sei ein Lump, saßt sie, der schon in der ersten Nacht LaS schöne Bett versudelte. Mit den Wanzen wäre es nicht schlimmer als anderSwo. Herr Neckes, der Bureaudirigent, hätte gelacht und ge- sagt, in Berlin find Wanzen hossähig und in hochherrschaftlichen Wohnungen, lleberhaupt Herr Neckes, das ist ein Mann, der ar- beitet mit dem Herzen, ja mit dem Herzen, sagt sie dreimal. Der kennt seine Leute und sie kennt er auch. Bei ihr wäre schon gut wohnen. Ein Mann mit zehn Jahren Zuchthaus habe viele Monate bei ihr gewohnt und gut bezahlt, als er Arbeit hatte. Der schriebe ihr jetzt noch Briefe. Und ich tue schön mit Frau Müller, wie man es lieht, wenn man vor einem Drachen und ohne Waffen ist, rede von meinem gefüllten Schließkorb, von Arbeit und von Geld; sie klopft mir die Schulter, ich bekäme einen Hausschlüffel, dürfe die Lampe benutzen und brauche die Schuhe nicht selbst zu putzen. Das Zimmer ist ein sauberer Raum mit zwei Betten. Es hat sogar ein Sopha. Mir ist wohl und leicht, ich mutz es sagen. Der Staat sorgt ja für mich. Durch Volksküchenlost, Schreibstuben- arbeit und Herbergssorglosigkeit. Es kann hier schön wie im Gefängnis werden-. Ich will Herrn Zoll morgen um Verzeihung bitten. Fast ist mir, als ob ich noch heimisch werden könnte in Berlin . (Schlutz folgt., vie Zitcl unserer Parteipresse. Wie ein kurzer Blick auf die deutsche sozialdemokratische Presse zeigt, überwiegen durchaus die Tilel, in denen das Wort.Volk" vorkommt.„Volkszeilung" ist bei weitem der häufigste Name, er kommt an die zwanzigmal vor. Auch„Volksblatt" nennen sich ein gutes Dutzend unserer Zeitungen, und wenn man dazu noch je ein halbes Dutzend.Volksstimmen" und„Volksfreunde" lowie ein paar .Bolksboten",.Volkswachien",„Volkslribünen" und einen„Volks- willen" zählt, so erhält man über fünfzig Vertreter der„Volks"- Presse, das sind gut drei Fünftel unserer gesamlen Tagespresse. Die paar„Arbeiter-Zeitungen" und eine„Arbeilerstimme" verschwinden dagegen völlig, ganz zu schweigen von den Blättern mit farblosen. farblos gewordenen oder gar irreführendem Titel. Ein solcher ist heute derjenige der„Bllrger-Zeitung". Daneben kommen noch vor: »Zeitung",„Freie Presie",„Tribüne",„Echo",„Post",„Abendblatt ", „Tagwacht",„Tagespost " und„Vorwärts". Einen„Sozialdemokrat" gibt es nur noch als Monatsblatt in Bremen , gewissermaßen ein Gegengewicht gegen den Titel der„Bremer Bllrger-Zeitung". Auch der„Volisstaat" ist verschwunden und noch io mancher andere schöne Titel. Aber sehen wir einmal nach, woher unsere heutigen Titel eigentlich stammen, wann und unter welcher Fahne sie zuerst auftauchten. Einen Ehrenplatz verdient der Name„Volksfreund So taufte Marat seine radikale Tageszeitung, die er im September l78S gründete. Ein gleichnamiges Blatt tauchte dann in der Februar- revolulion auf, zugleich mit einer„V 0 l k S st i m m e" ldie es alsbald auch in Berlin gab), einem„Freien Arbeiter" und den„VolkStribunen ", die gleichfalls schon in der ersten Revolution den„VolkStribun" zum Vorläufer gehabt hatten, während man in Deutschland die Form „Tribüne" vorzog. 