sammcngebundene Schoit wurde hari auf die Probe gestellt, aber eS hielt. Joel grinste vergnügt, das war eine Fahrt nach seinem Geschmack. Elfrida dahingegen schaute mißmutig drein. Sie starrte nach den Wolken im Norden und nach der Sonne hin, die eben untergehen wollte. ..Wir können heute nichts machen," schrie sie. Joel nickte be- ruhigend ihr zu und lachte. ..Wir woll'n lieber umkehren," rief sie noch lauter als zuvor. ,.Ja— a, wir steuern direkt nach Süden." entgegnete er. Elfrida murmelte etwas von alten tauben Nickeln und bereute, daß sie sich zur Fahrt überreden lieh. ..Könnte man statt dessen zu Hause sitzen und eine ordentliche Tasse warmen Kaffee trinken, anstatt hier zu frieren," knurrte sie. ..Ja— a," lachte der Alte,„nun sind wir gleich da." Sie hatten die Bucht hinter sich und verfolgten jetzt den süd- lichen Kurs. Vor ihnen hob sich Brunskäv über dem Wasser, wie ein gestrandeter Wal, und am Horizont tauchte die Sonne ins Meer. Elfrida starrte in die Glut, bis sie, geblendet, die Augen abwenden mußte. Joel wollte nach alter Gewohnheit über die Klippe wegsegeln, als es plötzlich einen Ruck gab und die morsche Scgelleine barst. Elfrida schrie laut, als das Segel zu flattern begann. „Bist Du etwa bange? Was?" zischte Joel verächtlich. Bange vor der See war niemand auf der Insel, selbst Weiber und Kinder nicht, und Elfrida faßte sich sogleich. Sie fing das Segel ein, griff nach der Leine und reichte sie ihrem Brotherrn. Jetzt war dieser ärgerlich, die Klippe verfehlt zu haben, und mit gerunzelter Stirn wandte er, um das Riff von der Leeseite zu nehmen. Da gab es abermals einen Ruck und der Leereling lag halb unter dem Wasser, das ins Boot spülte. „Jesses, wie er steuert!" schrie Elfrida. Mit grimmigem Lachen stemmte Joel die Füße gegen das Boot, denn das Segel drohte ihm aus der Hand gerissen zu werden. Er saß zu oberst auf dem lufwärts Reling, zurückgelehnt, die eine Hand fest an das Steuer geklammert, in der anderen hielt er die Scgelleine. Der starre Bart ragte wagerecht in die Luft, der zahnlose Mund war wie zum Lachen halb geöffnet. Gegen Wind und Wogen zu kämpfen und zu siegen, das war etwas für einen gichtbrüchigen Mann, der er war. Da barst die Leine zum zweitenmal und jetzt dicht am Segel. Das Boot begann zu treiben, und bevor Elfrida das Segel wieder fangen und eine Leine festknüpfen konnte, war das Fahrzeug nach der Klippe zurückgetrieben. „Ich glaube,'s ist verhext," knurrte das Mädchen,„aber ich hab's ihm ja schon hundertmal gesagt, daß's'n Unglück geben wird mit dem verrotteten Dreck." Bedenklich blickte Joel nach der Sonne, die soeben hinter dem Wald auf der Landzunge verschwunden war. „Nun dauert's nicht lange, so liegen wir in Lee auf der anderen Seite von Brunskäv," sagte er gelassen. „Wer erst wieder zu Hause wäre!" murrte Elfrida, die zähne- klappernd mit den Füßen im Wasser saß. Joel, der wußte, daß um diese Jahreszeit der Wind nach Sonnenuntergang an Heftigkeit zunahm, dachte einen Augenblick daran, umzukehren. Es würde schwer halten, vielleicht ganz un- möglich sein, das Garn auszulegen... aber fein Stolz siegte, er wollte nicht zur Zielscheibe des Spotts von ganz Djupnäs dienen. gerade jetzt war's ein Wetter zum Fischen. Der nördliche Wind brachte den Hering in Bewegung, und er wollte den Stubenhockern zeigen, daß er trotz Gicht und Alter vermochte, was die anderen nicht auszurichten wagten. Nun steuerte er gerade auf die östliche Spitze von Brunskär zu. Eine Weile später war sie passiert und sie legten auf der