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Na, um was handelt sich's denn?" schnaubte der Bauer, als die Stille drückend zu werden begann.

" Ja, er, Joel, ist hier," bemerkte die Frau.

" Das seh ich," fuhr er ihr über den Mund,.dev Kerl ist lang genug.

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Jas Priemchen im Munde und spie schließlich in die Afche auf den Wert unseres Handelns nicht auf. Denn die Gewöhnungen, die dem Herd. in der Betätigung unseres Lebenstriebes ihren Grund haben und Stumm und unbeweglich blieb Eidermann auf dem Sofa an das immer wiederkehrende Aufleben und Wirksambleiben des fiken, während seine Augen defto deutlicher redetem. Der Granskär- Bergangenen gebunden find, bleiben nach wie vor in Kraft. Und bauer durchmaß bedächtig die Küche, indessem er und Eidermann aus den Gewöhnungen entwideln sich Sitten und Gebräuche, ge einen verständnisvollen Blick wechselten. schriebene und ungeschriebene Gefeße: Gefeße, die immer gelten, ivo Menschen gesellig zusammenleben, weil sie in der Natur des gesellschaftlichen Lebens ihren Grund haben; und Geseze, die nach Beit und Drt sich ändern, weil sie den durch die jeweiligen Ber hältnisse bedingten Bedürfnissen des Gemeinwesens Rechnung tragen. Aber diese Sitten und Gebräuche, diese geschriebenen und un geschriebenen Geseze gehen aus dem Zusammenleben der Menschen hervor. Sie find Aeußerungen des gesellschaftlichen Lebens. Sie bestimmen das Verhalten, an das die Erhaltung und Entwickelung des Gemeinwesens gebunden ist. Sie stellen daher die Regeln dar, die innerhalb eines bestehenden und sich entwidelnden Gemeinwesens tatsächlich Beachtung finden, so daß mit ihnen die Handlungsweise jedes einzelnen, dem gesellschaftlichen Verbande angehörigen Gliedes verglichen wird. Und der Wert, der den Handlungen beigemeffen wird, hängt nach wie vor von der Uebereinstimmung mit den zur Geltung gekommenen Regeln ab.

Joel niďte bekräftigend, als schmeichle ihm die Aeußerung. " Ja, wie gesagt, ich bin hier," begann er phlegmatisch. Und da ich Anna gern habe und sie mich leiden kann, dacht' ich zu fragen, ob Ihr was dagegen habt, daß wir uns zusammentum und uns heiraten," Du kannst mir gefallen," zischte der Bauer und die Frau nidte zustimmend. Heb's mir gedacht," versetzte Joel gelassen. Aber' s ist ja nicht erstemal, daß Eltern nicht begreifen, was ihren eigenen Kindern frommt, das fümmert mich nicht weiter. Ich will nun aber Anna heiraten, und da können wir die Sache für abgemacht halten." " Ihre eigenen Eltern, haben wohl auch..."

Shre eigenen Eltern sollen sich zu allererst bedenken," unter brach Joel die Rede, und wenn fie ordentlich nachgedacht haben, werden fie schon begreifen, daß junge Leute am besten zufammen passen. Aber ein Mädchen, das noch nicht neunzehn Jahre zählt, mit einem alten, Kert zusammenzuspannen, heißt Feuer und Wasser vereinem zu wollen. Das geht einfach nicht, nichts als Rauch und Qualm und Aerger entsteht draus. Und das hat wohl niemand gern." Er hat eine Schnauze, die ihresgleichen sucht," schnaubte die Frau erbost. " Ja, die hat er," bestätigte Joel mit derselben unerschütterlichen Nuhe, die er die ganze Zeit gezeigt hatte. Was das also angeht, brauchen wir nicht weiter drüber zu reden. Und hab' ich nun' mal die Augen auf' n Mädel geworfen, tann ich's auch verteidigen gegen wen's auch sei." Er erhob fich, stellte sich vor Gidermann hin und schlug mit der geballten Faust auf den Tisch, so daß die Kaffee­baffen hopften, nicht etwa um zu drohen oder zu prahlen, bewahre, aber sieht einer mein Mädchen an, soll er lieber erst Gott bitten, ihn und seine Haut gnädig zu bewahren."

