terer Menge finden sie sich nur bei Konstantinopefi zerstreut be- sonders in Thrazien ansässig. Italiener , spanische Juden, Armenier, Tataren(in der rumänischen Dobrudscha) und Zigeuner vervoll- ständigen das ethnographische Bild, kommen aber weder an Zahl noch an Bedeutung den übrigen Elementen gleich. Die Erschöps-ung der kriegerischen Kraft und politischen Macht der Türken seit dem Frieden von Karlowitz , 1699, führte im Verein mit dem Erstarken ihrer großen christlichen Nachbarstaaten dazu, daß allmählich die christlichen Völker der Türkei zur Staatenbildung chrittcn. Dabei ergab sich natürlich die Schwierigkeit, die politi- chen Grenzen der Staaten mit den Nationalitätsgrenzen in Ein- klang zu bringen, und unmöglich war das dort, wo die Nationen durcheinandergewürfelt saßen. Dabei kollidierten nicht allein die Ansprüche der neuen christlichen Balkanstaaten mit den Interessen des türkischen Reiches, sondern auch untereinander. Besonders große Gegensätze, die schon aus vortürkischer Zeit datieren, bestehen zwischen Bulgaren und Griechen, die mit den Waffen der Schule im türki- schen Mazedonien gegeneinander kämpfen, jetzt aber doch gemeinsam gegen die Türken Front machen. Die serbischen Schmerzen gleichen denen Bulgariens und werden dadurch verschärft, daß dem König - reich Serbien der Anteil am Meere fehlt. Sie könnte aber nur Oesterreich wirksam lindern; aus der Haut der Türkei sind für die Serben keine großen Riemen mehr zu schneiden. Jetzt sieht nun die europäische Türkei einer von allen Seiten angenagten Ruine ähn- lich; sie hat in den Nationalitätenikämpfen der Balkanhalbinsel nur noch zu verlieren, nichts mehr zu erhoffen�. I�eue GrzählungöUteratur. Hary Frank: Als Vagabund um die Erde.(Verlag Rütten u. Löning, Frankfurt a. M.) Die nicht spärliche Literatur der Globetrotter- und Vagabundenbücher hat der jndisch-amerikanische Student Frank durch diesen ungeschminkten Bericht eines abenteuer- lichcn Wanderjahres um ein Buch voll praktischer Anregungen und interessanter Betrachtungen vermehrt. Besonderen Wert gewinnt der dickleibige Band durch die wirklichkeitsgetreue Schilderung sozialer und proletarischer Verhällnisse, in die Frank in seiner MaSke als Landstreicher überall klaren, ofi schmerzlich klaren Einblick gewann. Der Versafler unternahm die Weltreise, um den Nachweis zu liefern. daß ein gesünder, vorurteilsfreier Mann auch ohne Geld sich auf- machen könne, um die Erde, die fernen Länder kennen zu lernen. Seine Ausrüstung waren Sprachkenntnisse, arbeitswillige Hände und ein Kodak , der ihn freilich öfter in Lebensgefahr brachte, so als er den Friedhof in Damaskus und den Juggcrnauttempel in Puri knipsen wollte. Seinen Lebensunterhalt, die Mittel zum Transport hat er sich durch hartes Arbeiten im Abend- wie im Morgen- lande errungen. Da der Hauptzweck seiner Untersuchungen den Lebensbedingungen der armen und ärmsten Schichten galt, hat er während der ganzen Reise keinen Versuch gemacht. über den Stand eines gewöhnlichen Arbeiters hinaus anderen, sozusagen bürgerlichen Verhältnisien zuzustreben. So war er nach- einander Matrose, Viehhirte, Ziegelstreicher, Gärtner. Sekretär eines griechischen Patriarchen in Kandy , blinder Passagier auf englischen Transportdampfern. Bettelbriesschreiber zu Füßen Otto Pias, des Meisters der deutschen Bettelbrieffchreibergilde in Kairo . Stromer und Freigast in den Gordongärten von Ceylon, siamesischer Söldner in den Dschungeln, Plantagenkuli auf Baumwollfeldern Amerikas und Reisfeldern Japans . Einzelheiten des Weges überließ dieser freiwillige Proletarier der Landstraße dem Zufall und besonderen Umständen. Die brachten ihn zu berühmten Stätten, ebenso oft in stille Weltwinkel, die dem Bädecker-Touristen und blasierten Welt- reisenden stets unbekannt bleiben. Was