merk' ich erst, was da all' drinsteckt. Und kann mir mein'Vers draus machen."Mit ihren Altersgenossinneu traf sie sich selten. Einpaarmal hatte sie die Spinnstube besucht. Als ihr Vater siedort abholte, war über sie gespöttelt worden. Darauf warsie ganz fortgeblieben.Mehr und mehr beschäftigte Weilandt der Gedanke, wieer sich dies tüchtige und gescheite Mädchen zur Frau gewinne.Wenn er sein Ziel erreichen wollte, hatte er mit ihrem Vatereinen schweren Kampf zu kämpfen. In den Augen des PeterMargolf war der Lehrer weiter nichts als ein Mensch, der derGemeinde Kosten auferlegte. Im Torf— das brachte ergern aufs Tapet— hatte vor vielen. Jahren ein Schusternebenher das Amt des Schulmeisters innegehabt. Und dieKinder waren auch groß geworden. Dazunial wuchsen dieWürste aus den Bäumen, und die gebratenen Tauben flogenden Leuten.ins Maul. Jetzt wurde dem jungen Volk allerleiunnützes Zeug eingetrichtert, und die Zeit machte ein finstresGesicht dazu. In Heiratsangelegenheiten huldigte er demGrundsatz:„Reich bei Reich und Bettel bei Bettel." Bis er,der Wohlhabende, sich entschließen würde, seine Tochter einem„Schulschleicher aus Hungerburg" zu geben, mußte noch vielWasser den Vogelsberg hinunterlaufen. Daß der Eigennutzdie Spindel am Rocken des Manns war, l>atte er, der Lehrer,bei besonderer Gelegenheit erfahren. Als teilweise Ver-gütung für sein Orgelspiel in der Kirche war ihm von derGemeinde die Grasnutzung des alten Friedhofs zugebilligtworden. Hier stand aus dem Grab eines Margolf, der vorsiebzig Jahren gestorben war, eine mächtige Esche. DerBauin mit seinem weitverzweigten Wurzelwerk entzog demBoden viel Kraft. Deshalb wurde er ans Weilandts Geheißmit Bewilligung des Bürgermeisters niedergelegt. Nunerhob der Peter Margolf ein großes Geschrei. Weilandt, imGlauben, es werde ihm Pietätlosigkeit gegen einen Abge-schiedenen zuni Vorwurf gemacht, besuchte den Bauer, sich zurechtfertigen, und, wenn es nötig sei, auch Abbitte zu tun.Es war ihm aber bald klar, daß es der Peter lediglich auf dasHolz der Esche abgesehen hatte, die er als Familieneigentumin Anspruch nahm. Weilandt ließ ihm den Baum zufahren,worauf der Friede hergestellt war. Dem Margolf die Ohrenzu kitzeln, sich um seine Gunst zu bewerben, verbot ihni seinStolz. Die Marie war ihm zugetan. Dafür hatte er vieleBeweise. Wenn sie sich erst einmal ausgesprochen hatten,mußten sie alle Mittel aufbieten, des Alten Widerstand zubrechen.(Fortsetzung folgt.)Im argentmifcben IVlais.Bon Leo K o l i s ch.Der argentinische Winter gleicht in den Frühstunden seinerTage unserem späten Herbst. Träge Nebel legen sich schwelendüber die totbraune Pampa, gleißender Reif deckt die Brachfelder,die Prärien und die Maisfluren, starke Eisschalen breiten sich aufden Lachen der Wege, über Viehtränken und flache Sümpfe. Aberwenn die Sonne hochkommt, die herrliche Sonne Südamerikas,dann fliehen die Nebel, dann löst sich' der Reif in tausende blin-kcndcr Tropfen, dann schwindet das Eis. Und am frühen Vor-mittag schon muß der Landarbeiter den Rock ausziehen, so sommer-lich wirds.Das ist die Zeit der Maisernte, des Maispflückens; die Zeither letzten Arbeit in der langen Folge der argentinischen Ernte-arbeiten.Ter argentinische Bauer ist Pachtfarmer. Er hat das Land,dem er die Frucht entreißt, nur auf fünf Jahre