1831 gab Wirth die. Deutsche Tribüne" heraus. Der erste sozialdemokratische.Volksfreund" war dann der 1871 in Braunschweig gegründete; der erste deutsche überhaupt dagegen der„Frankfurter Volksfreund", der mit Lassalle sympathisierte. Die„Volks'-Presse hat im Grunde freilich ein noch viel älteres Vorbild. Cäsar lieh zur Ergänzung der„EenalSakten" noch ein „Tageblatt deS römischen Volkes" herausgeben, die ilcta diurna publica populi Rornani, die allerdings.nicht zur Aufklärung, son« oern zur Etnseisung des Volkes bestimmt waren. Die erste deutsche „VoltSzeitung" scheint nicht die Berliner „Urwähler-Zeitung" von 1849 gewesen zu sein, die, von Hinckeldey unterdrückt, im April 1853 unter jenem Titel wieder auslebte, sondern die in Baden noch während der Revolution gegründete„Deutsche Volkszeitung". Ein „Freies deutsches V 0 l k S b l a t t" gab 6. Huhn 1849 ein paar Wochen lang heraus. Aber schon 183« erschien in Cincinnatt ein „VollSblatt". Bor und nach den 80er Jahren wuchsen dann dte sozialdemokratischen.Volksblätter" heran, zwischen ihnen daS ,Ber» liner Volksblatt" von 1884, das 1891 zum„Vorwärts" wurde. Ein VoUS-Taschenbuch„Vorwärts" gab Robert Blum seit 1843 heraus. Der Leipziger „Voltsstaat" und der Berliner „Neue Sozial- demokrah" von 1871 waren 1876 zum Leipziger „Vorwärts" verschmolzen worden. Der erste„Sozialdemokrat", erschien im Dezember 1864 unter Schweitzers Leitung. Der erste„Volks- böte" ist wohl der Dresdener von 1871 gewesen.(Die„Boten" gehören neben den„Relationen",„Zeitungen" uiw. zu den ältesten Zeitungstiteln überhaupt, schon im 17. Jahrhundert gab e» solch«, allerdings mit dem Fremdwort„Courier" bezeichnet. 1771 erschien der„Wandsbecker Bote ", schon 1762 wurde in Philadelphia der „Pennsylvanische Staalsboote" gegründet). Die Geschichte der sarbloieren Titel wie„Zeitung",„Post". „Echo" usw. interessiert uns weniger. Eine„Freie Presse" gab eS bei uns seit 1871, wo das Chemnitzer Blatt dieses Namens erschien. dem 1876 die Dortmunder und die„Berlmer Freie Presse' folgten. Die Wiener„Freie Presie" war 1863 gegründet worden und gab wohl den Titel her. Die„ A r b e i t e r"-Zeitungen sind fast alle erst nach dem Sozialistengesetz aufgetaucht. Unter den im Inlands damals verbotenen Zeitungen befindet sich nur eins„Meck- lenburgifch-Pommeriche Arbeiterstlmme" in Rostock ; wohl aber gab es damals in Reichenberg sBöhmen) und London einen„Arbeiter- freund", in Zürich eine„Arbeiierftimme". in Budapest eine„Arbeiter- Wochenchronik' und in Chicago eine„Arbeiterzeitung", von denen das Londoner . Züricher und Budapester Organ jüdisch-deutsch waren. Außerdem erscheint seit 1871 in Tiflis merkwürdigerweise ein armemsch-nationalistischeS Blatt„Der Arbeiter"(„NscbaK"). „Pro letarier" gab es z. B. in New Dork und Paris , während das Münchener Blatt dieses NamenS schon Anfang der siebziger Jahre wieder eingegangen war. Gegenwärtig gibt es nur noch den „Proletarier aus dem Sulengebirge" in Langenbielau . Die„Bürger-Zeilungen" haben ibre Ahnen natürlich in der Revolution. Tallien redigierte einen„Ami des Citoyens1' jBurgerfreund). Damals erschien auch eine Art„Bauernzeitung" („ckouraal des Laboureurs"). Eine Verbindung von beidem brachte der 1871 