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Landes, die ins Grundbuch in Yorkton, wie man mir sagte, auf den Namen des Präsidenten Peter Verigin eingetragen sind. Jedes dieser Dörfer wählt drei Männer und drei Frauen, die sehen nach dem Wohl und Wehe der Männer und Frauen ihres Dorfes, es geht zu wie im alten Testament. Einmal im Jahre Tommen diese zweiundvierzigmalsechs zu einer Versammlung zu sammen, in der die Angelegenheiten der Community" besprochen werden. Es ist ein Warenhaus da, aus dem jeder, nach Maßgabe seiner Arbeit und seiner Bedürfnisse herausholt, was er braucht, und eine Kanzlei, mit großen Büchern, in denen jedem gut und zur Last geschrieben wird, was er verbraucht. Für die Kinder und die Alten sorgt die" Community". Dieser edle Zug wird mir von den Kommunisten nachdrüdlichst eingebläut.

Ein Trommler( so heißen im Volksmunde die Handlungsreisen­den) versichert mich, daß die Duchoborzen auf ihrem ihnen von der Regierung reservierten und ihrem dazu erworbenen Bande heute drei Millionen Dollar wert" sind. Er irrt sich und sagt: Beter Verigin sei diese drei Millionen wert".

Ich verbessere:

" Sie meinen: die Community".

Der Trommler erwidert:" Ich meine Verigin." Die Community!"

Verigin!"

Ich: Aber dies alles hier gehört doch der Community!" Darauf lacht der Trommler:" Yep, Siree, also meinetwegen die Community."

Jeder Einwanderer wird, wenn er drei Jahre lang in Kanada gewohnt hat, von der Regierung aufgefordert, Kanadier zu werden. Kanadier zu werden ist nicht schwer und die Prozedur äußerst ein­fach. In einem Bureau in Montral habe ich gesehen, wie es gemacht wird. Ein junger Mann kam herein, trat an einen Schalter heran, Tegte zwei Finger seiner rechten Hand auf eine kleine, fleckige Bibel, während er in der linken derweil seine brennende Zigarette hielt der Beamte tribelte etwas auf einen Bogen, dann kam der nächste dran. Alles dies ging einfach und rasch zu, wie beim Bar­bier. Die Duchoborzen aber weigern sich, die beiden Finger aufs Buch zu legen. Das Land, auf dem sie sißen, fällt infolgedessen nach drei Jahren an die Dominion zurück. Die Dominion leiht ihnen pro Kopf 15 Acker, die ihnen aber auch jeden Augenblick ge­nommen werden können.

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Wie kommt es nun, daß das Land in Yorkton auf Verigins Namen ins Grundbuch geschrieben steht? Der Postmeister, ein deutscher Mennonit, hat früher im Amt in Yorkton gearbeitet und die Eintragung mit eigenen Augen gesehen. Wie das kam, weiß er mir nicht zu sagen.

Was geschieht, wenn Königliche Hoheit", wie der Postmeister fagt, einmal die Augen schließt? Dann fällt das Land an die Kont­munität zurüd, sagen die Getreuen. Dann gibt es einen Kampf aufs Meffer, sagen die Rebellen, sagt auch Sam Batschurin. Sam ist 25 Jahre alt und hat Weib und Kind und seine alte Mutter im Dörfchen Terpenje wohnen. Sam gehört nicht mehr der Kommunität an. Er sprüht Blige, wenn er von der Kommuni­tät spricht, die er übrigens wie Kominutom" ausspricht. " Foolish people!( Närrisches Volk)" Wer? Die Kommu­nisten". Er selbst hat jahrelang für die Kommunität gearbeitet. Hart und von früh bis spät. Er für seinen Teil hat es satt, sagt er, für Peter Verigin zu arbeiten. Es heißt: jedem, der Kommu­nisten werden jährlich für seine geleistete Arbeit 200 Dollar in den Büchern der Gesellschaft gutgeschrieben. Hat er teine Lust mehr, für die Allgemeinheit zu arbeiten, so erhält er beim Austritt sein Guthaben auf den Tisch gelegt. Sam und seine Familie aber haben, als fie nach jahrelanger Arbeit austraten, 15 Dollar erhalten. Sam ist jetzt Kutscher in einem Mietstall und Knecht eines Kanadiers. Mit ihm ist sein ganzes Dorf aus der Kominutom" ausgetreten. ( Schluß folgt.)