Eidermann troch in die innerste Sofaede und starrte Joel an. Der Bauer und seine Frau suchten vergebens nach Worten, ihrem Unwillem Luft zu machen, obwohl sie sonst nicht farg mit Worten

waren

abin

( Fortsetzung folgt.]]

Zurechnung und Strafe."

Bon Professor Dr. G. F. Lipps.

Die Bewertung unseres Handelns scheint an das Walten eines freien, mit vernünftiger Ueberlegung handelnden Willens gebunden. Sie gründet fich auf die Annahme, daß das, was wir tun, nicht notwendig geschieht, sondern auch unterbleiben könnte. Und dies sezt die Betätigung des vernunftbegabten Willens voraus. Denn der Wille ist es, der sich für die Tat entscheidet, der aber auch für das Unterlassen der Tat sich entscheiden könnte. Darum werden wir für all unser Tun und Laffen verantwortlich gemacht. Weil man uns einen zu freier Entscheidung befähigten Willen zuschreibt, wird von uns gefordert, daß wir die aus den Gewöhnungen des Lebens hervorgehenden Regeln, die zu Sitten und Gebräuchen, zu Geboten und Gesetzen werden, beachten und zur Richtschnur unseres Handelns machen.

Mögen diese Anordnungen und Verpflichtungen auf göttliche Offenbarung oder auf menschliche Sagung zurüdgeführt werden, fie gelten in dem einen wie in dem anderen Falle als verbindlich. Jede Abweichung wird als eine Tat betrachtet, die, weil sie freiwillig geschah, hätte unterbleiben fönnen und, weil sie die bestehende Vor­schrift mißachtete, hätte unterbleiben sollen.

Darum erfolgt die Strafe als eine Bergeltung. Denn die Uebertretung ist ja nicht unvermeidlich. Sie geht aus einer freien Entscheidung des Willens hervor und erregt deshalb Unwillen und Born, zu deffen Besänftigung Sühne und Opfer zu leisten find. Wird aber die Uebeltat gefühnt, so wird auch der Uebeltäter bon den Folgen seiner Tat erlöst. Er beschwichtigt durch Sühne und Opfer den Unwillen und Zorn, und darin besteht seine Erlösung. An dieser auf dem Glauben an eine freie Willensbetätigung be ruhenden Auffassung unseres Handelns können wir jedoch nicht fest halten, wenn wir zur Einsicht in die ausnahmslose Gefeßlichkeit und Bedingtheit unseres Tuns und Laffens gelangen. Dies hebt indeffen

Diese Regeln erleiden indeffen mit derfelben Notwendigkeit, mit der sie entstehen, auch Ausnahmen. Es werden Handlungen vollzogen, die bei der Bielgestaltigkeit und Veränderlichkeit der Einflüffe, denen die einzelnen Glieder des Gemeinwesens unterliegen, Abweichungen von der als Regel geltenden Handlungsweise darstellen. Und wir müssen diese Abweichungen für ebenso begründet ansehen, wie die der Regel entsprechenden Handlungen. Denn die Hand­lungen, die der naiven Betrachtungsweise als Aeußerungen eines mit Freiheit sich betätigenden Willens erscheinen, haben in gleicher Weise wie alles sonstige Geschehen als notwendig zu gelten. Ob sie über­Haupt, für sich betrachtet, als Aeußerungen eines vernunftbegabten Willens aufgefaßt werden können, kann dahingestellt bleiben. Es genügt, daß sie im Zusammenhange mit der Gesamtheit alles Ge­fchehens notwendig find. Sie erscheinen daher wie alles sonstige Ge schehen auch als vernünftig, soweit wir die Notwendigkeit einsehen und begreifen, so daß in diesem Sinne das, was wirklich ist, in der Tat, wie Hegel   sagt, vernünftig ist.

