— 800— Hypothesen Logann erst ein Austveg zu winken, als Bonaparte>nit seinem verwegenen Zuge nach Aegypten den Schleier vom alten Pharaonenlande ein wenig wegzog. Staunend erfuhr die Welt von den mit Hieroglyphen bedeckten Denkmälern, die hier noch erhalten waren, und durch den Krieg ward sogar ein Schlüssel zum Lesen der Hieroglyphen entdeckt, der die gröhten Hoffnungen erweckte. Bei Schanzarbeiten zu Rosette stieh man auf einen Stein, der eine verstümmelte Inschrift ntit einer Uebersetzung in die Volkssprache in demotischer Schrift darunter und zuletzt die griechische Uebertragung aufwies. Doch die kühnen Hoffnungen auf die Deutung des uralten GeheimniffeS, die man an den Fund geknüpft hatte, wurden noch lange«cht erftillt. Alle Versuche, die Zeichen, die man für Symbole hielt, zu lesen, waren erfolglos. Erst dem großen englischen Naturforscher Thomas Doung gelang es, durch einen geistreichen Einfall fünf Hieroglhpben am Stein von Rosette zu erraten, aber diese zufällige Erkenntnis blieb ohne Folgen, bis ein junger Franzose auftrat, der sich die Eni- zifferung der Hieroglyphen zur Lebensaufgabe gemacht hatte und dem sie nach endlosen mühseligen Borarbeiten gelang: Jean FranyoiS Cham pollion. Ein wissenschaftliches Wunderkind, war er durch Zufall mit elf Jahren mit ägyptischen Inschriften be> kannt geworden, und seitdem stand daS Ziel seiner Arbeiten fest, da« er erst nach einem zwanzigjährigen aufreibenden Ringen erreichte. Als Sechzehnjähriger legt er bereits der Akademie von Grenoble die Anfänge seiner ägyptischen Untersuchungen vor. Er lernt koptisch, die Sprache der christlichen Aegypter, sucht durch mühe- volle Vergleichungen das Verhältnis der drei ägyptischen Schriftarten zu ergründen und wird so allmählich auf die richtige Bahn geführt. So gelingt ihm schließlich gerade vor 100 Jahren eine wichtige, entscheidende Erkenntnis: er bricht mit der alten Tradition, nach der die Hieroglyphen eine Schrift symbolischer Sinn Bildet gewesen sein sollten, er weiß nun, daß es in ihnen alpha. betische Zeichen gegeben haben inuß. 1818 kennt er bereits einen dieser Buchstaben und am 21. Dezember 1321 bricht er endgültig mit der überlieferten Auffaffung auf Grund der einfachen lieber. legung: Wenn auf dem Stein von Rosette 488 griechische Worte etwa 1419 hieroglyphischen Zeichen entsprechen, wie soll da jedes Zeichen ein Wort bedeuten. Er verschafft sich nun neue Hieroglyphen, versucht sie mit Hilfe des Demotischen zu deuten und am 14. September 1822 vermag er einige Namen zu lesen, eS fällt ihm wie Schuppen von den Augen: er ist in das große Geheimnis der alten Schrift eingedrungen. Noch hat er die Kraft, zu seinem Bruder zu stürzen und ihm zuzurufen:„Ich hab's", dann verläßt ihn die Besinnung und er verfällt fünf Tage lang in einen lethargischen Zustand. Am 27. September teilt er der Pariser Akademie mit, daß die Hieroglyphen entziffert find. Nun gelingt eS ihm mit wunder- Barer Schnelligkeit weitere Texte zu lesen: aber nach seinem frühen Tode 1832 stockten die ägyptischen Studien wieder; seine Entdeckung fand nicht überall Glauben, und erst als 1388 eine zweite zwei sprachige Inschrift, daS umfangreiche Dekret von KanopuS, entdeckt wurde, mußten auch die letzten Zweifler verstummen. Seitdem sind die Hieroglyphen als ein unverlierbarer Gewinn der Wiffenschaft und der geschichtlichen Forschung erschloßen und Aegypten hatte aus gehört, die große Sphinx unter den Völkern zu fein. Statistisches. Bevölkerungszahl und Bildungsgrad in Ruß- land. Die Bevölkerungszahl des ganzen russischen Reiche? ist von 74 838 300 im Jahre 18K8 ukid 126 806 200 im Jahre 1807 auf 168 778 800 am 1. Januar 1912 angewachsen. Auf das europäische Rußtand ohne Finnland und das Weichselgebiet(Polen ) kommen 118 690 600. auf Finnland 3 030 400, auf das Weichselgiet 12 129 200, auf Kaukasien 11 733 100, auf Sibirien 8 220 100 und auf die zentralasiatischen Gebiete 9 973 400.