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Lichtkultur vor 100 Jahren.

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Wachsstock" zum augenblicklichen Anzünden für kleine Gänge. Die Talglichter waren die regelmäßige Beleuchtung der Zimmer, und die waren nichts weniger als hell und angenehm. Meist stand nur eines auf dem Tisch; die Malerin Caroline Bardua erzählt aus ihren Jugendleben, das sich in einer guten Bürgerfamilie abspielte, daß stets nur ein Licht brannte, bei dem die Mutter las und die Töchter arbeiteten. Nur wenn Bes such tam zündete man zwei, bei hohen Gästen sogar vier Talgo lichter an. Das Licht bedurfte beständiger Pflege und Aufmerks samkeit, denn alle Viertelstunden verdüsterte es sich und mußte dann geputzt werden. So spielte denn die Lichtpusschere eine große Rolle; sie stand als stehendes Intentarstück in einem blechernem Schiffchen neben dem Leuchter. War man ungeschickt, so erlosch das Licht und die Gesellschaft saß plöblich im Dunkeln; oft war diese Ungeschicklichkeit nicht unbeabsichtigt und die plötz liche Verdunkelung des Zimmers gibt in den Biedermeiergeschichten seit Jean Paul den besten Anlaß zu allerlei Schabernack und ko mischen Verwickelungen. Defters mußte auch ein Dieb" vom Lichte genommen werden und das Putzen war überhaupt eine Kleine Kunst, die manchem recht schwer fiel. Beim Auslöschen des Lichtes entstand ein sehr häßlicher Geruch; man mußte es daher mit einem Klümpchen Talg, das man an die Spitze der Lichtput schere nahm, ersticken.

Auch die Oellampen würden unseren heutigen Ansprüchen feineswegs genügen. Da man der Kunst noch nicht Herr war, durch einen geschlossenen Glaszylinder die Leuchtkraft zu steigern, brannte die Flamme zumeist offen. Die primitivste Form war eine offen brennende Lampe mit dünnem Docht, das Dellicht". Vielfach sah man auch, besonders in der Küche, Hanglichter, Lampen ohne Fuß, die mit einer Kette an einem Halen am Gesimse des Rauchfanges aufgehängt waren. In besseren Häusern hatte man schon größere, fünstlicher eingerichtete Lampen, aber die Beleuchtungsformen, die noch unsere Jugend erhellten, die Gasspiritus- und Petroleumlampen, tamen erst langsam um die Mitte des 19. Jahrhundert auf.

