Pelle errötete ein wenig. Tie Frage überrumpelte ihn völlig.Ich will Dir gern alles über Deine Mutter erzählen, wenn Du mir dann auch alles erzählen willst, was Tu weißt," sagte er und sah sie aufrichtig an. Was willst Tu denn wissen?" Sie sprach in einem examinierenden Ton.Willst Du über mich in den Zeitungen schreiben?" Liebes Kind, wir müssen doch Deine Großmutter finden. Es kann ja doch sein, daß sie Hunger leidet." Ich glaube, sie ist im A l t e n h e i m ," sagte das Kind leise.Ich ging des Donnerstags'dahin, wenn die Alten Er- laubnis bekamen, auszugehen und sich ein bißchen Kaffee zu- sammenzubetteln; und da Hab' ich sie einmal gesehen." Gingst Du denn nicht zu ihr hin?" Nein, ich mocht ihr Gejammer nicht länger mit an- hörenl" Johanne war nicht mehr starr und trotzig. Sie lag mit abgemagertem Gesicht da und antwortete ein wenig wider­willig auf Pelles Fragen, während sie verlegen mit seinen Fingern spielte. Die knappen Antworten wurden für ihn zu einer zusammenhängenden traurigen Geschichte. Die Witwe Johnsen war nicht wehr viel wert, als die Arche erst abgebrannt war; sie fühlte sich überall so alt und hilflos, und als Pelle eingesteckt wurde, brach sie ganz zu- sammen. Sie und die Kleine litten Not, und als Johanne merkte, daß sie im Wege war, lief sie weg, dahin, wo sie es gut haben konnte. Die Alte war ihr wohl auch im Wege ge- Wesen; sie hatte dasselbe leichtsinnige Traumgemüt wie die Mutter, und nun sagte sie sich von allem los und lief dem Wunderbaren entgegen. Ein älterer Spielkamerad� ver- gewaltigte sie und führte sie hinaus zu den Jungen Minaus nach dem Holzlager. Dort führte sie ein Bagabundenleben, schlief häufig unter freiem Himmel und mochte hin und wieder lange Finger, lernte aber bald, Geld auf eigene Faust zu verdienen. Wenn es kalt wurde, ging sie als Aufwasch­mädchen in die Wirtshäuser oder verrichtete Laufmädchen- dienste für die Dirnen in der Daneborgstraße, wunderbarer- weise entging sie imnier der Polizei. In der ersten Zeit war sie ein paar Mal auf dem Wege zu der Großmutter zurück, kam aber nicht weiter als bis auf die Treppe; sie fürchtete sich vor Strafe und konnte es auch nicht aushalten, dazusitzen und die wimmernden Klagen der Alten zu hören. Allmählich fand sie sich in ihrer neuen Lebensweise zurecht und empfand kein Bedürfnis mehr, aus diesen Zuständen herauszukommen, wahrscheinlich, weil sie anfing, sich dem Trunk zu ergeben. Von Zeit zu Zeit schlich sie doch in das Altenheim und fing einen Schimmer von der Großmutter auf; sie konnte sich nicht erklären, warum sie das tat, und hielt an der Behauptung fest, daß sie sie nicht ausstehen könne. Tie ungerecht� Klage der Alten, daß sie ihr zur Last liege, hatte sich tief in das Gemüt des Kindes hineingefressen: im letzten Jahre hatte sie eine Zeitlang in einer Seemannskneipe unten im neuen Hafen bei einem Wirtshausbalter Ellebr, aufgewartet, bei demselben Bauernfänger, der Pelle bei seiner ersten Ankunft in Kopenhagen das Fell über die Ohren gezogen hatte. Elleby pflegte unkonfirmierte Mädchen zu adoptieren, um auf diese Weise das Gesetz zu umgehen und weiblich? Bedienung für die Seeleute zu haben; sie pflegten nach Verlauf von ein oder zwei Jahren zu sterben; er ging immer mit einem schwarzen Flor um den Arm. Johanne sollte auch adoptiert werden, rannte aber rechtzeitig weg. (Fortsetzung folgt.) iCKocStirud tcrSotcn.) 101 VeCne. Von Franz Hei«. (Schluß.) Ja, krank!" rief sie.Fort! Fort von hier, ich bitte Dich! Schnell in eine Droschke!" Aber wie? Nicht mehr bleich, feuerrot im Gesicht. Sie faßte krampfhaft seinen Arm. Sie stieß es mit dem Ausdruck lebhaften Schreckens hervor. Durch einen Zufall war sie am Büfett mit Paul zusammen- getroffen. Sie lief fort aber er verlor sie im dichtesten Gc- wühl nicht aus den Augen. Fetzt machte er sich zu ihr Bahn. Aha! Da haben wir auch ihren Zuhälter!" schrie er Lorel au. Dieser erkannte auf den ersten Blick den Schwindler auZ dem Bahncoupe wieder. Das Blut stieg ihm zu Kopf. Schütze mich vor dem Kerl, Georg!" flehte sie.Er hat mich angefallen verfolgt mich ich kenne ihn nicht." Was? Du kennst mich nicht. Du erbärmliche Straßenhure?" Eine ganze Serie der auserlesensten Schimpsworte, die ihm sein Absintrausch reichlich eingab, hagelte aus sie nieder. Du kenst mich nicht? Warte! Kennst Du vielleicht das noch?" Und der ehemalige Metzgergcselle, der sie durch Brutalität wieder gewinnen