Frank im einzelnen erlebte. litt, beobachtete, mag man selbst in dem Buche, das eine Stätte in deutschen Arbeiter- und Volksbibliotheken verdient, nachlesen. Die Quintessenz seiner sozialen Erkenntnis nach der Umreisung des Erd- balls als verachteter Landfteeicher und mittellos kämpfender Prole- tarier ist keine neue. Er fand eben überall das sorgsam aufgebaute und von Eisen und Gesetzesmacht behütete System der. kapitalistischen Wirtschaftsordnung, der Ausbeutung der Arbeit und der Unfreiheit der Produzenten. Die Halbkulturländer unterscheiden sich in diesem Brutaliiätssystem wenig von den Kulturländern. Auch der Bureau- kratenschimmel läuft den gleichen Trott in Japan wie in Hannover , der unsittliche Grundsatz: Besitz-gibt Recht treibt in Indien , im Lande der Pyramiden und im Lande der Mitternachtssonne dieselben ungeheuerlichen staatlichen und gesellschaftlichen Blüten, wie im deutschen Polizei- und Militärstaat. Felix Moeschlin : Der Amerikafahrer.(Sarasin, Leipzig .)"Mit diefem Baucrnroman reiht sich Moeschlin unter die Dichter, die die Papierpoesie, die enge, einseitige, ich-süchtige Literaten-Weltanschauung überwunden haben und fest im Leben, im brausenden, brandenden Leben der Arbeit, Entivickelung, Technik, wirtschaftlichen Umwälzungen stehen. Sein neuer Roman strotzt geradezu von lebendigen und wirtschaftlichen Problemen, und während Frank in seinem Reiseroman Geschautes nur notierte, ohne an soziale und wirtschaftliche Fragen wägend und theoretisch heran- zugehen, beschäftigt sich Moeschlin direkt mit den ins Leben greifenden Problemen, freilich nur in Illustration seiner Ansichten. Da kommt ein in Amerika auf skrupellose Weise reich gewordener Amerika - Johaim, ein erzschlechtcr, mit allen Wassern gewaschener Kerl, etwa das Musterexemplar der üblen Kreuzung aus �AmerikaniSmuS�»md knickeriger Bauernschlauheit in das hinterwelllerische und hintcrwäld- leriiche arme schwedische Heimatsdorf Aeppelfik zurück. Und zeigt den Bauern, daß das Dorf erblühen wirch wenn der Wald fällt. Er kauft ihnen Wald- und HolzreÄt ab st c kargen Kausschillina, baut einen Kaufladen im Dorf, verführt ihre Töchter und bringt so scheinbaren Segen, vielmehr Fluch aber als leibhaftiger Dämon der Zivilisation in die Niederungen altschwedischer karger Boden« beslellung. Geldgier, Kaufladcnanbetung, Fremdenindustrie und Schachergeist beginnen zu herrschen im Dorf, und die Dampf- säge zerschneidet den gesegneten Wald> t industrielle Bretter und Stücke. Der neue Bauer wird habgierig gemacht, pietätlos, so daß er seine alten eingesessenen und vererbten Volks» kunsterzeugnisse, gewebte bunie Decken, tüchtige Bauernmöbel, blei- verglaste Fenster, Trüben und Nationaltrachten völlig dahingibt, weil einAeppelsiker Bauernkulturverein" all dies alte Kulturgut als gewinnbringende Bauernkunst herausputzt. So schleicht sich die Korruption ins Dorf, nur ein paar alte kernige Charak'erköpfe bleiben unberührt vom Handelsgeist des Amerikasahrerö, von jenem Geist des Betruges, der sich mit der bodenständigen Arbeit des Bauers und seiner eigentlichen Mission nicht verträgt und den Bauer untauglich macht. Die beiden festen Alten, die sich vom Volkskulturverein nicht anfechten lassen, ihren Grundbesitz nicht dahingeben für momentanen Gewinn und treu der alten Tradition bleiben, zeigen der, ge- schädigten Gemeinde, daß Glück und Reichtum auS inneren und Bodenquellen stammen, daß alles andere nur Trug und Schein ist. Was im Buche auf schwedischem Boden vorgeht, könnte natürlich auch auf deutschem Boden geschehen, es ist ein klug geschriebenes Warnungs- und Ermahnungsbuch mit sozialem Ein- und Ausblick. Jacob Wassermann : Der goldene Spiegel. Cr- Zählungen in einem Rahmen.