— donnernder Applaus!— mit seinem Hammer wirklich--; Ein kurzes, schreckliches Wchgeschrei!! Und er stürzte zu Boden. Er hatte sich die auf den Rand des Beckens gestützte rechte Hand vollständig zerschmettert. Die anderen Arbeiter rannten herbei und schafften den vor wütendem Schmerz Ohnmächtigen in einer Droschke zum Hospital. Der Lohn für seine fertige Arbeit wurde ihm gut geschrieben. Davon konnte er kaum ein eigenes Geschäft eröffnen. Ueberdies brauchte er noch seine ganzen Ersparnisse auf wäh- rend der Heilung. Als er nach einem Monat entlassen werden konnte, war die Hand gelähmt. Kein Gedanke mehr an Schmiede- arbeit!* Er mußt« sich nach irgend einer leichten Beschäftigung um- sehen. Ein Hausierhandel oder so etwas. In den ersten Wochen war er Zeitungsausrufer. Dann trug er einen Patentartikel durch die Restaurants, ließ ein bunt an- gestrichenes Zinkwägelchen, das von einer automatischen Puppe gezogen wurde, über die Trottoirs schnurren, und ähnliches. (Fortsetzung jolgt.). �entenarfeier der Gasinduftne. Bis zur Wende des lS. Jahrhunderts behalf sich die Menschheit mit den einfachsten Mitteln der künstlichen Beleuchtung. Für ge- wohnlich waw-da« Bedürfnis, das Dunkel der Nacht oder licht- entbehrender Räume durch Licht zu beseitigen im Altertum und Mittelalter sehr gering. Handel und Wandel erlitten zur Nachtzeit eine fast völlige Unterbrechung. Volksfeste und Theatervorstellungen fanden bei Tage und unter freiem Himmel statt. Die Lanipe der Griechen und Römer, primitiv und im Prinzip mit der heutigen Grönländer fast völlig übereinstimmend, reichte vollkommen a»S. Auch im Mittelalter sind keine wesentlichen Fortschritte in der künst- lichen Beleuchtung gemacht worden. Kicnspan oder Wachsklerze erhellten Zechgelage und nächtliche Wanderung, die Oellampe diente beim nächtlichen Studium zur Beleuchtung. Während noch zu Anfang des 17. Jahrhunderts Paris fast gänzlich im Dunkeln lag, wurden zur Zeit Ludwig? XV. an den Straßenecken große Pcchflammcn in eisernen Becken zur Beleuchtung gebrannt. Später fanden dafür Oellampen und Laternen mit Talglichtern Verwendung. Das Bedürfnis nach einer vollkommeneren Beleuchtung macht sich zu Ende des 17. Jahrhunderts bemerkbar, zu einer Zeit, als durch die Anwendung der Dampskrast die industriellen und wirk- schaftlichen Verhältnisse eine wesentliche Umgestaltung erfuhren. AlS James Watt seine ersten Dampfmaschinen in die Bergwerke von Cornwall sandte, wurde sein Mitarbeiter William Murdoch dazu angeregt, sich mit den in jenen Gruben geförderten Kohlen näher zu be« schnftigen. Es gelang ihm, aus jenen Steinkohlen durch trockene De- stillation, d.h. durch Erhitzen unter Luftabschluß, ein brennbares Gas, daS Steinkohlenleuchtgas zu gewinnen. Schon 1792 beleuchtete er sein Wohnhaus in Redruth mit diesem Gase. Vor die Oeffentlichkeit trat Murdoch mit seiner Gasbeleuchtung zuerst bei einer Jllumi- Nation zur Feier des im Frühjahr 1802 zuAmiens abgeschlossenen Friedens, nachdem er im selben Jahre in der Maschinenfabrik von Watt und Boulton zu Soho diese Beleuchtung eingeführt hatte. Die Entdeckung, daß Steinkohle bei der trockenen Destillation ein brauchbares und- leuchtendes Gas gibt, war schon vor Murdoch bekannt. Sein großes Verdienst ist es, die schwierigen Aufgaben praktisch gelöst zu haben, das Steinkohlenleuchtgas in größerer Menge herzustellen, von den schädlichen und verunreinigenden Be- standteilen zu befteien, zum Berbrauchsort fortzuleiten und durch geeignete Brenner zur Beleuchtung verwenden zu können. Ist Murdoch der Schöpfer der teckmischen Methoden zur Leucht- gasdarstellung, so gilt ein deutscher Kaufmann namens Friedrich Albert Winsor , ursprünglich Winzer geheißen, als der eigent- liche Schöpfer der Gasbeleuchtung in London . Winsor beleuchtete in« Jahre 1807 am Geburtstage des König« die Front zweier Häuser in Pall Mall , in welcher er seine Apparate aufgestellt hatte. Um den Konttast mit der gewöhnlichen Straßenbeleuchtung und die Vor- züge des