wollte, versetzte ihr halb aus Wut. halb aus Berechnung eine schallende Ohrfeige. Lorel packte ihn bei der Brust. Sie erbärmlicher Feiglingl Ich werde S?e lehren, meine Braut zu mißhandeln." Auch ein Drittel der Umstehenden nahm für Fegine Partei, während das zweite Drittel höhnisch zusah und sich amüsierte. das letzte aber seine tiefen Rcnn-Prognostika unberührt fortsetzte. Unter den neutralen Zuschauern war Maffereau. Aber es war keine wohlwollende Neutralität. Er freute sich, daß Lorel eine drastische Bewahrheitung der Lehren zu erfahren schien, die er ihm vorher vergeblich gepredigt hatte. Braut?" lachte der Jnduftrieritter gellend.Na. das kanw eine nette Wirtschast werden,! Wissen Sie, meine Herrschaften (wandte er sich an die Umstehcndenil, woher sie ihre Aussteuer hat? Im Bon Marche hat sie alles zusannnengestohleni!" Fegine erbleichte. Lorel schrieb es ihrer Entrüstung zu. Was sagen Sie da. Sie elender Verleumder?" Seine Stimme war halblaut vor Empörung..Widerrufen Sie! Augenblicklich! Oder ich schlage Sie nieder!" Der andere kniss die Lippen zusammen. Er war zum Acußcrsten entschlossen. Das schöne Weib hatte in ihm eine rückst ckts-- lose Begierde zurückgelassen. Er mußte sie wieder haben, so oder so. Und auch ausnützeni wollte er sie. Er mußte diese tüchtige Person an sich fesseln, so oder so. Ein Jährchen, Gefängnis? Hm! Nichts war geeigneter. Sie war dann von der Welt ausgestoßen, für immer nur aus ihn vcrwicsem in seine Gewalt gegeben. Sein Entschluß war gefaßt. Er winkte einem Schutzmann herbei, der an der Innenseite des Geländers stand. Verhaften Sie diese Person! Ich kann beweisen, daß sie den Bon Marche bestohlen hat!" Der Schutzmann zauderte. Verhaften Sie diesem Lumpen!" rief Lorel außer sich.Aus die AuSfaae eines solchem abgerissenem Taugenichts entehrt man keine anständige Damel" Schön! Verhaften, Sie auch mich? Ich gehe mit!" entgegnete Paul, in dessem Plan diese Wendung vorbedacht war. Auch kannte er wohl schon den Aufenthalt hinter Schloß und Riegel, so daß der Gedanke nicht viel Abschreckendes für ihn hatte. Hier der Beweis meiner Aussage? Kennen Sie vielleicht IhrerBraut" Handschrist?" wandte er sich an Lorel, indem er ihm einen von ihr geschriebenem Brief zeigte. Her damit?" stammelte Lorel in tödlicher Spannung.«Ja, das das ist von ihr!" Sie klammerte sich wankend an dem Zaun. Der Gauner las laut und behaglich:«Mein süßer Paul! Ich habe den langen Rumänen satt. Drum komme ich zu dir zurück. Du wirst heute mit mir zufrieden sein, denn ich habe wieder eine famose Ab- rcchnung gemacht. 500 Francs dabei profitiert morgen können wir weiter spielen" Diebin und Dirne!" stöhnte Lorek und schlug jetzt seiner- sei IS das Weib ins Gesicht, in dasselbe von leuchtendem Augen, ver­klärte Gesicht, das er sich vor einer Viertelstunde innerlich amspc- malt hatte mit einem schwärmerischen Gefühl zärtlicher Dankbarkeit. So recht!" applaudiert« Mapereau.Schade, daß sie einen Schleier vor hat!" Unter der Züchtigung erhob sie frech die Stirn, die Lorel vor Augenblicken noch mit einer Gloriole umwobcm sah. .Ich hätte auch für Sie einen schöne« Namen, mein Herr? Er heißt Hehler!" zischelte sie ihm zmAber ich will nichts mehr mit Ihnen zu schaffen haben. Denn Sie find mir zu fad. Lang genug Hab' ich Sic ausgeholten. Komm', Paul, mein süßer Schatz!" Sie hing sich in den Arm des Hochstaplers. Das ist ein Wtzibcrkenner! Alle Achtung!" brummte Mast sereau. Zwei Schutzleute gaben dem neu vereinten Paar als Braut-» führcr das Geleit zur Droschkenftatioa vor dem Eingang. Lorel starrte ihnen halb bewußtlos nach. Da klopfte ihm Massereau aus die Schulter. Er räusperte sich vor Genugtuung. Ist das nicht der junge Herr, der mir von seinem schönen Glauben an Ehrlichkeit vorredete? Nun, sind Sie jetzt bekehrt?" Lassen, Sie mich! Gehen Sie Ihres Weges!" fuhr Lorel ihn an. Was brauchte ihn dieser schadenfrohe Narr noch mehr zu guälcn? Hatte er doch mit seinem eigenen Gedanken schon genug zu tun. Fegine würde ihn zwar nicht nachträglich als Hehler anzeigen. Sonst hätte sie's erst recht in der erstem Erregung laut gesagt. statt zu flüstern. Und beweisen konnte sie ihm nichts. Aber, was hätte ihm viel daran gelegen! Alles war ihm gleichgültig nach diesem gemeinen Spiel mit seinem Vertrauen. Bor sich sellpt war er nun doch einmal ein Hehler und ein Dieb dazu haste er nicht von dem Ertrag ihrer gestohlenen Gelder gelebt?. Das Geld, mit