AnlerhaltungsMatt des'Vorwärts Nr. 183. Freitag den 27. September. 1912 lNachdruik dervoien.) LTZ Pelle der Gröberer. Von M. AndersenNexo. Uebersetzt von Mathilde Mann . Er war im Buchhaltereikursus gewesen und kam nach Hause, um zu essen: Ellen und Svend Trost waren in der Stadt, aber sie hatte ihm Essen warm gestellt. Er der Einfachheit halber in der Küche, saß auf dem Küchentisch und las dabei ein Buch über Buchführung. Drinnen in der Stube saß Lasse Frederik und lernte seine Schulaufgaben, beide Hände vor den Ohren, um die Welt gründlich ausschließen zu können. Aber das war nicht so leicht, denn Schwester hatte einen losen Zahn, und ihn juckten die Finger danach, damit in Berührung zu kommen. Jeden Augenblick unterbrach er seine Studien und versprach ihr irgend etwas, wenn er ihn ausziehen dürfe; seine Beine unter dem Tisch waren keiney Augenblick in Ruhe; er war ganz krank. Aber die Kleine antwortete fortwährend:Nein, Vater soll!" Da gab er es auf, ehrlich zu Werke ßu gehen und suchte es von hinten herum zu erreichen. Und endlich gelang es ihm, sie soweit zu überlisten, daß sie ihn einen Faden um den Zahn binden und am Türdrllcker befestigen ließ.So, nun wird der Faden nur durchgebrannt," sagte er und zündete einen Lichtstummel an,sonst kann Vater den Zahn nie raus- kriegen. Das löst gewaltig!" Er redete bunt durcheinander über alles mögliche, um die Aufmerksamkeit abzulenken, ganz wie ein Taschenspieler, und hielt ihr dann plötzlich das Licht dicht vor die Nase, so daß sie schleunigst den den Kopf zurück- ziehen mußte.Sieh, hier ist der Zahn!" rief er triumphie- rend und zeigte ihn der Schwester. Aber die brüllte aus vollem Halse. Pelle saß da und hörte das Ganze, aber ruhig weiter, sie mußten sich selbst miteinander abfinden. Nach» einer Weile war Lasse Frederik bemüht, seine Tat wieder gut zu machen, er redete Anna zu und gab ihr Spielzeug, um sie wieder in gute Laune zu versetzen. Als Pelle hereinkam, lagen sie aus dem Bauch, den Kopf unterm Bett. Sie hatten den Zahn ganz hinten an die Wand geworfen und riefen im Chor: Maus, Maus! Schenk mir einen goldnen Zahn für meinen Knochenzahn I" Was willst Du nu, Vater?" fragte die Kleine und kam auf ihn zu. Ja, Pelle wollte dies und jenes. Dn hast immer so viel zu tun," sagte sie verdrießlich. Bleibt das Dein ganzes Leben so bei?" Das gab Pelle einen Stich durchs Herz.Nein, ich Hab' nicht so viel zu tun," sagte er hastig,ich kann gut ein bißchen bei Euch bleiben. Nun, was wollen wir denn jetzt anfangen?" Die kleine Anna holte ihre große Flickenpuppe hervor und fing an, Stühle zusammenzustellen. Nein, das ist nichts," sagte Lasse Frederik.Erzähl lieber von damals, als Du Kühe hütetest, Vater, und von dem großen bösen Stier!" Und dann erzählte Pelle bunt durcheinander von seiner Kindheit, von dem Stier und von Vater Lasse, von dem großen Bauer auf Steengaarden und von Oheim Kalle mit den drei- zehn Kindern und dem fröhlichen Sinn. Das große Gut, das Landleben, der Steinbruch und das Meer das war wie ein Märchenbuch für die beiden Kinder, die auf dem Straßen- Pflaster groß geworden waren: der Kampf des kleinen Pelle mit dem großen Ochsen um die Oberhoheit, seine wunderbare Eroberung der fünfundzwanzig Oere eins war immer noch spannender als das andere. Und am spannendsten von allein war doch die Erzählung von dem Hünen Erik, der zum Idioten geschlagen wurde.Ja, das war damals," sagte Pelle und nickte.Jetzt geht das nicht mehr so." Wieviel Du doch erlebt hast," sagte Ellen, die während- des nach Hause gekommen war und dasaß und strickte.Es ist beinahe nicht zu verstehen, wie Du damit fertig geworden bist, so klein wie Du warst. Wie gern Hütt' ich Dich sehen mögen!" Vater, der ist groß!" rief Schwester anerkennend aus. Aber Lasse Frederik war etwas mehr zurückhaltend. ES war so langweilig, immer