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Nun bin ich eine Prinzessin in ihrem ganzen Schmuck," I Wieder zwei Stunden im Hause unftein. Dort nach langem flüsterte fie und lächelte ihm zu, um dann im nächsten Augen- Warten vom Schatzmeister des Vereins Berliner Presse zum Chefblick das Ganze zu vergessen. Sie liebte den alten Mann sehr; redakteur Cuno der Morgenpost verschleppt, den meine Geschichte Er telephonierte mit zwei verlangte, daß er bei ihr fitzen sollte und nannte ihn mit Kollegen, auch mit Herrn Vollrath, Chefredakteur der Berliner einem traurigen Anlauf zur Schelmerei Großvater. Aber Boltszeitung, der scheint's Borsitzender des Pressevereins ist. Wie sie hörte nicht nach dem hin, war er ihr erzählte. Er konnte viel Unterstützung ich denn haben müsse? Behn bis fünfzehn Mark ruhig gehen, wenn die Kleinen herbeigeschlichen kamen und und nur als Darlehen. Nun, das könne man mir doch geben, sagte ihn zum Spielen mit aufs Feld hinaus haben wollten, fie Herr Guno ins Telephon. Er weiß von meiner Familie, frug nach bemerkte es nicht einmal. meinen schriftstellerischen Absichten und will die Aufsäße aus der
Ach, nichts vermochte ihre Kinderseele mit ihrem armen, Straßburger Post lesen. Es war wie die Vorbereitung zu großen geschändeten Leib zu versöhnen, weder Liebe noch Schmuck- Dingen. Mit einem Brief wurde ich ins Haus Mosse geschickt, wo Er ließ fie da und grübe in das Blaue hinein, an einem dünnen Faden wiederkommen. Am Nachmittag war Herr Vollrath nicht da, ausgefangen gehalten, der nur durchgeriffen zu werden brauchte. geflogen, verreist, wohl in die Pfingstfröhlichkeit. Wo ist mein Sie wurde mit jedem Tag durchsichtiger, das sah man jett Darlehen? Ich wollte ja nur zehn Mark und die Wohltäter haben deutlich, wo sie die anderen Kinder neben sich hatte. Die teine Zeit, feine Beit!
gegenstände. Es war, als efle ihr vor ihrer Hülle, als stünde Herr Vollrath sein radikal- demokratisches Blatt leitet. mich nicht vor. Er habe keine Zeit. Ich solle am Nachmittag
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Tagebuch
eines entlaffenen Sträflings.
Bon Hans von Glümer.
28. Mai.
faßen und gediehen für sie mit! Wenn Ellen nicht acht gab, Gestern stellte ich mich bei dem Verlag Otto Elsner vor, die fam Svend Trost herbei getrippelt und aẞ Johannens auf der Liste der wenigen Firmen steht, welche Schreibstubenfräfte Krankenfost auf, obwohl er, weiß Gott , nicht zu hungern übernehmen. Man bestätigte mir dort, daß die Firma durch Aufbrauchte! Johanne selbst sah ruhig zu, das Ganze war ihr helfen Entlaffener sozial wirken will. Sie zahlt einen Taglohn von 2,50 Mart, der wöchentlich mit fünfzehn Mark zur Auszahlung so gleichgültig. ( Fortsetzung folgt.) tommt und unter Verfügung und teilweisen Abzügen des Fürsorgebereins bleibt. Die Sträflingsfürsorge dieser Firma scheint mir ein Mittel zu billigen Bureaufräften und anspruchslosen Subjekten. Es wird kaum großen Zived haben, daß mein besonderer Bewerbungsbrief an Otto Elsner seine soziale Mission tihelt. Ich habe ihn nach dem Besuch geschrieben und den Brief in fein säuberliche Buchstaben gesetzt. Denn der Buchstabe ist alles bei diesem Bemühen ums Brot. Die Firmen verlangen nicht Geist oder kaufmännisches Können, sie wollen Handschriften. Das ist ganz deutsch . Aber mein Brief ist doch kein talligraphisches Kunstwerk geworden. Meine Schrift ist schön geschrieben nicht flott, und flott geschrieben nicht schön. Meine Schrift ist immer ein Stimmungsbild gewesen. Das Zittern meiner armen Seele geht bis in die Fingerspihen. Longinus , der Haudegen, hat eine Handschrift, die wie gestochen ist. Er schreibt eine Viertelstunde an zehn Adressen, aber die sind gut. Longinus hat heute Stellung als Schreiber gefunden, gleichfalls gegen fünfzehn Mark Wochenlohn. In meinem bösen Zustand habe ich mit dem Schreibstubenauffeher Boll Streit gehabt. Als Schreibmaschinenwochenlohn gab es 1,65 Mark. Ich gehe hungernd zu Bett, um für die Festtage noch ein paar Groschen zu retten. Pfingstmontag ist der Lehte. Ich habe mir vom Fürsorgeverein einen Schein für Schlafherberge schreiben lassen und tomme zu der Here in der Urbanstraße, die Longinus so hoch gepriesen hat. Mein Bimmer ist rechtzeitig gekündigt. Auf dem Heimweg zur Husfitenstraße lag vor der Wiesenburg "( Männerasyl am Wedding ) ein Betrunkener und schlief. An der verschlossenen Gittertür hing eine Tafel" Das Haus ist überfüllt und kann daher niemand mehr eingelassen werden". Der Betrunkene hat es besser als ich.