in Crimmitichau gegründete„Bürger- und Bauernfteund". Von 1881—87 hieß das Hamburger Parteiblatt„Bürgerzeilung", und dem Sozialistengeietz fiel auch die„Hessische Bürger-Zeitung" in Darmstadt zum Opfer, gerner verschlang das Schandgesetz in» Laufe seiner Existenz u. a. vier„Volkszeilungen"(Bremen . Dresden , Gera , Hohenstein), sieben„Bolksfteunde"(Braunichweig, Kassel , Leipzig , Lichtenstein. Offenburg , Wilhelmshaven , Würzburg ), vier „Freie Pressen"(Berlin , Köln , Leipzig , Steinach ), drei„Bolls- stimmen"(München . Breslau . Barmen-Elberield) und nicht weniger als dreizehn„Volksblätter"(Karlsruhe , Mannheim . Sonneberg , Berlin , Siraßburg, Kasiel, Königsberg , zwei in Hamburg-Altona , vier in Leipzig .) Sehen wir von der Tagespreffe ab, so bleiben noch die Titel der„Neuen Zeit", der„Neuen Welt", der„Gleichheit" und der „Arbeiter-Jugend". Dieter letzte ist wohl der originalste von allen unseren Titeln, schon weil die Sache, der das Blatt dient, die Arbeilerjugendbewegung, die jüngste ist. Eine„Arbeitende Jugend" war übrigens ihr unmittelbarer Vorläufer. Der„Gleich« h e> t" ging 1886 Viktor Adlers Wochenschrift gleichen NamenS voraus. Schon 1877 halte Guesde eine„Egalite" gegründet, die aber auch nicht die erste ihres Namens war. Ovwohl die„Gleichheit" sicherlich schon em Titel in bürgerlichen Revolutionszeiten war. hat unsere Zeitschrift als Frauenzeitschrift ihm eine ganz neue und be- sondere Bedeutung gegeben. Die„Neue Welt" bat die der- schiedensten Ahnen, z. B. ein katholisches Familienblatt„Alte und Neue Welt" von 1866 oder die„Revue des deux Mondes "(etwa: Rundschau beider Welten) von 1831. Den„Times" von 1788 folgten einige Jahrzehnte später in Deutschland die„Zeiten", 1857 gab R. Gottschall„Unsere Zeit" heraus; 1368 erschien die„Nbivojs Wremja"(Neue Zeit) in Petersburg , und auf dem Umwege über eine Zeitschrift„Die neue Zeit", die von 1869 bis 71 in sechs „Freien Heften für vereinte Höherbildung der Wissenschaft und des Lebens" in Prag erschien, kam der Titel zu unserem 1883 ge- gründeten Organ. Eine„Rys Tyd" hatte die Partei aber schon vor- her in Chicago . Im ganzen zeigt unsere natürlich keineswegs erschöpfende Uebersickt, daß fast alle Titel unserer Parteipresse bürgerliche Bor« läuser haben und daß die meisten unserer Blätter noch heute biirger- liche Namensvettern besitzen, Auch in der anspruchslosen Sachlichkeit der demichen sozialdemokratischen Zeitungstitel von heute spricht sich der Gegensatz unserer Bewegung gegen frühere, bürgerliche Emailzi- pationsbewegungen aus..Oppositionsblatt" war zuzeiten der bürger- lichen Opposition noch ein zahmer Titel. Desgleichen der„Demo- trat", der„Radikale",„Schild und Schwert",„Opposition für Volk und Recht", das„Panier des Fortschritts" usw. Daneben brachte daS Jahr 1848 aber auch Blätter mit Titeln wie die„Barrikade", der„Berliner Kralehler", der„Obnchose", daS„Berliner Großmaul" uiw. So hetzerische Titel würden unserer Parteipreffe als „grober Unfug" ficher schlecht bekommen. Scbacb. Unter Leitung von S. Alapin. Weiß zieht und gewinnt.
Ausgabe
29 (5.10.1912) 194
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