Noch viel primitiver, ja von einer heute ganz abenteuerlich anmutenden Beschwerlichkeit war das Feueranzünden. Das schwedische Zündholz, das um die Mitte des Jahra hunderts erfunden wurde, war auf diesem Gebiet eine wahre Gr lösung. Im Winter hielt man meistens im Ofen oder Herd eine glühende Kohle, an der ein Schwefelfaden oder Schwefelhola entzündet werden tornte. Hatte tan bereits eine lichte Flamme, so genügte ein did bus zum Weiterzünden. An den hin und herziehenden Funken des erlöschenden Fidibus hatten die Kinder ihre Freude; sie sagten: Sie sähen die Leute aus der Kirche gehen" und der letzte Funke war der Küster". War kein Feuer mehr im Hause, dann bediente man sich eines Feuerzeuges, das gewöhnlich aus Stahl, Stein und Schwamm bestand. Man schlug mit dem Stahl so lange an dem Stein herunter, bis der auf den Stein gelegie Zunder von einem der heraussprühenden Funken Feuer gefangen hatte. Da der billige Feuerschwamm nur sehr schwer zündete, so konnte man sich bei diesem Geschäft recht lange abmühen. An den glimmenden Schwamm hielt man ein Schwefelholz, das dann nach einiger Zeit in lichter Flamme brannte. Die in geschmolzenen Schwefel getauchten Fäden wurden in Päckchen zu 3 Pfennig verkauft; sparsame Hausfrauen sollen mit einem Pädchen ein Jahr lang ausgekommen sein. Man trug so für den Kanpf mit dem Licht im Feuertäschchen" bea reits eine Anzahl Waffen mit sich; es gab aber auch noch besondere 3ündmaschinen. Da waren die Luntenfeuerzeuge und die Zunderbüchsen, dann die chemischen Feuerzeuge, die nach der Entdeckung Berthollets, daß chlorsaures Kali sich durch Schwefela säure entzünde, auftamen. Diese" Täschchenfeuerzeuge" bestanden aus langen plumpen Schwefelhölzern, die man in Fläschche tauchte und brennend herauszog; man konnte sich mit der Säure aber leicht den Rock für immer verderben. Im Wohnzimmer des besseren Bürgers fand man wohl auch ein Mahagonikästchen, das ein fompliziertes Instrument umschloß. Durch den Druck einer Messinghandbabe wurde ein Platinschwämmchen glühend, das einen Fidibus entzündete. Die Entzündung wurde durch Entwic lung von Wasserstoffgas hervorgerufen. Dieses Döbera einersche Feuerzeug wurde nicht nur in Kästen, sondern auch in gefälliger handlicher Form aus Blech, Glas oder Por­zellan hergestellt. Man fonnte es im Spazierstock oder in der Westentasche tragen. Aber wie kostspielig war diese Vorrichtung, So drängte seit 1830 die Enta wie unsicher, wie unbequem! wicklung immer mehr auf die Streichhölzer hin, die freilich zua nächst noch einen üblen Phosphorgeruch und große Feuersgefahr mit sich brachten. Mit dem Siegeszug der Schweden " sant dann die Lichtkultur der Biedermeierzeit endgültig dahin. Das An zünden der Zigarre war nun fein großes, Minuten dauerndes Ereignis mehr und man brauchte keine Repetieruhren, um im Dunkeln zu wissen, wie spät es iſt....

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Unter den gewaltigen Fortschritten in der äußeren Lebens­haltung in den letten 100 Jahren ist wohl der erstaunlichste in der Lichtkultur" geschehen, in der 8immerbeleuchtung. Wir können uns heute gar nicht mehr vorstellen, wie dunkel es vor hundert Jahren am häuslichen Herd war, welche unendliche Mühe das Feueranzünden verursachte, und in nichts hätte uns der Urgroßvater mehr bewundert als in der zauberhaften Schnellig­feit, mit der man heute durch einen raschen Druck auf einen Anopf ein früher kaum vorstellbares Glanzmeer entfaltet. Als die täglichen Beleuchtungsmittel kannte man vor hundert Jahren nur Talg und Del. 3war gab es auch Wachskerzen und sie ver­breiteten in großer Menge ein schönes vornehmes Licht. In der Zeit der Grandseigneurs, da das Geld keine Rolle gespielt hatte, waren bei Hofe und in den Schlössern des Adels die Kronleuchter aus dem funkelnden venezianischen Glas mit Hunderten von Kerzen besät gewesen und hatten einen feenhaften Schimmer aus­gestrahlt. Aber vor hundert Jahren war man arm geworden, und die Wachskerzen waren unerschwinglich teuer; nur noch bei großen Festlichkeiten oder in den vornehmsten Zirkeln sah man Wachs­lichter; in bürgerlichen Kreisen hielt man sich höchstens einen Thomas Mann in einem wundervollen Profastück zu einem sich selbst

Kleines feuilleton.

Literarisches.

merita heute und morgen. Artur Holiticher, den