Gaslichtes zu demonstrieren, richtete er auf der Südseite der Pall Mall -Straße eine 17<X1 Fuß lange Gasbeleuchtung ein. Winsor war sehr darum bemüht in London eine Gasgesellschast ins Leben zu rufen. Als Frucht seiner Bemühungen ist es anzusehen, daß sich die Gaslight and Coke Company zur zentralen Gasver- sorgung Londons bildete, die im Jahre 1812 ihr Privileg erhielt. Diese Gesellschaft— heute die größte der Londoner Gasgesellschasten— kann sonach auf ein hundertjähriges Bestehen zurückblicken. Wenn auch erst 1814 der erste Stadtteil Londons , das Kirchspiel St. Margareth, vollständig mit Gas beleuchtet wurde— die Westminsterbrücke erhielt 1813 Gas- Beleuchtung— so bildet doch das Jahr 1812, als Zeitpunkt der Gründung der ersten und größten Gasgesellschaft, den Anlaß zur Jahrhundertfeier der Steinkohlengasindustrie. Trotz der entschiedenen Vorzüge, die dem Leuchtgase zur Seite standen, fand die Einführung nicht ohne weiteres eine freundliche Aufnahme. Zunächst befürchtete man die Explosionsgefahr. Und wie allen Neuerungen brachte man auch der Gasindusttie Miß- trauen entgegen. Sir Humpry Davy, der große englische Gelehrte, der weltbekannte Erfinder der Grubcnficherheits- lampe, lachte bei der Vorstellung, daß London jemals mit Gas be- lenckitct werden sollte. Höchst amüsant lese» sich die Bedenken der „Kölnischen Zeitung " vom Jahre 1819, die fie ihren Lesern auftischte, als dort die Einführung der Gasbeleuchtung für öffentliche Sttaßen und Plätze projektiert war. Sie schreibt:.Jede Straßenbeleuchtung ist verwerflich! 1. Aus theologischen Gründen, als Eingriff in die Ordnung Gottes. Nach dieser ist die Nacht zur Finsternis eingesetzt, die nur zu gewissen Zeiten vom Mondlicht unterbrochen wird. Dagegen dürfen wir uns nicht auflehnen, den Weltplan nicht Hofmeistern, die Nachr nicht in den Tag kehren wollen. 2. Aus medizinischen Gründen. Das nächtliche Verweilen auf den Straßen wird den Leuten leidster und bequemer gemacht und legt zu Schnupfen, Husten und Heiserkeit den Grund. 3. Aus philosophischen Gründen. Die Sittlichkeit wird durch die Gasbeleuchtung verschlimmert. Die künstliche Helle verscheucht in den Gemütern das Grausen vor der Finsternis, das die Schwachen von mancher Sünde abhält. Diese Helle macht auch den Sünder sicher, so daß er in den Zechstuben bis in die Nacht hinein schwelgt. 4. Ans volkstümlichen Gründen. Oeffentliche Feste habe» den Zweck, da? Nationalgefühl zu heben, Illuminationen sind hierzu vorzüglich geschickt. Dieser Eindruck wird aber geschwächt, wenn derselbe durch allmähliche Ouasi-Jlluminationen abgestumpft wird, daher gafft sich der Land- mann toller an dem Lichtglanz als der lichtgesättigte Großstädter." Die eindringlichen Vorstellungen dieses Blattes scheinen indessen nicht recht stichhaltig gewesen zu sein, um die Einführung in Deutsch - land hintanzuhalten. Schon 18LS erhält Hannover . 1826 Berlin Gasbeleuchtung, und nacheinander folgten die verschiedenen Städte Teutschlands mit der Einsührung. Waren es ursprünglich englische Gcsellichasten, die bei uns diesen Industriezweig pflegten— die Gasanstalten in Hannover und Berlin wurden von englischen Ge- sellschaften ins Leben gerufen,— so bildeten sich bald auch ein- heimische Gesellschaften, unter ihnen die 18ö3 gegründete Deutsche Kontinental-Gasgesellschaft iir Dessau, denen dieser Industriezweig kräftige Förderung und ihre heutige Blüte verdankt. Wie die Bedenken der.Kölnischen Zeitung " keinen irgendwie hemnienden Einfluß auf die Einführung der Gasbeleuchtung gehabt, ebenso wenig vermochte der um das 18. Jahrhundert lebend« Germanist I. Ch. Adelung, die für luftförmige Stoffe von dem holländischen Arzt und Naturforscher I. B. van H e l m o n t zu Anfang des 17. Jahrhunderts willkürlich geprägte Bezeich- nung„Gas" aus dem deutschen Sprachgebrauche auSzu- merzen. Dieser van Helmontsche Ausdruck wurde,
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29 (4.9.1912) 171
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