Nnterhaltungsblatt des vorwärtsNr. 192.Donnerstag, den 3. Oktober.1912(NachdruS tecDoten.)31]pcllc der Eroberer.Von M. AndersenNexö. Uebersetzt von Mathilde Mann.„Dann nchme ich.ihr Anerbieten mit Dank an," erwiderteMarten.„Das wird eine große Erleichterung für mich fein.Wenn sie den Umzug nur aushalten kann! Nicht, daß siemir noch Sorge macht, wir loben vorzüglich miteinander.Johanne ist gut und fügsam, wirklich ein prächtiges Kin'd, soniitgenommen sie auch ist. Ihr werdet keine Schwierigkeitenvon ihr haben. Aber ich glaube, es wird für sie gut sein, hiervon mir wegzukommen, dahin, wo eine Hausfrau ist und woKinder sind. Mit der Pflege ist es ja auch nur soso lala!"Sie gingen zu ihr hinein, sie lag da und schlief; aufihrem bleichen Gesicht saßen große Schweißperlen„Das ist-die Erschöpftmg," flüsterte Mörlen,„sie hat noch nicht vieleKräfte." Ihre Anwesenheit machte ihren Schlaf unruhig, siewarf sich hin und her; plötzlich schlug sie die Augen auf undstarrte mit einem Ausdruck wahnsinniger Angst um sich.Dann erkannte sie sie wieder uird lächelte. Sie richtete sichein wenig aus und reichte Pelle ihre beiden Hände mit einementzückten Ausdruck kindlicher Kvketterie.„Erzähl' mir was von dem Halts da draußen und vonSvend Trost," sagte sie und machte ihm Platz auf dem Randedes Bettes.„Ich liege hier und langweile mich, und HerrMarten ist so ernsthaft." Sie sah ihn herausfordernd an.„Ist er so ernsthaft?" sagte Pelle.„Das kommt wohldaher, daß er Bücher schreibt."„Nein, aber man muß ein bißchen auf seine Würde halten,"sagte Morien und setzte ein drolliges Schulmeistergesicht auf.„Das kleine Fräulein sängt nn, ein wenig keck zu werden.".Johanne lag-da voll inneren Lächelns und ließ die Augenvon dem einen zu dem anderen hinüber wandern.„Er sollteeine Brille auf der Nase lwbett, dann sieht er leibhaftig so aus,"sagte sie. Sie sprach halbflüsternd, weiter reichten ihre Kräftenicht; aber die Stimme war warm vor Uebermut.„Du mußt lieber mit zu uns kommen." sagte Pelle,„wenn es so schlimm ift.� Tann kannst Du mit den Kindernspielen und im Garten im Sonnenschein liegen. Du kannstmir glauben,, da ist es jetzt schön! Ja, es ist wirklich meinErnst," fuhr er fort, als sie noch immer lächelte.„Ellen hatmich hierher geschickt, um es zu sagen."Sie wurde plötzlich ernsthast und sah eine Weile baldPelle, bald Marten an. Dann schlug sie die dunklen Augennieder.„Kommt Marten auch mit hinaus?" fragte sie mitabgewandtem Gesicht.„Nein, ich muß ja hier bleiben, Johanne. Aber ich kommehinaus und sehe mich nach Dir um."„Jeden Tag?" Sie lag der Wand zugekehrt und kratztemit den Nägeln an der Tapete.„Ich werde mich schon nach meinem kleinen Schatz um-sehen, so oft ich kann," sagte Marten und strich ihr über dasHaar.Sie errötete bis über den Hals, das Blut schwoll in einerplötzlichen Welle an und wurde unmerklich in die Bleichheitder Haut eingesogen, wie eine ersterbende Glut. So kamund ging auch Hannes Blut bei einem guten Wort; sie hattedie Schämigkeit der Mutter geerbt und ihren unsagbarenLiebreiz. Und auch ihren launenhaften Eigensinn.Sie lag stumm da, den Rücken ihnen zugewandt und ant»wartete nicht auf ihre Ueberredungen. Es war nicht gut zusagen, ob sie sie überhaupt hörte. Aber plötzlich wandte sieMarten das Antlitz mit einem gehässigen Ausdruck zu.„Tubrauchst Dir nicht so viel Mühe zu machen. Du sollst michschon los werden," sagte sie. Ihre Augen» brannten ihmentgegen.Marten sah sie nur betrübt an. aber Pelle wurde böse.„Du sollst Dich schämen, es so aufzufaflen," sagte er.„Dasist nun Martens Dank für alles! Das will ich Dir doch sagen.Du bist, weiß Gott, kein dankbares Gemüt!"Hanne lag da und nahm die Schelte hin, ohne eine Mienezu verziehen. Als er schwieg, nahm sie schweigsam seine Handund legte sie über ihr seines, spitzes Gesicht, sie verdeckte esganz. Sie lag da und lugte zu ihm und Morien hinüber,durch die großen Finger hindurch, mit einem wunderlich reisig-mertm Ausdruck, der schelmisch sein sollte.