nach Wohlsein und Wegziel und freut sich über den frischen Mut des Entlanenen. Er wünscht alles Glück und sagt dazu doch:Es ist schwer." Der Entlassene aber lacht ihn an und nimmt die fünf- undzwanzig Mark Reisegeld wie einen Königslohn. Nun sehe ich zum letzten Mvle den düsteren Korridor dieses Hauses, wo die Züchtlinge mit der Maske vor dem Gesicht gegen die Wand stehen müssen. Nordwärts geht die Fahrt zum letzten Male durch Badener Bezirke. In fieben Schwarzwaldjahren hatte der arme Amtsblatt- redakteur die Residenz und die grosse Handelsstadt nie gesehen, das Heidelberger Schloß nur als Schubgesangener. Wie hell ist dein Gesicht, du gutes Land, in dem Arbeiter und Minister so besondere Menschen find. Dein finsterer Gesell sitzt grad bei mir im Abteil: Wacker, der Gewaltige. Es ist eine Lust, den dreifach gekrönten König der llltramontanen bei der furchtbaren Arbeit zu sehen: am Schreibbrett im D-Zuge. Unter der mächtigen Braue, die wie Stacheldraht ist, streckt sich der Blick wie eine Kanonenmündung durchs Fenster in die Ferne und meißelt dann den stahlharten Gedanken aufs Papier. Den Waldshuter Albboten sieht er in meiner Hand und zerschmettert Zeitung und Leser. Er erinnert sich vielleicht einer Wackcrversammlung aus der oberen Alp bei Bettmaringen-Stühlingen, als sein Reisegenosse von heute dreist genug war, dem Despoten zu sagen, er müsse dem katholischen Mann Gedankenfreiheit geben. Es reizt mich, ihm wieder Rede zu stehen: daß ich nun ein gebrochener Mensch bin, also Bertrauen verdiene. Der Psarrherr von Zähringen aber bleibt unzugänglich. Ich helfe dem Feinde, weil er klein und fett ist, dann in den Mantel und erzwinge eine freundliche Miene. Durch Mitteldeutschland grüßen spärliche Erinnerungen. In diesen Breiten ist man zur Welt gekommen, und hat das Gebnrts- land nie gesehen mit bewußten Augen. Schon das halbjährige Büblein mußte auf Wanderschaft gehen so fahrig war dieses Leben vom ersten Alter an. lFortsetzung folgt. Ji Huf der Obcrfpree* Von Georg Rhenanus(Berlin ). Der Herbst hat die gewaltige Flottille der. Personendampser, die fest Mai bis Mitte September von Berlin und nach Berlin un- gefähr 13 000 Fahrten» zurückgelegt hat. in die Winterhäfen, ge­trieben. Aber manches kleine Privatboot mit Benzin- oder Elektro- motor schießt» noch schwell zu Berg, um seine Passagiere einem an der Oberspree gelegenen Ziele zuzuführen. Wem die Gunst versagt ist. den Eigentümer solcher flinken Wasserequipage als barmherzigen Freund zu befitzen, vertrank sich, sofern er draußen, Geschäfte er- ledigen ober die Schönheiten des Herbstes genießen will, der Elek- irischen oder der Eisenbahn an. Allerdings hat er an Wochentagen auf großes Leben in den Bergnügumgsorten am Nord- und Sud- ufer des Flusses nicht mehr zu rechnen» Stralau, Rummelsburg . Tabberts Waldschlößchen. Ostend und Sadowa, Treptow . EirrhämS- chen» Neuer Krug, Hasselwerder. Sedan und Neptunshain find leer geworden, ebenso die gastlichen Stätten am Müggelsee und in Grünau . Wohl aber findet er dort noch an Sonntagen» Vielhundert- köpfige Gesellschaft. Denn ganz mögen die Berliner und Berline - rinnen auf die Hevbstfreuden nicht verzichten, ob auch die Brise kühl vom Waffer weht, der Nebel phantastische Reigen tanzt und Blatt für Blatt matt und welk von den Bäumen sinkt. Aber abgesehen von den Schönheiten des Herbstes, gewährt eine Fahrt zu Berg noch einen interessanten Einblicks in die stark erst- wickelte Schiffahrt und in das gewerbliche Groß-Berlin. das sich bis weit hinaus am Ufer des Flusses niedergelassen hat. Die