stillschweigen zu müssen, und er hätte so gern Platz für eine Zwifchenbeme-rkung über seine eigienicn Heldentaten gehabt.Weißt Du was? Da hält ein großes Fuder Korn unten im Torweg beim Fuhrmann," sagte er, um zu beweisen, daß er auch das Landleben kannte. Das ist kein Korn," sagte Pelle,das ist Heu Klee­heu. Kennst Du denn nicht mal Korn?" Wir nennen es aber Korn!" sagte der Junge selbst» bewußt.Und es ist ja auch Korn, denn das sind solche Büschel an den Enden." Aehren, meinst Du! Aber die sind auch an dem groben Gras, und das Korn stammt übrigenß von dem Gras her« Bist Du nie ordentlich auf dem Lande gewesen?" Nein. Wir wollten ja'ne ganze Woche auf's Land. Aber da kam das Pech mit Mutters Arbeit. Aber im Tier­garten bin ich gewesen." Auf einmal wurde es Pelle klar, wieviel den Kindern entging, daß sie ihr Leben hier drinnen auf dem Straßen- Pflaster verbringen mußten.Ob wir nicht daran denken sollten, vor die Stadt hinauszuziehen," sagte er am Abend, als er und Ellen allein waren. Wenn Du es meinst," erwiderte Ellen. Sie selbst hatte kein Verlangen, aufs Land hinaus zu kommest, sie hegte eine instinktmäßige Angst davor als Aufenthaltsort. Das mit den Kindern begriff sie auch nicht: da waren doch so viele Kinder, die vorzüglich hier drinnen gediehen, und daß sie dumme Bauern werden sollten, wollte er doch wohl nicht. Aber wenn er es meinte, war es wohl das Rechte, er pflegte ja recht zu haben. Dann war es aber wirklich an der Zeit, daß sie kündigten, es war nur noch ein guter Monat bis zum Aprilumzugstag. Des Sonntags packten sie den Kinderwagenspcicher und machten Ausflüge in die Umgegend der Stadt, so wie in alten Zeiten, als Lasse Frederik der einzige war und in seinem Fuhr- Werk saß wie ein kleiner Thronfolger. Jetzt half er tüchtig den Wagen schieben, in dem Swend Trost saß und sich breit machte; wenn Schwester müde war, wurde sie mit herab- hängenden Beinen auf dem Schutzleder angebracht. Sie suchten jedesmal eine andere Gegend auf und kamen an Orte, die nicht einmal Lasse Frederik kannte. Dicht hinter der hohen Rückseite der Stadt konnten trauliche, alte Obstgärten ver- borgen liegen mit einem niedrigen, strohgedeckten Gebäude mitten darin, das offenbar einstmals das Wohnhaus auf einem Bauernhof gewesen war. Man plumpste zufällig mitten da hinein aus irgendeinem Seitenwege und entdeckte, daß die Stadt im Begriff war, auch außerhalb des kleinen Idylls Kasernen zu bauen und es einzusperren. Wenn Sonnenschein war, ließen sie sich auf einen Edrwall nieder und aßen: Pelle und Lasse Frederik wetteiferten, Kraftkunst- stücke in dem welken Grase zu machen, und Ellen suchte nach Wintcrzweigen, um ihr Heim damit zu schmücken. Auf einem der Ausflüge kamen sie über eine sumpfige Strecke, wo Weidengestrüpp wuchs, dahinter erhob sich das Ackerland. Sie folgten den Feldwegen aufs Geratewohl und kamen an ein unbewohntes, etwas verfallenes Haus, das mitten auf dem ansteigenden Land lag mit einer Aussicht über Kopenhagen . Es war von� einem großen, zugewachsenen Garten umgeben. Auf einem alten, morschen Brett stand: Zu vermieten! Aber an wen man sich zu wenden hatte, stand da nicht. Genau so ein Haus wünschst Du Dir ja," sagte Ellen. Pelle war stehen geblieben. Es könnte nüch interessieren, es innen zu sehen," sagte er.Ten Schlüssel kriegt man sicher dort oben im Gehöft." Lasse Frederik lief nach dem alten Bauernhof, der ein wenig mehr landeinwärts auf dem Gipfel eines Hügels lag, um zu fragen. Nach einer Weihe kam er in Begleitung des Hofbesitzers selbst zurück. Es war ein bleicher, übernächtiger junger Mann, der einen aufrecht stehenden Kragen trug und eine Zigarre rauchte. Das.Haus gehörte zum Hiigelhoß und war als Alten- teilerwohnung für die Eltern des jetzigen Besitzers gebaut. Die alten Leute hatten den putzigen Einfall gehabt, es