(S. Fifcher, Verlag, Berlin .) Der goldene Spiegel, ein kostbares Kleinod, soll dem geboren, der die beste Geschichte erzählt, und so ist ein Strauß von Verl chiedenartigsten Geschichten zustande gekommen, deren jede in ihrer Art als ein Musterbeispiel der Erzählungskunst bezeichnet werden darf. Wasser« mann hat sich in seinen bisherigen Büchern seit langem als ein feiner Kopf, ein Denker, der nicht an der Oberfläche haftet und vor allem als ein glänzender Stilist dokumentiert. Seine hier zu« sammengestellten Erzählungen tragen den Stempel aller der ge« nannten Vorzüge, sie find gleichsam ein Destillat aus Fabulierkunst, Formtalent, plastisch wirksamer und gefeilter Sprache. Bunte Romantik, pulsende Wirklichkeit, das farbige Reich der Abenteuer, bier blüht es auf und entführt den Leser durch die starke GestaltungS- kraft aus der Nüchternheit des Alltags. Alles wird Leben, und waS den Geschichten ihren besonderen Wert gibt: eS sind Tatmenschen, die innerhalb des vom Dichter geschaffenen Rahmens unser Interesse packen und feffeln. ES sind keine Roman- und Schreibttschgestallen, keine blutleeren Gespinste einer bleichin Phantasie, es sind blut» warme, in die Atmosphäre des Dichterischen gehobene Menschen, die hier mit Taten. Gedanken und Gefühlen in Aktion treten, an die das Erlebnis, das Abenteuer, das Schicksal herantritt. Aber was mir dies Buch einer Reihe von kunstvollen Erzählungen noch reizvoller macht, sind die Gespräche und Reflexionen, die der Zuhörerkreis nach jeder Geschichte an das Gehörte?siüpft. Hier erst zeigt sich Wassermanns psychologischer und philosophischer Geist und ich glaube, daß es ihm auch in der Hauptsache auf diese geschliffenen Argumente, diese Kulturäußerungen, diese Glossen und Rand» bemerkungen ankam I Da werden Handlungen und Empfindungen zergliedert, Meinungen ausgetauscht, wie sie Auatol France in seinem Pariser Salon mit seinen Anhängern über Leben und Menschen, Werke und Dinge der Natur auszutauschen pflegt; da wird der Salon der Romantiker und der französischen Encyklopädisten in das Buch verlegt. So gibt der goldene Spiegel nicht nur unterhaltsame Vorgänge, erfreut nicht nur durch die Reife seines DarstellungS- Vermögens, er gibt auch Anregungen, Bewegung des Geistes. Ein Kulturbuch im besten Sinne. Johannes Schlaf : Mieze. Der Roman eines freien WeibeS.(Georg Müller, München .) Johannes Schlaf , der einst mit Arno Holz die Fahne des Naturalismus vorantrug, auch den So» zialiSmuS auf i einem Programm hatte, ist inzwischen ein stiller, müder Mann geworden. Er hat das Kampshandwerk niedergelegt, aber das Dichterhandwerk will ihm auch nicht mehr so recht gelingen. Da« schlimmste, was einem Buche passieren kann, ist, wenn man nicht weiß, waS der Dichter eigentlich gewollt hat. Dieser Roman eines freien WeibeS kann eine Satire sei» auf daS freie Weib(eine sehr zahme und versteckte zwar), er kann aber auch diese Mieze ernst nehmen, dieses wetterwendische Geschöpf, daS nicht weiß, was es eigentlich will. Mieze ist Proletarierkind, schön natürlich und begabt; ihre Schönheit verschafft ihr im Handumdrehen den Millionärssohn der Stadt, aber die Ehe, die ihr an irdischen Gütern alles gewährt, macht sie nicht glücklich. Ist's das.Freie", was in ihr rumort, das ihr den Mann, die gesellschaftliche Stellung verekelt? Man merkt in Schlafs Gestaltung nichts von der Jndividuasität dieser Mieze, die in der Hauptsache als an, Geschick Leidende als eine Art Märtyrerin hingestellt w!rd. Ihre vreborgenen In- wendigkciten lassen sie den ersten Mann verlassen und mit einem Adligen durchgehen. Aber auch dieser und sein Dunstkreis ist nicht das, was dasfreie Weib" sucht. Mieze verläßt auch diesen und landet endlich bei einem stämmigen Gutsverwalter, mit dem sie in die neue Welt zieht und dort in Amerika eine Familie begründet. In der Art, wie Schlaf den Lebensgang dieser ganz molluSken und