Spree ist für Berlin ein« Goldader, deren Wet man bereits im 17. und 18. Jahrhundert erkannte und durch umfangreiche Kanal- anlagen, die nach Oder und Elbe führten, zu fördern suchte. Frei- lich, nach dem Auskommen der Eisenbahnen vermeinte man in den ersten Jahrzehnten des Enthusiasmus daS märkische Wassernetz scheel ansehen und die Schiffahrt erheblich beschränken zu können. Doch Berlins kolossaler Aufschwung nach dem deutsch -sranzöfischen Kriege ergab die Notwendigkeit, für das Herbeischaffen von Massen- gütern, besonders von Getreiden Bau- und Brennmaterial, an Stelle des kostspieligen Eisenbahntransports den billigeren Wassertrans- port zu wählen. Und so erfuhren Spree und Kanäle wieder der- diente Wertschätzung. Sollten die märkischen Wasserstraßen den neuen Anforderungen entsprechen, so war ihre Verbesserung unbedingt geboten» Das wichtige Unternehmen wurde seit 1883 mit erheblicher Energie und unter Aufwendung einiger Dutzend Millionen Mark durchgeführt. Zunächst erfolgte die Regulierung des unteren Laufes der Spree zwischen Charlottenburg und Spandau , dann die der Schiffs- Verbindung von der Oberspree bei Berlin bis zur Oder bei Fürsten- bera und schließlich die des Spreebettes innerhalb des städtischen Weichbildes, wobei durch Sckiffbarmachumg des an der Ostfeite des Königlichen Schlosses vorbeisließenden Spreearmes und durch den Bau der großen Schleuse und des Wehrs am Mühlcndamm ein neuer bequemer Weg für die Jahrzeuge bis achttausend Zentner Tragfähigkeit aus der Unter- ia die Oberspree und umgekehrt zur Eröffnung gelangte. Doch hiermit noch nicht genug, denn von 1900 bis 1908 wurde im Süden. Berlins zur direkten Berbiudung zwischen Oberspree und Havel der 15 Kilometer lange Teltowkanal erbaut und vor sechs Jahren, auf Grund des Gesetzes vom 1. April 1908 der Großschiffahrtsweg von Berlin über Oranienburg . Eberswalde . Oderberg und Hoheitsaaten, nach Stettin in Angriff genommen» nach dessen Eröfsnunc Schiffe mit einer Ladefähigkeit von 800 Tonnen oder 12 000 Zentner vom Haff auf kürzestem Wege nach dem Ber - liner Hasen gelangen können. Von welcher gewaltiger Bedeutung die Güterbeförderung zi» Schiff für die Reichsihauptstadt ist, erweisen am besten Zahlen. Au Bera und zu Tal kamen im Jahre 1908 in Berlin insgesamt 6 Millionen« Güter an und gingen von Berlin 700000 Tonnen Güter ab. Dem entsprach ein großartiger Schuf sverkehr. Es kamen, an 2096 Güterdampffchiffe und 28 007«egelschisse und gingen ab fast ebenso viele Schiffe. Dazu der ziemlich starke Durch­gangsverkehr, der enorme Berkehr der Personendampser und der Vrkebr der stark beschäftigten Schleppdampffchifse. Inzwischen haben diese Zahlen noch bedeutenden Zuwachs erfahren. So bietet die Wasserfläche der Oberspree während der günstigen Zeit des Jahres ein außerordentlich lebhaftes Bild Auffallend ist die große Veffchiedenheit der Segelschiffe. Es gibt da Steven» kühne, Steven- und andere Zillen..Böcke" und.Esel" in mancher- lei Dimensionen� Im Durchschnitt beträgt die Ladefähigkeit der Kähne zwischen 240 und 250 Tonnen, oder 4800 und 5000 Zentner. Doch fehlen auch nicht Kähne zu 400 Tonnen, oder 8000 Zentner. Solcher Riese ist von Kaffe zu Kaffe etwa 55 Meter lang» 8 Meter breit und bei einer Bordhöhe im Mittelschiff von 2 Metern bis zum festen Deck etwa 3.70 Meter und bis zum beweglichen Deck etwa 4 Meter hoch. Die mit beweglichem Deck bilden die Mehrzahl. Sie find auf Steven gebaut, zum Segeln eingerichtet, mit Kajüte und Stand im Hinterteil, Brummstall. Plist. Schaff und daran an- schließenden Laufbänken