Mittags antichambrierte eine Stunde im Zeitungshause Ullftein. Dann tam der Schahmeister des Vereins Berliner Presse, Herr Bernhard, und hörte meine Geschichte. Ich mußte fie im Flüstertone erzählen, denn es war in einem Warteraum, wo die Bediensteten umherstanden und andere Leute ab und zu gingen. Redakteur Bernhard ist ein freundlicher, lebhafter Herr. Ich darf morgen wieder zu ihm kommen.
In der Schreibstube geschehen feine besonderen Dinge. Begirlsfeldwebel Bad freut sich an stundenweisen Aushilfestellen als Sonntagstellner und Laternenputzer. Butras besuchte die Kolonie Hoffmannstal und kam hoffnungslos zurüd. Ich würde dort sicher aufgenommen, meint er, weil ich adelig bin. Der junge Reichert war ein paar Tage beim Adressenverlag Schustermann und erschrieb pro Tag sechzig Pfennig. Er hat eine schöne und rasche Handschrift. Das Adressenbureau duldet keine Mittagspause. Reichert wollte wieder bei uns anfangen, wurde aber zurückgewiesen. Wer das Dorado der Adressenbureaus verschmäht, hat auf die Entlaffenen- Schreibstube keine Anwartschaft mehr. Reichert will nun ein eigenes Geschäft gründen, auf der Friedrichstraße , als Ansichtstartenverfäufer. Dazu ist ein Kapital von dreißig Mark nötig, als Raution an den Kartenverlag, der 1,50 Mart als Tagesfigum und Provision gibt: werktags 12% Proz., Sonntags 15 Proz. Ein Neuer ist noch zu uns gekommen, Herr Gnade, Bourgeois- Figur, genährt, anständig gefleidet, die Vergangenheit in Diskretion ge hüllt, hat irgendwelche Rentenbezüge und legt feinen Wert auf Schreibstubenarbeit. Seine Ruhe reigte heute Freund Longinus . Er wollte gleich kontrahieren.
Sind Sie fatisfattionsfähig?" Jawohl!" Wieso?"
Beutnant zur See der Matrosenartillerie Kiel."
"
Pfingstsonntag, 30. Mai.
Heute war ich nicht aus dem Haus, auch nicht in der Boltsfüche, die Festtags das jammervollste Gepräge hat, zumal wenn man einen schwarzen Schwalbenschwanzanzug am Leibe trägt, der noch eines vornehmen Lokales würdig wäre. Mein Mittagessen, auf der Wirtin Spiritusfocher zubereitet, bestand in altem Gries mit dem letzten Maggiwürfel gewürzt, einem Rest kondensierter Milch nebst Brotabfällen. Ich habe gepadt und Manuskripte geordnet.
Zum legtenmal Huffitenstraße, Pfingstmontag.
