855 gefunierf. Bor S3cJannlert wnS Unb«k<mnt«n trat Joel bor und ttgte Zeugnis ab von der Gattin, worauf das Begräbnis stattfand. Gichtbrüchig und knöchern bestieg der achtzigjährige Greis den Erdhügel und redete zu den Versammelten. Das lange, filbergraue Haar und Bart wehte um sein Haupt, und die ganze hagere Ge- statt zitterte, während die Worte behende und volltönend über seine Lippen strömten. Es war der alte Joel Nord, der nach vieljährigem Schlummer wieder erwacht war und die Zuhörer erschütterte, daß keines der vielen Augen trocken blieb. Zuletzt wies er auf Elfridas Tochter, indem er hinzufügte: Und nun tue ich es allen kund, daß fie, die hier steht, mein Kind ist. Für das, was ich Unrechts getan Hab, helfe mir Gott  !" Auf der Heimfahrt wandte sich Joel an Bernhard Oesterman: »Ich werde nicht in geweihter Erde ruhn," sagte er. »Ho, ho! Weshalb denn nicht? Wir sollen wohl alle.. »Nee, ich gehöre dem Meer an. Vor vielen Jahren wollte es mick haben. Die Stimme hier drinnen sagt mir: Wohin Du ge- hörst, da mußt Du hin. Und jetzt weiß ich's. Siehst Du, Junge, 'S ist gut, soinM Weg zu kennen. Dann wird alles leichtex.' (Schluß folgt.) Wenn Kulten, weit, in der Cürkei... Sonst sprachen fie im Dorf natürlich meistens vom Wetter, von der Ernte und Fischerei, von Hochzeiten, Geburten, Todes- fällen und der Gemeindepolitik. Wenn der Nimrod des Ortes, der Schulze und Großbauer Kollatz, ein wildes Kaninchen erlegt hatte, war'S ein Ereignis; er ging zunächst in Krämer Koopmanns Schankstube und zeigte die Beute herum, wo sie dann von der Tafelrunde der Honorattoren begossen wurde. War's gar ein Hase, dann lächelte der alte schlaue Koopmann in seliger Geschäfts- frcude; denn was so ein magerer Lampe an Festeslust hervor- rufen konnte, davon gab es Beispiele,'die schon fast Orgien ge- nannt werden mußten. Aber einmal waren die Hasen nicht sehr zahlreich in dieser öden Heidegegend und zum andern schoß Schulze Kollatz häufig nur Löcher in die Luft. Was in gewöhnlichen Zeiten beim alltäglichen Skat verzehrt wurde, war nicht viel, lln'o darum zitterte der Krämer für den Krieg, über den sich so manches sagen ließ. Streit und Begeiste- rung erzeugten Durst. Er hatte sich«xtra eine Berliner Zeitung   bestellt, in der jeder Quark zu einem gehörigen Brei verrührt und doppelt und drei- fach serviert wurde:Von unserem ständigen Korrespondenten"; Von unserem nach dem Kriegsschauplatz entsandten Spezial- Korrespondenten" und:Wolffs Telegraphenbureau gibt folgende Darstellung". Man muß es dreimal lesen. Und zum vierten Male im Kreisblatt, das den Ereigniffen ohne nervöse Hast nach- ging und noch geruhig in Podgoritza verweilte, während das Ber  - liner Blatt bereits Adrianopel umzingelte. In Krämer Koopmanns Schankstube geriet die Geographie in einen erbarmungswürdigen Zustand, und je weiter es in die Nacht hineinging und je hitziger sich die Schlachten am Biertisch gestalteten, desto unsicherer wurden die Grenzen der Balkanländer. Alles schwankte. Und selbst Büchner, der junge Lehrer, gab es auf, an der� Hand des Atlas wieder Ordnung in das Chaos zu bringen. Denn' bekanntlich stehen aus den Karten niemals die Orte, die man sucht. Oder, wenn sie schon da sind, so schreiben sie sich völlig anders. Doch dies alles waren am Ende nur Aeußerlichkeiten. Vor allem mußte die Frage entschieden werden:Wer wird siegen?" Was meinen Sie, Herr Pastor?" Pastor Krüger hob die Flasche mit Stralsundcr Korn, die zu freihändiger Benutzung auf dem Tisch stand, nachdenklich gegen das Licht, goß feldstvergeffen sein Gläschen voll, trank eS mit Ueberwindung aus und antwortete mit einem Seufzer:»Tja,.. Ich bin selber neugierig. Im Interesse des Christentums darf man wohl den Angreifern Glück wünschen. Andererseits, liehpr Kollatz, sollen die Türken die besieren Kanonen haben." Wenn sie man schießen können," zweifelte der Schulze. Hier lächelte der Förster sarkastisch und sagte:Die Bulgaren  und so weiter sind ja keine Hasen und reißen nicht aus. Aber ich glaube, die Türken haben den Vorteil,'oaß fie von preußischen Offizieren gedrillt wurden. Na. und was das heißt...' Meinhard, der Schmied, der, wie er ging und stand, von der Arbeit gekommen war, legte seinen rußigen Arm schwer auf den Tisch:Der Parademarsch macht's auch nicht. Wer gut die Beine schmeißen kann, kann auch gut weglaufen." Barbier Thümmel hielt sich meistens als Zuhörer still im Hintergrunde bei den Kleinbauern und Fischern. Nun aber mußte er es doch sagen:Die Strategie macht's!" Ein wahres Wort, lieber Thümmel." Der Pastor nickte ihm freundlich zu.Was nützen die größten und stärksten Heeressäulen, wenn