Lee- feite an, um den Mast herunterzunehmen und die Geräte zu ordnen. Elfrida war zu stumpf, um etwas einzuwenden, auch dachte sie beim Rudern sich zu erwärmen. Ihre Hoffnung schlug nicht fehl und wenige Kabellängen südlich von der Schäre wurde das Garn ausgelegt. Kaum war es geschehen, als ein Donnerschlag die Luft er- schütterte. Ein paar Schneeflocken trafen wagcrecht das Antlitz des Mädchens, und im selben Augenblick war die Windsbraut über ihnen. Rings umher ward das Meer wie von Millionen unsicht- barer Ruten gepeitscht. Es siedete und schäumte wie in einem Kochtopf, und eine Weile ließ sich nur ein dumpfes Summen ver- nehmen. „Pack an und rudere zu!" schrie Joel. (Fortsetzung folgt.! Gefncranftaltcn und KUhlhäufer. Von Franz W o a s. Es ist jetzt soviel von„Gefrierfleisch" die Rede. Ein erbittcr- ter Kampf hat sich deswegen entsponnen. Die eine Partei verlangt es mit Ungestüm, die andere wehrt sich dagegen mit Händen und Füßen, und das ganze sieht so aus, als handele es sich um etwas völlig Neues, etwas Unbekanntes, beinahe Geheimnisvolles. Dabei gibt es solches„Gefrierfleisch" seit einem Mcnschenalter und länger. Unzählige haben es schon gegessen— sicherlich jeder, der eine längere Seereise gemacht hat—. ohne es zu ahnet». Alles Wildbrck Großstädte ist fast nur„Gefrierfleisch", jedes Schlachthaus erzeug� eS heute. Es ist wirklich so: schon unsere Väter kannte« das„Gefrier» fleisch ", das uns heute so sonderbar anmuten will, nur weil will es letzt in der Not der Zeit in großen Massen nehmen sollen. Vo» mehr als einem halben Jahrhundert hat die Gefrierindustrie be« reits eingesetzt: es sind damals schon die Versahren ersonnen, di« Maschinen gebaut, die Schiffe ausgerüstet und an Land die nötigew Gebäude errichtet worden, die den Verbrauch ermöglichen sollten». Es sind vornehmlich deutsche Männer gewesen, denen es zu danke» ist; sie machten die Erfindungen; die geschäftliche Verwertung ha» dann allerdings lange Zeit nur in den Händen der Engländer gc» legen, weil bei ihnen zuerst der größere Bedarf aufgetreten wav und sie vorurteilslos an das„Gefrierfleisch" herantraten, so daß sichj heute die Hälfte aller Bewohner Großbritanniens mit Seelenruhe von gefrorenem Fleische nährt. Der Vater der neuen Industrie is» Professor Karl v. Linde in München , geboren anr 11. Juni 1842 zu Berndorf in Oberfranken , der schon im Jahre 1870 sein erstes Patent zur maschinellen Erzeugung von Kälte erwarb und im Jahre 1874 seine erste Maschine baute, um Fleisch in Massen zum Gefrieren zu bringen. Er war der erste, der das Ammoniak dazu benutzte, dessen überaus rasche und starke Verdunstung in einem unausgesetzten Kreislauf innerhalb starker Maschinen dazu diene» muß, große Kältegrade zu erzeugen. Während man früher das Fleisch nach Urväterart einfach„ins Eis legte", wurde von Lindes Zeiten an dies Geschäft, der Neuzeit entsprechend, maschinell be- trieben. Eis wird dabei gar nicht mehr erzeugt, sondern lediglicht die nötige kalte Luft, die dann um das Fleisch selbst die schützcnds Eiskruste legt. Als Linde seine Maschine der Oeffcntlichkeit über« gab. wußte man in Deutschland kaum etwas von„Gefrierfleisch", während es in England bereits ziemlich stark in Gebrauch war. So lag es für den Deutschen nahe, mit seiner Erfindung nach England zu gehen, wo alsbald auch die„Linde British Refrige-- ration Eo., Ltd." zur Errichtung kam, die dann nach allen Welt* teilen hinausging und Anlagen ihrer Art errichtete. Auf deutschem Boden aber arbeitet jetzt mit 8 Millionen Mark die