„Ich weiß rechtgut, daß es häßlich war," sagte sie ausdruckslos und führtePelles Mittelfinger vor ihren Augen hin und her, so daß sieschielen mußte.'„Aber ich will schon tun, was Ihr sagt. Elle-Pelle, Morten-Porten, ich kann die P-Sprache sprechen!" Sielachte verzweifelt.'„Du sollst sehen. Du wirst viel gesünder und fröhlicherwerden, wenn Du zu Pelles hinaus kommst," sagte Marten.„Ich kann sehr gut aufstehen und die Arbeit im Hausetun, so daß Du die Frau sparst," flüsterte sie und richtete diegroßen Augen hastig aus ihn.„Ich bin jetzt gesund genug!"„Aber liebes Kind, so ist es gar nicht gemeint! Es ge-sicheht ausschließlich um Deiner selbst willen, begreifst Dudenn das nicht?" sagte Marten eindringlich und beugte sichüber sie.Aber Johanns ließ ihren Blick hoffnungslos umherschweifen, als habe sie es ausgegeben, je wieder verstandenzu werden.„Ich glaube, wir dürfen sie nicht gegen ihren Willen ver-pflanzen," sagte Marten, als er Pelle hinaus begleitete.„Sieist so unberechenbar in ihren Launen. Ich glaube übrigens,ich würde sie auch entbehren, sie ist eine gute, kleine Seele.Wenn sie auf ist, schleicht sie in den Zinnnern umher undkann rührend sein in ihrem Bestreben, es mir gemütlich zumachen. Und dann plötzlich können Erinnerungen von damalsin ihr auftauchen und ihren Sinn verdunkeln. Sie ist nochsehr mißtrauisch und ängstlich, jemand zur Last zu liegen.Aber sie hat weiblichen Verkehr nötig, jemand dem gegenübersie sich so recht vertraulich aussprechen kann. Sie hat zu vielmit sich herumzutragen für ein Kind."„Könnt Ihr nicht beide zu uns hinaus ziehen? Ihrkönnt die beiden Zimmer oben bekommen."„Das wäre eine Idee! Darf ich nur die Sache noch einpaar Tage überlegen? Grüße auch Ellen und die Kinder!"13.Wenn die Werkstatt geschlossen war. arbeitete Pelle in derRegel noch eine oder zwei Stunden im Läden, brachte dieBücher in Ordnung und richtete die Arbeit für den nächstenTag ein, wahrend er die Kunden bediente. Kurz vor 6 Uhrschloß er den Laden und sprang aus das Rad; er sehnte sichnach Hause, nach seinem Nest und trat die Pedale kräftig.Und alle die anderen schienen ebenso zu denken wie er.Es lag ein eigenes Bestreben, nach Hause zu gelangen, überden ganzen Straßenverkehr. Die Radler umschlossen ihn inganzen Schwärmen, sie jagten in Scharen vor der Elektrischenher. Es sah so aus. als schiebe sie sie von den Schienen weg,indem sie sich mit ohrenbetäubendem. ummterbrochw.«em Ge-klinge! vorwärts stampfte, stark schaukelnd unter dem Gewichtder überfüllten Perrons.Scharen von Männern und Frauen waren auf dem Wegenach draußen und oegegpeten anderen Scharen, die ihr Heiman dem entgegengesetzten Ende der Stadt hatten. Da draußenkrähten die Fabrikpfeifen wie ein Chor von Riesenhähnen, eineinzelner stimmte an, und plötzlich siilen alle ein. RussigeArbeiter ergossen sich aus den Torwegen, Bierflaschen in denRocktaschen»md das Essenbündel an einem Finger baumelnd.Frauen, die von der Arbeit kamen oder auf Einkäufe aus-gewesen waren, standen mit dem Korb am Arm da und er-warteten ihre Männer an der Straßenecke. Kleine rotznäsigeGören trippelten Hand in Hand dalrr. erblickten plötzlicheinen Mann mitten drin im Gewimmek und fingen» an zulaufen, um ihm um die Beine zu fallen.Schwester lief in der Regel ganK über die Felder hinab,um den Voter zu empfangen, und in der Gartenpforte derMorgendämmerung stand Ellen und wartete.„GutenTag, Herr Fabrikant!" rief sie ihm entgegen: sie fand jetztGenugtuung für so vieles und gliihee vor Gesundheit undGlück. Es nützte nichts, daß Pelle protestierte und geltenldmachte, daß es in seiner Welt nur Arbeiter gäbe; sie hielt festan ihrer Benennung. Er war es doch, der das Ganze leitete.die Genossenschaft war ihr ganz einerlei. Sie war stolz aufihn, da konnte er sich ihretwegen Laufjunge nennen, wem»