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" Ja. Nach einem Duhend Nieten kommt doch wieder irgendein all diesen Fällen wurde die Naturform absolut überwunden. Und Schlager heraus, den der auswärtige Direktor bringen muß, um ähnlich steht es etwa um die Ornamentik asiatischer Gewebe, Wirkc den er sich eifrigst bewirbt. Gut, jagt der Wiener Berlegerdirektor, reien oder keramischer Gebilde. Sie alle zeigen die Naturforme bu sollst ihn haben. Aber dafür mußt du dich verpflichten, auch noch die und die Operette unseres Berlages zu bringen und mindestens soundso oftmal zu wiederholen." " Ach!"
" Sie sehen, es ist ein ganz einfaches Verfahren, unt schlechten Operetten einen Zwangskurs an der Bühnenbörse zu geben, tünstliche Werte zu schaffen und die Frage nach Erfolg oder Mißerfolg in seiner Wirkung aufs Geschäft bis zu einen gewissen Grade aus zuschalten. In der Kette der Maßnahmen schließt sich eisern Glied an Glied, und diese Kette soll mal einer durchbrechen! Das ganze Geschäft beruht auf diesem Zusammenhalt. Natürlich hat es nicht an Versuchen gefehlt, den Ring" au sprengen. Seit Jahren arbeitet der Berliner Verlag Sliwinski daran, einen Gegentrust zu bilden und in Wien ein Operettentheater für den Absah seiner Ware zu kaufen. Bisher vergebens."
" Hm, hm, offen gestanden: davon hab ich keine Ahnung gehabt. Taher also dieses Ueberschwemmen der Theater mit schofelsten Handwerksoperetten! Daher das Wiederauftauchen immer derselben Namen! Daher die Unmöglichkeit für andere, in Wien zu Worte zu kommen! Aber duldet denn die Kritik solche niederträchtige Zustände?" Sehen Sie, das kommt daher, daß die Operette in Wien jenseits der Kritik steht. Die Kritiker vom Fach besuchen sie nicht von Amts wegen. Das fällt gewöhnlich dem Herrn Lokalreporter zu. So können die Herren des Rings so ziemlich unbelästigt ihr Schäfchen scheren. Aus diesem Grunde kann ich Ihnen auch nur wenig behilflich sein. Man wird Sie mit meiner Empfehlung vielTeicht sehr artig empfangen, in der Sache aber werden Sie taum etwas erreichen. Bringen Sie mir eine Oper, die ein wirkliches Meisterwert ist, so wird sie in drei bis vier Tagen, wenn es sein muß, angenommen. Im Operettenfach fönnte ich nichts versprechen, und wenn ein zweiter Offenbach daher käme, weil da sachliche Beweggründe gar nicht mitreden."
" Der Schlüffel der ganzen Frage liegt also doch bei den
Direktoren?"
Mir scheint, noch mehr bei den Librettisten. Die sind offenbar die Herren der Lage. Ich kenne Fälle, wo die Direktoren junge Komponisten fördern wollten, mit ihnen auch Kontrakte eingingen und nicht einhalten fonnten, weil die Librettisten sich weigerten, für so Unbekannte" Bücher zu liefern..." 0
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" Unerhört! Unmöglich!"
„ Aber wahr. Man sieht da an einem nicht von der Befürchtung konstruierten, sondern lebendigen Beispiel, wohin es fommt, wenn die Kunst in der Hand der Händler und Wechsler gerät. Sezen wir also alles daran, um wenigstens die höhere Kunst vor solcher Vertrustung zu behüten."
Was ließe sich tun? Sehn Sie denn gar keine Aenderung dieser Verhältnisse voraus?"
" Doch, mir ist, als ob man Anzeichen eines Wettersturzes" spürte. Aber bis der Wind tatsächlich umschlägt, kann's noch recht lange dauern. Augenblicklich ist die Stimmung an der Operettenbörse sogar recht flau. Man findet, daß die berühmten Librettisten und Komponisten sich ausgeschrieben haben und spürt eine Sehnsucht nach jüngeren, unverbrauchten Kräften. Nicht ohne Belang ist es ferner, daß die Matadore der neueren Wiener Operette das sinkende Schiff berlaffen und einer nach dem andern der Oper zustreben. Vielleicht bekommt der alte Ring" bald ein paar neue Glieder. Wollen Sie etwa felber ansuchen, eins davon zu werden? Nicht, das traute ich Ihnen zu. Also versuchen Sie anderswo Ihr Glück, damit Sie sich und mir keinen Vorwurf zu machen haben."