Gesellschaft für Lindes Eismaschinen, die auch in den großen Hafenorten ihre Anlagen hat; denn es kommt natürlich nicht nur darauf an, daS gefrorene Fleisch von fernher mit den Schiffen heranzubringen. sondern ebenso darauf, es nach der Ankunft richtig zu lagern, bis es zur Verwendung weitergebracht wird. Ja, es ist dies geradez» der wichtigste Punkt in dem ganzen Verfahren. Es ist verhältnismäßig leicht, eine Herde Ochsen oder Hammel abzuschlachten und deren fleisch in die Gefrierräume der große» Dampfer zu bringen. Auch der Seetransport bietet keine besonde-, ren Schwierigkeiten, trotzdem er z. B. aus dem zunächst gelegene» Argentinien etwa 31 Tage beansprucht. Die Schwierigkeiten be» ginnen erst, wenn das Schiff im europäischen Hasen ist. Da mutz das Fleisch sofort in Lagerhäuser, weil es in so großen Massen an» kommt(10 ovo— 15 000 Tierhälftcn), daß es unmöglich gleich dem Verbraucher zugeführt werden kann. Im Schiffe sind die einzelnen 'Tierhälften(oder Viertel) wie Kollis dicht auseinandergcpackt wor- den. Freilich erhielt jedes Stück eine Umhüllung von Gaze und wurde außerdem noch in einen Leinensack,„das Hemd", gesteckt; aber all das ist unterwegs zu beinahe einem einzigen großen Klumpen zusammengesroreru Mühsam muß alles wieder von ein- ander gelöst werden. Scharf wie Messer sind die Kanten von Fleisch und Fett, so daß die Arbeiter sich daran geradezu ver- wunden können. So rasch wie möglich muß die Masse in die Lager- Häuser verbracht werden. Es darf unter keinen Umständen ein Auftauen stattfinden, sonst bekommt das Fleisch sofort einen muffi- gen Geschmack. In den Lagerhäusern liegt es dann zum Tei» wochenlang, und da muß dafür gesorgt werden, daß es unaus- gesetzt die richtige Temperatur behält. Die Lagerhäuser sind des- halb von vornherein in der bedachtsamsten Weise gebaut, mit allem nötigen Maschinenwerk aufs sorgsamste ausgerüstet und müssen auf das peinlichste betrieben werden. Dies gefrorene Fleisch, scheint es auch gleich einem starren Klotze dazuliegen, ist in Wirklichkeit doch eine ungemein empfindliche Ware. Jedes Versehen würde sich bitter rächen. Nun wäre es aber falsch, wollte man annehme», das Fleisch müßte immer möglichst kalt bleiben, womöglich immer gefroren. Nein, es soll überhaupt nicht etwa völlig durchfroren sein, den» wie würde dies das Austauen erschweren, wenn die ganzen Klumpen nur ein Eisblock wären! Nur die Oberfläche soll mi» einer leichten Eiskruste überzogen sein, wenn das Fleisch im Kühl- Haus aus Lager liegt, der Abnehmer gewärtig. Dazu genügt eine Temperatur, die dicht um den Gefrierpunkt des Wassers herum ist(2 Grad Celsius Wärme oder Kälte), denn es ist nicht eine er» höhte Temperatur, die dem Fleisch zum Schaden gereicht, sonder» die Feuchtigkeit, die sich in der umgebenden Luft befindet. Diese bringt die Fäulnis, das Verderben des Fleisches vornehmlich zu- Wege und muß also mit allem Bedacht ferngehalten werden, unki dies ist das eigentliche Kunststück bei der Lagerung der Fleisch« Massen in den Kühlhäusern. Tarauf gehen all die höchst zusammen« gesetzte» Einwirkungen der Kühlhäuser, deren Maschinen, Ventila« toren. Lagerschränke usw. aus. Eine ganze, selbständige Wissen- schaft hat sich geradezu aufgebaut, um hier die richtigen Wege zr» weisen. Mathematik, Physik und Chemie müssen heute Herhalten-. damit das Weien der Kälteindustrie eine durchaus sichere Bezäta« düng finde,•
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29 (30.10.1912) 211
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