— WaS die Ostseeprovinzen be- trifft, so sind für Livland 1433 400, für Kurland 741 200 und für Estland 467 400 Bewohner ermittelt.— Der Nationalität nach verteilt sich die russische Bevölkerung, wie folgt: Russen sind 63.3 Proz., tllrkisch-tatarische Völker 10,6, Polen 6,2, finnische Völker (also auch Esten) 4,3, Juden 3,9, Litauer(und Letten) 2,4, Germanen (Deutsche und Schweden ) 1,6 usw.— Der Konfession nach sind in Prozenten: orthodox 69,90, mohammedanisch 10,83, katho- lisch 8,91, protestantisch 4,83, mosaisch 4,03(obgleich unter der Rubrik„Nationalitäten' nur 3,9 Proz.„Juden" angegeben sind), anderen christlichen Bekenntnisses 0,96 und anderen nichtchristlichen Bekenntniffes 0,30. Der Bildungsstand der gesamten Bevölkerung hat sich in den letzten Jahren wenig verändert und ist nach wie vor ein niedriger. Im eigentlichen Russischen Reich— mit Ausschluß Finn- lands, für das die Daten nicht angegeben werden— verstehen von 1000 Personen nur 211 zu lesen und zu schreiben, d. h. 21 Proz. Im einzelnen entfallen auf das Weichselgebiet 30,3, auf das übrige europäische Rußland 22,9, auf Kaukasien 12,4, auf Sibirien 12,3 und aus die zentralasiatischen Gebiete 3,8 Proz. Am günstigsten stehen die Ostseeprovinzen da, mit rund 80 bis 71 Proz. de? Lesens und Schreibens Kundigen, dann die Gouverne- ments St. Petersburg mit 33, Kowno , das Kurland Benachbart ist, mit 42, Moskau mit 40, Warschau mit 39, Jaroslaw mit 38, Petrokrolv mit 31, Wilna und Grodno mit 29 Proz. usw. Weniger als 18 Proz. des Lesen? und Schreibens Kunige haben die Gouver- nementS SorinbirSk, Besiarabien, Podolien, Astrachan und Pleskau. Mithin ist außer in den evangelischen und zum Teil in den katholischen Gegenden der Bildungsstand im allemeinen in den in« dustriellen Gouvernements ein höherer. In Livland verstehen von tausend Personen, wobei vor allem die kleinen Kinder in Abzug gebracht werden müssen, 777 zu lesen und zu schreiben(773 männlichen und 779 weiblichen Geschlechts), in Estland 799<792 männlichen und 803 weiblichen Geschlechts; nach den Prozentzahlen ist also an erster Stelle Estland (79,9), an zweiter. Livland (77,7) und an dritter Kurland (70,9) zu nennen. Merkwürdig ist dabei der größere Prozentsatz der de? Lesens und Schreibens kundigen weiblichen Personen in Estland und Liv- land, während sonst die männlichen Personen in dieser Kenntnis den weiblichen an Zahl überlegen find. In dieser Beziehung kommen im ganzen Reich auf 10 weibliche 22 männliche Personen. B. L. Aus der Vorzeit. DaS Alter des Menschen auf der Erde. Die Frage, wie lange der Mensch auf der Erde besteht, ist noch immer ungelöst, obgleich man auf verschiedenen Wegen versucht hat. zur Aufklärung zu gelangen. Am stärksten ist die Geologie an den Untersuchungen und Funden beteiligt, die Aufschlüsse darüber versprechen. Ueberhaupt wird man darauf verzichten müssen, das Alter des Menschen auch nur einigermaßen genau nach Jahrtausenden oder Hunderttausenden von Jahren oder nach einer anderen bestimmten Zetteinheit anzugeben. MS Maßstab kann vorläufig nur die zeitliche Folge der Formationen gelten, in die der Geologe die ganze Erdgeschichte einteilt. ES kommt also zunächst auf die Feststellung an, ob der Mensch schon während der ganzen Eiszeit gelebt hat oder sogar schon vorher. Die sichersten Merkmale würden durch den Fund von zweifellos künstlich hergestellten Geräten be- stehen, deren Erfindung. Ausführung