Die Erkenntnis der Notwendigkeit hindert jedoch keineswegs die Berurteilung einer Handlung, die den bestehenden Sitten und Gesezen zuwiderläuft. Sie macht ja die Abweichung von der auf Sitte und Gesetz beruhenden Regel nicht geringer. Es wäre nur töricht, von Vergeltung, von Sühne und Opfer zu reden. Denn wir wissen, daß die Abweichungen im Zusammenleben der Menschen, im Zusammen­schluß zu einer Lebensgemeinschaft ihren Grund haben. Und mit der Verurteilung einer Handlung bleibt auch die Bestrafung be stehen. Sie ist ihrerseits eine im menschlichen Leben wohlbegründete Handlungsweise.

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Die so sich ergebende Veränderung in der Auffassung des mensch lichen Handelns wird nun vollkommen Ilar und einleuchtend, wenn wir darauf achten, daß Kinder und auch Erwachsene, die wie Kinder fich verhalten, leicht sich dazu hinreißen lassen, fogar unbelebte Gegenstände etwa einen Stuhl oder Tisch, an dem sie sich gestoßen haben ihren Unwillen fühlen zu laffen. Da erhält wohl der Stuhl oder Tisch einen energischen Stoß oder Schlag. Wer über eine solche naive Burechnung der Uebeltat eines unbelebten Gegenstandes hinausgewachsen ist, wird immer noch den Stuhl oder den Tisch für die Ursache des unangenehmen Vorfalls halten. Er wird also immer noch dem Dinge das Geschehnis zurechnen, insofern er in ihm die Ursache desselben sieht. Er wird auch auf Abhilfe be­dacht sein, indem er den Stuhl oder den Tisch aus der bedrohlichen Nähe entfernt oder sonstwie Vorsorge trifft. Er wird aber über den Gegenstand nicht zornig fich entrüften. Er wird keine Bergeltung In gleicher Weise werden wir üben und keine Sühne verlangen. auch einem Menschen gegenüber, der eine böse Tat begangen hat, auf Vergeltung, auf Sühne und Opfer verzichten.

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Diese veränderte Auffaffungsweise hat sich hinsichtlich der Be ftrafung von Vergehen und Berbrechen innerhalb der menschlichen Gesellschaft in der Tat bereits angebahnt, wenn fie auch nicht als vollzogen angesehen werden darf.

In der Strafrechtslehre, die mit den aus angeblich freier

willensentschließung hervorgehenden Gesezesübertretungen fich zu befassen hat, ist die auf den notwendigen Zusammenhang alles Geschehens sich stigende Auffassungsweise bereits zum Durchbruch gekommen.

Kleines feuilleton.

Eine türkische Kriegserklärung vor 200 Jahren. Bor Eröffnung des Krieges, den der Sultan Mohammed IV. gegen Kaiser Leopold I.  im Jahre 1682 führte, erging an diefen folgende Kriegserklärung, deren Original noch heute vorhanden ist und in seltsamem Gegensat zu der Sprache steht, die der jezige Badischah in seinen Aufrufen findet. Von Gnaden des im Himmel waltenden Gottes, vers *) Wir entnehmen die Ausführungen dem Schlußkapitel des pfänden wir, Mola Mohammed, glorreicher und ganz allgewaltiger soeben in der Sammlung Aus Natur und Geisteswelt" bei Kaiser von Babylonien und Judäa  , vom Orient und Occident, B. G. Teubner in Leipzig   und Berlin   erscheinenden Buches Das König aller irdischen und himmlischen Könige, Großkönig vom Problem der Willensfreiheit"( Preis geh. 1 M., in Leinewand geb. heiligen Arabien   und Mauretanien  , geborener, rnhmgekrönter König 1,25 M), das auf Grund der modernen Forschung die Frage nach Jerufalems, Gebieter und Herr des Grabes des gekreuzigten der Freiheit und Gebundenheit des Willens behandelt. Gottes der Ungläubigen, Dir Zäsar Roms und Dir König

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