"
Jch gab ihm eine Menge Empfehlungsbriefe mit, und er ging, seine Arbeit anzubieten. Aber bis heute habe ich nichts wieder von ihm gehört.
Tofl
Malerei.
unter demt 3wang der technischen Notwendigkeit( Webstuhl, Faden bündel) auf ein Minimum reduziert. Indeffen, es dürfte doch nicht zufällig sein, daß alle diese absoluten Formen zugleich Architektur oder Kunstgewerbe sind. Niemals zeigt uns die Vergangenheit, die aller Bölfer, aller Länder, absolute Formen solcher Art als Selbst zweck. Weder die Säule, noch der Teppich find allein zum Be trachten da, und ihr formales Minimum entstand vielleicht zu einem erheblichen Teil aus ästhetisch- ökonomischen Gründen: die Nerven der Benußer waren vor den Einzelheiten zu schützen. Die Säule wirft ruhiger als der Baum. Man kann, während man ist oder handelt oder betet, keine Ablenkungen gebrauchen; da genügt eine Rahmen, eine abstrakte Neutralität. Zuweilen aber, wenn die Notdurft schweigt und die Leidenschaften hervorstürzen, schreit der Mensch nach Gesichten. Er will die Wirklichkeit sehen, den Wald, den Sonnenschein, das stürmende Meer, die geliebte Frau; er will das Ungeheuerliche sehen, die Teufel und vie Götter. So wurde die Malerei; so entstehen die Bilder. Eine absolute Malerei im Sinne des Kandinsky wäre erst möglich, wenn der Trieb des Mens schen zum Gesicht erloschen. Wobei nur noch anzumerken bleibt, daß die Heftigkeit solches Triebes nicht immer an der Leidenschaft zum Detail gemessen werden kann, vielmehr oft genug an der Essenz der Dinge, an ihrer Struktur, an ihrem Rhythmus ihr Entzüden entzündet.
Ganz anders steht es um die Musik. Die hat nie ernstlich sich damit erschöpft, die Töne der Natur, das Brüllen der Wogen, das zwitschern der Vögel, das Säuseln des Windes, nachzuahmen. Der Mensch brauchte nicht den Ton erst zu hören; er trig das Instru ment der Töne in sich selber. Und wenn er auch Vogelstimmen imi tierte, um auf der Jagd die Opfer zu locken, und wenn er ouch, und Kunst des Tones empfand er allein, wenn die eingeborene im Kriegesgesang, die wilden Tiere nachahmte; die eigentliche Lust Stimme im Maß der Leidenschaft sich hob und sentte. Da galt es nicht mehr nachzuahmen; δα galt es, Empfindung durch Töne zu verfinnlichen. Da galt es, solche Tonfolgen, um ihres eigenen Wohlflanges willen, zu entwickeln, an des Meeres, vielmehr die Wogen des eigenen Blutes sollten zur einanderzureihen, gegeneinanderströmen zu lassen. Nicht die Wogen Darstellung gelangen. So war die Musik, im schärfsten Gegensatz zur Malerei, immer absolute Form; sie war es mindestens stets bis zu einem gewissen Grade.