im Borderteil versehen. Die Kajüte dient dem Schiffsiührer und seiner Familie zum Aufenthalt, die Plist den Schifferknechten. Mit Nutzlast von 400 Tonnen taucht so ein Kahn, falls er zweckmäßig gebaut ist, 1.40 Meter ein, leer hingegen kaum mehr als 30 Zentimeter. Das Baumaterial besteht vornehm- kich aus Eisen, jedoch ist für den Schiffsboden» die Duchten» und losen Deckteile samt dem dazu gehörigen Unterbau swoie für die Fuß? böden, Scheuerleisten. Masten und Schaudecks Holz verwendet. Natürlich kann der Führen eines solchen stattlichen StevenkahneS auf die leicht aus Tannenholz gebauten, Zillen», die mit Obstladung aus Böhmen anschwimmen, mit berechtigter Geringschätzung herab- blicken, zumal seine Kajüte mit ihren 32 Quadratmetern meist doppelt so groß als die der Zille ist und mithin als.Hochherrschaft- lich" gilt. Erhebliche Unterschiede herrschen auch unter den Schlepp- dampsern. Die kleinsten» mit Maschiner- von zwanzig Pferdekräften ausgerüstet, verrichten den Dienst auf gewissen Kanälen, so auch auf dem Landtvehrkanal. Aus der Spree fahren vornehmlich die grösseren Schlepper, ernst ausschauende Herkulesse von neunzig und mehr Pserdekräiten» schwarz am Leibe, schwarzen Qualm aus dem Schornstein wirbelnd, aber auf Deck mit freundlichen Ausbauten ia Weiß und Grün. Manche dampfen mit einem Zuge von drei oder vier Kähnen» deren Gesamtbelastung 1000 bis 1200 Tonnen beträgt. so fix zu Berg, daß sie in der Stunde fünf bis sechs Kilometer zurücklegen. Sehr zustatten kommt der Schiffahrt, daß die alten» Holzbrücken mit den Klappendurchlässen durch massiv gewölbte Neubauten ersetzt sind, deren Oeffnungen auch bei Hochwasser noch genügend« lichte Höbe besitzen, um den Durchlaß der Fahrzeuge zu gestatten!. Die Zahl der Durchiatzösfnrmgen beträgt bei der Normalbreite des Flusses von 50 Metern gewöhnlich drei, davon die mittelste anr weitesten. Da aber die Breite der Obersprce auf der Strecke von Jannowitzbrücke bis oberhalb Oberbaumbrücke Unterschiede zwischen 58 bis 140 Meter aufweist, so kommen hier auch mehr Leffrurngen vor. Die Brücken» machen durchweg einen sehr stattlichen Eindruck. Entweder find sie ganz aus Werksteinen aufgeführt oder wenigstens mit Werksteinen an den Gewölbestirnen», Zwickeln und sichtbaren Teilen der Pfeiler verblendet. Der Wölbung ist gegenüber den Brücken mit eisernem Oberbau wegen der längeren Lebensdauer, der größeren zulässigen Belastung und der wirkungsvolleren archi- tektonischen Ausgestaltung der Borzug gegeben. Hat sich aber die Amvendung von Eisen nicht vermeiden lassen, so find die Träger unter die Fahrbahn gelegt. Eine Brücke, die am Oberbauu», ist nur zum Teil mit Gramtverblenidung bedacht, sonst aber reizvoll in märkischem Ziegelrohbau ausgeführt. Das prächtige Bauwerk mit seinen sieben Bogenösfnungen», seinen originell silhouettietten Türmen und seinem den östlichen Bürgersteig überragenden Arkadengeschoh, dem Schienenweg der elektrischen Hochbahn, hebt sich malerisch und mit einem Anfluge mittelalterlicher Romantik aus dem Wasser empor. Auf der Jannowitzbrücke schreit, tost und braust der Verkehr. rennen die Menschen, rasseln die Lastwagen, stampfen die Elektri - sehen, tuten die Autos, donnern vour hohen» Viadukt her die Züge der Stadtbahn, strebt und drängt die ganze Gesellschaft fieberhaft vorwärts nach Arbeit, nach Verdienst, nach Gewinn. Kranken»- wagen» Leichenwagen, Grüner Wagen kaum, daß sie beachtet werden». Nur gut, daß trotz dieses höllischen Fleißes und trotz dieser banausischen Erwerbssucht noch immer Ideale lehendig geblieben