sie falsch dirigiert werden? Ich meinesteils halte es beinahe für unrichtig, daß die bulgarische Küste am Schwarzen Meer   wie es den Anschein hat höchst ungenügend bewacht wird. Ein energischer Vorstoß der türkischen Flotte gegen einen bulgarischen Hafen, eine forcierte Truppenlandung und die bulgarische Armee hat den Feind im Rücken. Sie wird zerquetscht." Er führte die gespreizten Hände zusammen und sagte noch einmal breit und ausdrucksvoll:Zer quetscht!" Er trank während eines Achselzuckens sein Bier aus und fügte hinzu Was ich im Interesse des Christentums bedauern würde. Herz Koopmann, eine Märzen, bitte." Kuckt her!" Der Schmied setzte sein Bierglas mit einem! hörbaren Ruck in die Mitte des Tisches.Das ist Konstantinopel  , Das da." er operierte nun mit Schnapsgläsern,das da ist de« Grieche. Dies ist Nikita. Hier steht der Serbe und da Ferdinand, Nu paßt mal ganz genau auf! Er tuntte den Zeigefinger in eine Bierpfütze und zog von bei? einzelnen Balkanländern feuchte Linien nach Konstantinopek» So. Nu marschieren alle geradeaus und direktemang auf Kon» stantinopel zu, schließen das Nest ein so," er gruppierte di« kleinen Gläser um das große,und der Türke fitzt in der Falle." Aber die Festungen unterwegs," wandte der bescheiden� Barbier ein. Die werden genommen oder man geht druni'mm." WaS einem in den Weg kommt, wird niedergeknallt," sagt« der Schulze. Und der Förster:»Furchtbar einfach. Profit, meine Herren!" Koopmann erneuerte den Stoff. Er brachte einen Arm voll Bierflaschen herein und ersetzte die leere Komflasche auf dem Tisch durch eine volle. Die Gesichter nahmen schon eine intensivere Färbung an. Der Förster summte vor sich hin und trat mit dem Fuße den Takt dazu. Pastor Krüger lächelte selig und sang leise:Du Schwert an meiner Linken." Der Ortsschulze hatte einen kleinen Privatdisput mit dem Schmied, der sich auf Radreifen und Hufeisen bezog, und der Barbier unterhielt sich gedämpft mit denkleinen Leuten", denen die neuesten Kriegsereignisse noch fremd waren.Die Taktik." sagte er,die Strategie! Aber Mustafa-Pascha   versteht sein Handwerk!" Ick mein, dat wör'n Dörp," wandte ein Fischer ein. Pascha? Pascha ist der Oberfeldherr." Der andere schüttelte den Kopf und sah zweifelnd auf die andern. Jedenfalls ist'S'n tücht'ger Kerl," sagte der Barbier.»Mag er heißen, wie er will." Büchner, der Lehrer, saß nachdenklich da, die Stirn gekraust, die Arme verschränkt. Wir Napoleon   vor Moskau,  " ulkte der Förster.Trinken Sie'ne Buddel Märzen, dann wird Ihnen besser. Korn verachten Sie ja leider." Keine Stimmung, Herr Büchner?" fragte Krüger.Berufs, ärger?" Das auch, Herr Pastor. Unter den Jungen sind wieder Schlachten im Gange. Knüppel als Schwerter und Lineale als Schießwaffcn. Dem kleinen Wille haben fie heute ein Loch in den Kopf geschlagen. Der arme Kerl spielte den Türken. Einen Zoll weiter und ein Auge war fort." Legen Sie die Bengels über!" schrie der Schulze.Sind überhaupt zu sparsam mit der gebrannten Asche." Prügel sind schlechte Arguniente, Herr Kollatz." Argumente, Argumente," äffte der Schulze, trank mit hef- tiger Geberde sein' Bier aus und brummte böse:Neumodischer Kram." ..Wenn die Großen Krieg spielen, tun's die Kleinen natürlich! auch," sagte Büchner. Die Jugend soll fich abhärten." rief der Schmied.Wenn es bei uns mal losgehen sollte" Da sei Gott vor!" Der Pastor hob erschrocken die Hände. Warum?" Kollatz sah ihn unfreundlich an.Wir brauchen schon lange'nen frisch- frei-fröhlichen Krieg." Brauchen?" Ja!" Der Schulze schlug mit der Hand auf.Damit wieder Zug in's Voll kommt, in's schlappe!" Wozu Kriege?" Der Lehrer sah verloren an die Decke.Da doch alle Leute schließlich von selber sterben." Und man auch im Frieden Rheumatismus   kriegen kann," fügte der Förster, der mit schmerzlicher Miene ein Knie anzog, hinzu. Schöne Aussichten!" Der Schulze warf böse Blicke auf den Lehrer.Werden feine Patrioten erziehen! Büchner antwortete nicht. In der Tat!" Kriiger blickte ihn freundlich mahnend an. Der Krieg ist doch wohl die Schule der Tapferkeit," Und der Bestialität." Nun wurde es ganz still in der Stube. Kollatz warf wütende Blicke umher. Der Pastor war heftig erschrocken... Stellen wir uns doch einmal ein Schlachtfeld vor, fuhr der Lehrer fort.Zerschmetterte, zerfetzte Körper. Abgerissene Glieds maßen. Stöhnende, heulende, sterbende Verwundete. Und daS Schlimmste: Krüppel, die später weder leben noch sterben können. Außerdem" Ja, ja, entsetzlich." Krüger trank einen Korn. Der Ortsschulze aber unterbrach den Lehrer, indem er sei»« tiefen dröhnenden Baß erhob und zu singen begcum:»ES' ein Ruf wie Donnerhall,»