und Gebrauch eine Intelligenz verrät, die bei keinem Tier vorausgesetzt werden kann. Die sichere Unterscheidung zwischen einem durch die Natur abgesplitterten Gesteinsstück und einem willkürlich zu einem Messer oder einer Pfeilspitze verarbeiteten Splitter ist aber oft unmöglich. Daher ist die Frage noch heute unentschieden, ob der Mensch schon bor der Eiszeit bestanden hat oder nicht. Auf dem umgekehrten Wege, gleichsam von unten herauf, hat Professor Keith die große Frage angegriffen, nämlich auf Grund von Untersuchungen über die körperlich« Entwick- lung des Menschen. Er ist zu der Ueberzeugung gelangt, daß der Mensch sich nicht als ein einziger Stamm, sondern in mehreren sehr verschiedenen Arten entwickelte, von denen dann alle bis auf eine ausstarben, und diese eine setzte sich bis auf den Menschen der Gegenwart fast. Die erste Entwicklung des Menschen versetzt Prof. Keith Bereits in das Pliozän, den letzten Abschnitt der Tertiärperiode, die der Eiszeit voraufging. Technisches. Unzerbrechliche Glühkörper. Eine ewige Klage bei der Verwendung unserer gewöhnlichen Gasglühkörper ist die über ihre Zerbrechlichkeit. Durch diese wird die Verwendung des Gas- glühlichtS sowohl verteuert, als auch mit unnötiger Mühe belastet. Die Bemühungen, stoßfichere Glühkörper herzustellen, find daher alten Datums, waren aber bis vor kurzem noch von keinem Erfolg gekrönt. Die bis jetzt hergestellten„unzerbrechlichen" Glühkörper waren entweder doch zerbrechlich oder von sehr geringer Leuchtkraft. Der„Bamag"(Berlin -Anhaltische Maschinenbauaktiengesellschaft zu Berlin ) ist es nun gelungen, aus Kunstseide Glühkörper herzustellen, die in der Tat allen Anforderungen, die man an einen stoßsicheren Glühstrumpf stellen kann, genügen. Die seitherigen Glühkörper werden aus Baumwallfasern, Haupt- sächlich auS der in Ostasien wachsenden Ramiepflanze hergestellt. Die Sasern werden zu Faden gedreht, diese zu einem Strumpfe der« wirkt�und der Strumpf nun in einer Lösung von Leuchtsalzen, die vornehmlich Oxyde der beiden Elemente Thorium und Cerium find, getränkt. Die geringe Haltbarkeit dieser Strünipfe beruht« nun darauf, daß der Baumwoll- öder Ramicfadcn kurz war, sich bald aufdrehte und so keinen Zusammenhalt des Gewebes mehr bot. Da- gegen läßt sich der künstliche Seidenfaden, der durch Auflösen von Zellulose in Kupferoxyd-Ammoniak und Ausspritzen der gewonnenen Flüssigkeit in verdünnte Säure erzeugt wird, in beliebiger Länge herstellen. Die mikroskopischen Aufnahmen der Ramie- und der aus künstlicher Seide hergestellten Glühkörper vor dem Brennen und nach einer gewissen Brenndauer zeigen daher auch eine ganz andere Struktur des Gewebes. Die„Umschau" bringt einige solcher Abbildungen. Die Prüfung der Widerstandsfähigkeit der Älühkörper geschieht durch besonders für diese Zwecke konstruierte Stoßmaschinen. Da hat e« sich denn gezeigt, daß gute Ramiekörper vor dem Brennen 300—1000 Stöße, nach zehnstündigem Brennen noch 100 Stöße er- tragen. Dagegen konnten die aus künstlicher Seide hergestellten Elühstrümpfc vor dem Brennen über 6000 Stöße und nach 300 stündiger Brenndauer noch 600 Stöße aushalten, ohne zerstört zu werden. Nach öOOstündiger Brenndauer konnte man sie noch mit einem Gewicht von 13 Gramm, also dem zehnfachen ihre? Eigen« gewichtes belasten, ohne daß sie rissen. Auch bekamen sie bei über« mäßigem Gasdruck keine Risse und Löcher._ Verantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln.— Druck u. Verlag: Korwärt-Buchdruckerei u.VerlagSanstalt Paul Singers:Co.,Verlln LW.
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29 (15.10.1912) 200
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