Frau Schüttler, der Zimmerwirtin, schulde ich sieben Mark für Frühstück und einige Abendbrote. Um in Ehren von der alten " Das ist mir zu wenig," sagte Longinus , ich bin Leutnant Frau zu gehen, machte einen letzten Bersuch bei meiner Frau des Leibgrenadier" und so weiter. Der Fall war eriedigt. Schwägerin. Sie verweigerte das Darlehen, auch gegen meinen Von mir ist ein Stüdlein zu berichten, das vielleicht den Staats- gefüllten Reiseforb als Pfand, ließ das Monatsgehalt ihres Mannes anwalt interessiert. Ab und an tommen gewesene Schreibstuben- in Goldmünzen vor mir flingen und glänzen und lachte dazu. Für schüßlinge und erzählen ihre Erfolglosigkeiten. Es ist immer eine meinen goldenen Ring hat sie dann doch eine Mark fünfzig herTeine Wolluft zu hören, daß es auch andern schlecht geht. Immer gegeben. Armes Ringlein, wie schmerzhaft bist du. Bei der ist es dasselbe Bild: daß einer nur durch Lug und Trug wieder Schwägerin habe die notwendigsten Sachen in Sicherheit gebracht Hochkommen kann, durch Vertuschen und Berfälschen seiner Ver- und gehe nur heimlich aus der Hussitenstraße 34, den gepadten gangenheit. Da tam neulich auch einer und setzte ein Bapter in Korb hinterlassend und die Schlüssel zu Korridor und Haus. Frau meine Schreibmaschine, das unbeschriebene amtliche Formular einer Schüttler schreibe aus Berlin S einen gönnerhaften Brief, daß ich Eisenbahngesellschaft. Daneben legte er das Original. Ich möchte in den Strudel einer lustigen Gesellschaft geriet, mit Schreden es doch abschreiben. Jm Original war radiert. Die Jahreszahl. bemerke, die Schlüssel vergessen zu haben, die alte Dame nicht Sehr schlecht radiert. Man kann dieses Originalzeugnis teinem nächtlings stören möchte, zudem morgen früh abreisen müsse, meine Menschen vorlegen, der Augen hat. Man muß ein neues machen. gute Schwägerin werde alles usw. So verkauft man sein bißchen Ich wollte nicht. Da sagte der andere etwas von Frau und Kind Wahrhaftigkeit um 7 Mart. Im Polizeirevier der Hussitenstraße und fah hungrig und heruntergekommen aus. Er legte fünfzig bin ich auf Reisen abgemeldet. Pfennig neben die Schreibmaschine. Und die Schreibmaschine Am Abend, Berlin S., Urbanstraße. schrieb. Der Inhaber des neuen Zeugnisses brauchte nur noch die Mit dem Ausweis des Fürsorgevereins und im Schwalbers Unterschrift au fälschen, um wieder zu Brot und Ehren zu kommen. schwanz anzug hielt ich Einzug bei Frau Müller, Inhaberin einer Gs wäre so leicht, zu sagen, daß ich die fünfzig Pfennig zurüd- Schlafherberge des Vereins zur Besserung der Strafgefangenen. gewiesen habe. Mein Feind würde es mir glauben. Ich habe sie Ein gutes Kleid wirkt stets erstaunlich, wenn es sich beim Elend genommen. Das ist die größte Gemeinheit meines Lebens. Ich heimisch machen will. Gute Kleider sind immer hochmütig und wenn faufte mir in der Volksküche eine Extraportion, und Kaffee und sie nicht mehr hochmütig sein dürfen, wandern sie ins Bersazamt. Kuchen für eine Frau vom fünften Stand.
29. Mai.
Es ist heute Pfingstfamstag. In der großen öden Stadt grüßen and duften Maien und Kalmus. In mir ist nichts vom heiligen Geist dieses Festes. Ein überaus häßlicher Tag liegt nun im Schatten der Nacht.
Frau Müller machte fast erschreckte Augen. Sie sieht aus wie die bere im Märchen, ein vertrocknetes Figürchen, das graue Geficht in Galter gehüllt und die Blicke so scharf und spiß, daß man sie beinahe wie einen Stich am Leibe spürt. Doch will sie besser scheinen als ihr Ruf und macht meinem Anzug und höflichen Aufzug freundliche Miene. Wir reden von Longinus und Wangen , Longinus