in Besitz genom-men und muß es nach dieser Zeit, mit Klee untersät, dein Groß-grundbesitzer zurückstellen. Dadurch gewinnt der kreolische Estan-ciero nicht nur eine konstante Grundrente, sondern auch ein fetteSWeideland statt der mageren Prärie, die er dem Farmer inPacht gab.So gibt es in Argentinien, von wenigen alten Kolonien abge-sehen, keinen seßhaften Bauernstand, sondern nur nomadisierendePachtbaucrn, die von fünf zu fünf Jahren Haus und Herdabreißen und anderswo neu anfangen. Das läßt keine bäuerlicheBehäbigkeit aufkommen. Ter argent' lische Chacrero kennt keinenKomfort: er kennt Obst und edleres Gemüse bloß von, Hörensagen.Für>ven soll er einen Garten anlegen? Für den Distinguido, derihn ausbeutet? Für die Schafe und Rinder, die nach einem halbenJahrzehnt auf der Stelle weiden werden, auf der sich heute seinLehmhaus und sein Wellblcchschuppcn erheben?— Er hat nur dasBestreben, soviel als möglich aus dem Lande herauszuschinden,bevor er weiterziehen muß. Deshalb'st der argentinischen Acker-bau ein so seltsames Zwischending zwischen dem primitiven Brach-system und intensivster Maschinenwirtschaft.Ist so schon der Bauer ein halber Zigeuner, so kann man sichunschwer eine Vorstellung machen davon, wie der argentinischeLandarbeiter zu leben gezwungen wird. Der Jahresknecht, dersich dem Farmer für das ganze Jahr, von Ernte zu Ernte, ver-dingt hat, haust ja schließlich nicht viel schlechter als sein Herrauch. Ist er ein halbwegs anstelliger Mensch, dann richtet erfichs nach und nach wohl etwas wohnlicher ein in den nackten vierLehmwänden, die ihm zugewiesen wurden als„freies Logis". Aberder Saisonarbeiter, der Erntepeon, lebt, wie ein Stück Vieh. Erliegt im Schuppen auf der schmutzigen, von den Haustieren ver-unreinigten Erde auf Stroh oder Maiskraut und deckt sich mitden Getreidesäcken zu und mit den Lumpe», die seine Linchera(Reisesack) birgt. Er bekommt die Erntekost, ausgekochtes, unreinzubereitetes Fleisch mit Kartoffeln und Kürbis, etwas Reis und,wenn es hoch kommt, einmal Guisado, ein scharfgewürztes Gerichtaus gedünstetem Fleisch, Reis, Kartoffeln und einigen anderenHerrlichkeiten. Wird er krank, dann zahlt ihn der Farmer ausund er kann gehen. Wohl ihm, wenn er sich bis zum nächstenPueblo schleppen kann, das etwa ein Spital hat. Sonst verendeter auf dem Wege....Früh zeitig ists. Aus dem Galpon der Erntearbeiter dringengar sonderliche Töne. Dort jammert einer auf deutsch, daß erseine Knochen nicht spüre; er ist so unpraktisch gewesen, sich lauterstarkes Maisiraut als Unterlage zusammenzusuchen, statt derschwachen, weichen Pflanzen, und hat auf den holzharten, knotigenStauden durchaus nicht wohl geruht. Dort zitiert ein Süditalienerzum zwanzigsten Male leinen„porco Dio" und jammert, daß ihmsein Rückgrat steif gefroren sei. In einer Ecke liegt ein frostbeben-des Grünhorn, das, bloß mit einem Sommerüberziehcr zugedeckt,die Frostnacht bestanden hat. Argentinien ist ein so heißes Land,glaubte der gute Mann, als er sich daheim seine Reiseausrüstungzusammenstellte.Draußen ists noch finster; die Morgensterne blinken hart undkalt vom Himmel herunter. Zum Waschen ists zu kalt heute früh;höchstens die Hände ein bißchen.