Und nun sollen die Provinzen vertauscht werden: Musik soll Malerei und Malerei Musik sein. Erst haben das die Feuilleto nisten gesagt, und dann haben einige Maler gedacht, es in die 28irklichkeit umjeßen zu können. Zu ihnen gehört Kandinsky. Und nur darum, nur, weil er eine symptomatische Erscheinung ist, beschäftigen wir uns mit ihm. Müssen aber bald sehen, daß die der absoluten Malerei, ist. Analyse des Kandinsky zugleich der Tod seiner Art, die Erledigung
Die Analyse des Kandinsky ist sehr rasch getan. Er hilft uns zu ihr nachdrücklich durch die Vorführung seiner früheren Bilder, von denen er selber sagt, daß sie die Vorläufer der jezigen Arbeit feien. Nun: diese früheren Bilder sind höchst harmlos und nur in einem absolut, nämlich: im Mangel an Talent. Es sind Dinge, wie sie die russischen oder ungarischen Bilderbücher der Kunstgewerb ler uns oft genug sehen ließen; dazu eine leichte Impfung mit Volkskunst und der internationalen Naivität der Präraffaeliten. Kandinskys frühe Bilder schwanken zwischen den Burlesken des Ungarn Rippl- Rouai und den Farbenemaillen des Monticelli; sie stehen zugleich den grellen Dekorationen des Franz Stuck nicht weniger nahe als den Spielereien des Biedermeier. Und so, als harmloser Eklektifer, als ein mitteleuropäischer Kunstgewerbler hat Kandinsky noch 1907 gemalt, hat noch damals ganz artig dramatische Szenen als ornamentale Illustrationen im Bilderbogenstil. gemacht. Wer sollte da glauben, daß plöglich, 1912, aus der Harms losigkeit der Revolutionär aller bisherigen Malgeschichte und der Schöpfer des absoluten Binselwerkes geworden sei. Was Kandinsky uns heute als absolute Malerei zeigt, ist nichts als eine Verwilde= rung seiner Bilderbogen. Der Kunstgewerbier, der schon immer in ihm steckte, ist ausgebrochen und würde vielleicht etwas Ansehbares hervorbringen, wenn er die Leinwand mit dem Webstuhl und die Farben mit bunten Wollen vertauschte.
Es gibt keine absolute Malerei, solange das Auge noch nicht. blind geworden gegen die Wirklichkeit und noch nicht müde, die Natur immer tiefer und reiner zu sehen. Und es gibt keine absolute Malerei, solange wir Empfindungen, Bewegung, Stillstand, Wechsel, Harmonie und Kontrast im höchsten und letzten Grade nur an dem Kosmos von Menschen, Wald und Luft uns vorzustellen vermögen. Absolute Malerei ist, solange wir so organisiert bleiben wie heute, für uns ein Elementarbegriff, der sich am Farbenkreisel und an R. Breuer. der Palette erschöpft.
Der Sturm hat( Königin- Augusta- Str. 51), nachdem er das Teztemal mit seinen harmlosen Belgiern bis zum Nullpunkt abgeflaut war, jest wieder eine Sensation herangefegt: den Russen W. Kandinsky. Das heißt: ganz unbekannt ist uns dieser Maler nicht. Seit zwei oder drei Jahren kennen wir ihn als den Propheten der absoluten Binselkunst. Kandinsky möchte beweisen, daß, wie es eine absolute Musik gibt, auch eine absolute Malerei, eine Malerei, die nur Formen und Farben, aber nichts Gegenständliches zeigt, möglich ist. Er macht uns Bilder sehen, auf denen man in der Tat feinerlei Natur weder Bäume, noch Menschen, noch Wolfen, weder Körper, noch Luft zu entdecken vermag. Wenn man nicht einige auftauchende Phantome dafür.nehmen will. Doch würde der Maler auch diese Phantome noch für einen Ballast halten und erst im reinen, beim besten Willen nicht mehr deutbaren Fleck das Ideal erbliden. Fragt fich: ob so etwas möglich ist? Gewiß; von jeher erfüllte das Ornament die Forderung solcher absoluten Form. Die thpischen Architekturteile tun es nicht minder. Wer würde vor einer Säule noch an einen Baumstamm denken, und doch ist die Säule ohne Zweifel die höchste Entwickelung einer Form, die auf den Baum nicht nur äußerlich, sondern faktisch zurückgeht. Wer würde Die Heilwirkung der Farben. Aus der Erkenntnis, von dem Zahnschnitt eines Gesimses auf die Kopfenden hölzerner daß die Lichtstrahlen gewisser Farben fühlbaren Einfluß auf die Balken schließen, die einst die horizontale Dachlage bildeten? In Psyche vieler Patienten ausüben, ist in den letzten Jahren eine neue
Kleines feuilleton.
Hygienisches.