— In der Peonküche ist schondas Feuer entzündet; an schwerer, rostiger Kettet hängt vom ruß-verklebten Wellblechdach der fünfzigliterige Kochkessel über demriesigen Herdplatz. Schon summt das Wasser, und sein Gesangwärmt uns im voraus tröstend den nachtleeren Magen. Um dasmächtige Feuer, genährt von entkörnten Maiskolben, drängen sichdie Frierenden: jeder möchte sein Plätzchen an der Wärmeseite,jeder will seine Knochen auftauen lassen. Die alten Kunden stellenihre Wasserkessel ans Feuer, um vor dem Frühstück einige ZügeMate zu saugen; oder sie rösten die Reste des gestrigen Pucheros(Kochfleisch) in der Glut; und die Gringos schauen mit hungrigenAugen zu.... Der Gucinero schöpft aus dem Ballen von Rinds-haut bedächtig einen Suppenteller voll Derba und entleert ihn inden Kesiel, gibt dann drei Teller Zucker hinzu und nun überläßter das Frühstück unbekümmert der wohltätigen Macht des Feuers.Bah! Wenns überläuft, ist der Mate fertig. Dann einige Spritzerkaltes Wasser in den Kessel, damit sich das Kraut zu Bode» setze,das Feuer gedämpft, und der Frühschmaus kann losgehen. Mateund Galletas, eine Art Hartsemmcln, damit soll der Magen beiharter Arbeit auskommen bis zum Mittagbrot. Wie zuvorkommendwir älteren Kunden nun auf einmal geworden sind! Wir lassenden Gringos, die beim Essen sonst zuletzt drankommen, gern denVortritt; je tiefer zum Boden des Matekcssels, desto aromatischer,kräftiger und süßer wird der Trank. Also hübsch höflich sein....Nachdem wir uns so den Leib weidlich vollgeschlagen haben miteingeweichten Hartsemmeln, kann des Tages Arbeit losgehen. Wirgehen nach deni Galpon, holen uns den Korb und die Säcke, die wirvormittags vollzupflücken gedenken. Sind sie nicht größer gewordenüber Nacht? Es ist ein beliebter Trick der Maisfarmer, denPflückern nach und nach größere Säcke unterzuschieben.Draußen ists heller geworden, der Nebel beginnt sich zu heben.Puh, wie kalt! Wir beschäftigen uns ausnahmslos mit Zähne-klappern, während wir dem Felde zuschreiten. Keiner von uns istwarm bekleidet, mit den Schuhen haperts auch bei den meisten.Die Maispflücker sind fast immer im Hauptberuf Attorantes(Land-streicher).Der Mais ist nicht schlecht. Ich, der ich doch nur ein mittlererPflücker bin, habe seit acht Tagen durchschnittlich 15 Säcke täglichgepflückt, ohne mich allzusehr anzustrengen. Zu 28 Centavos perSack ergibt das einen Tagesverdienst von über 4 Pesos. Freilich,die Regentage gehen ab. die Sonntage auch. Und an den Tagen,an denen die Sonne nicht durch die winterliche Wolkenwand kann,wird nur wenig fertig, weils zu kalt bleibt. Aber auch sonst istdas Maispflücken nicht die angenehmste Arbeit. Man stelle sichvor, daß die Pflanzen schon längst von Wind, Regen und Frost zuBoden gedrückt worden sind; der Pflücker muß also tief gebücktarbeiten. Daß die Kolben häufig noch fest an den Fruchtknotenhaften; die Hand wird also, im Gelenk besonders, hart angestrengt.Und zu allem die Kälte der Nacht, die Fröste der Frühstundcn.Am wenigsten taugt das Maispslücken für den Gringo. der umso eifriger zu arbeiten gezwungen ist, je schlechter er pslückt.Während der Erfahrenere früh langsam aufs Feld schlendert, dortein Feuer anzündet und ruhig wartet, bts der Frost etwas ge-wichen ist, muß das Günhorn, um auf den Mindestlohn zu kommen,bei dem der Farmer noch die Kost beistellt, beir. ersten Frühstrahlanfangen, eine Stunde im rauhbereiften Maisgestrüpp herumlaufen