kannten ihren Herrn. Der Zonig war ihm als Hausmittel unentbehrlich. Obttrchl er durch Strohkörbe viel Einbuße erlitt, wollte er von Mobilstöcken nichts wissen. Und gar die Glastüren waren ihm in der Seele verhaßt. Treuheit mußte auch ini Umgang mit Tieren gelten. Bei solcher Schnüsfclsi hörte der Friede Gottes auf. Wer ließ sich denn gern in die Wirtschaft gucken? Sieben Körbe hielt der Alte und setzte immer Geld dabei zu.„Ein teuer Vergnügen und ein langer Verdruß!" dachte Peter, der Sohn. Aber er durfte nicht mucksen. Sobald er den Hof übernommen hatte, holte er einen Bienenkenner. Ter gab ihm förmlich Unterricht. Die Strohkörbe machten beweglichem Wabenbau Platz. Geräte wurden angeschafft. Ter Peter sah sein blaues Wunder. Ein paar Jahre hin, die Bienenwirtschaft stand in Flor und warf ein hübsches Sümmchen ab. Der Bauer in seiner Sonntagsmontur, das Gesangbuch in der Hand, nähert sich dem Bienenhaus und schreitet ge- mächlich die Stöcke entlang. Beim letzten hält er an. Die Bienen haben sich vorgelegt, der Klumpen wird zusehends größer. Einzelne Tierchen stürzen aus dem Flugloch heraus, schütteln den Körper und schlagen mit den Flügeln. Diese und andere Zeichen können nicht trügen, ein Schwärm bereitet sich vor, den Mutterstock zu verlassen. Entwischt er, sind sechs, acht Mark verloren. Der Peter kratzt sich hinterm Ohr. Soll er hier auf dem Posten bleiben oder soll er in die Kirche gehen? Selten, daß er auf der Männerbühne fehlt, wenn das Vaterunser gebetet wird. Aus deni Gebet ersteht ihm der Segen, der auf seiner Arbeit ruht. Er kämpft mit sich. Ter Sonntag kann zum Sündentag werden. Der Kappes am Hirschcck hat einmal Ostern den Stall gemistet und hat dabei einen Fall getan, daß er kreuz und quer verbunden wurde. Ganz sicher, der Herrgott im Himmel hat ihn gestraft. Dem Peter steigt das Blut zu Kopf. Krammenot aber auch! Ist er denn mit der Pelzkapp' geschossen? Er will docki wahrhaftig am Sonntag nicht schaffen. Was will er denn? Da sind seine Bienen. Die gehören zum Hof so gut wie das Vieh. Ange- uommen, eine Kuh bricht ihm aus. Dann fängt er sie ein. Ob's Sonntag oder Montag ist. Akkurat so wird er's mit dem Schwärm jetzt machen. Das ist ein Muß. Das läßt er sich von niemand verbieten. Er reckt den Kopf in die Höhe, die Brauen wachsen in eins zusammen. Er ist entschlossen, zu bleiben. Die Marie erscheint an der Gartentür. „Vater,'s is die höchste Zeit!" „Geh nur fort," ruft er ihr zu, den Blick nicht von dem Stock verwendend. Die mit Blumenstaub bcladenen Bienen lassen sich vor deni Flugloch nieder. Durch die Glastüren kann man's dcut- lich sehen, die Schtvarmbienen haben die Köpfe in den Zellen, für die neue Heimat Vorrot zu sanuneln. Eilends begibt sich der Peter ins Haus, legt den schwarzen Kirchenrock ab und kommt im blaugestrickten Wams zurück. Er setzt einen neuen Stock in Bereitsck)aft, stellt Feder- wisch und Korb zurecht. Möglich, der Schwarni fliegt plötzlich auf, es kann auch noch eine Weile dauern. (Fortsetzung folgt.) Bei den Duchoborzen. Von Arthur H o l i t s ch e r�) (Schluß.) Tcrpense ist nicht der einzige Lrt, der nicht mehr zur Kommu- nität gehört. Es gibt eine ganze Anzahl von Dörfern unter den �2, dü�Vcrigin untreu geworden ist, und einfach nichts hcrauI- gezahlt bekam beim Austritt, obzwar sich in der Zahl Dörfer be- finden, deren Bewohner ein Jahrzehnt nnd darüber für die Kom- niunität gearbeitet haben. Alles, worauf die Leute Anspruch hatten, blieb einfach in der Kasse der Kommunität begraben. Wir kommen in Terpenje an und Sam hält vor seinem kleinen sauberen Häuschen. Sam benutzt die gute Gelegenheit und stattet seiner Familie eine Visitc ab. Dies ist ein Häuschen der Armut, aber wie hübsch und wohn- lich und bunt! Samö alte Mutler und seine schöne junge Frau kommen uns auf der Schwelle entgegen und es wird mir unter stummen Verbeugungen eine Schale Wasser gereicht. Sa ms Frau hat ein sorgenerfülltes Gesicht; sie hält ihr zehn Monate altes Kind Polja aus dem Arm, Polja ist immer krank und hat ein wachSgelbes Gcsichtlein unter dem buntesten Wollmützchcn, das ich mein Leblag gesehen habe! Die Familie fühlt sich längst nicht mehr lvohl in der Duchoborzengcgend und denkt daran, nach Mexiko auszuwandern� Bald ist die hübsche Stube voll von Men» sehen aus Terpenje. Sam macht den Dolmetscher und ich probiere. so gut ich kann, die politischen Verhältnisse in Mexiko den Leuten darzustellen, um sie von ihrer unglücklichen Idee abzubringen. Sie wollen, was sich bietet, annehmen, aber das gute Obstland, in Kootcnay, wo von Verigins Gnaden schon 2000 der Ihren fitzen» lockt sie nicht. Sie wollen Komesteuders(Heimstättenbesitzer) werden und haben genug von Kominutom. Nur die Alten und Aclte- sten sind dem alten Glauben und Verigin wirklich noch ergeben. Die Jungen wollen, offen oder versteckt, heraus; ja sogar der Nesse Peter, der mir heute in der Mühle von seinem Volk erzählt hat, sucht eine Komesteud(Heimstatt)! Wenn Onkel Peter zurückkehrt» wird er es zu seiner großen Verwunderung erfahren. Sie hassen die Zurückgebliebenen und hassen den Zaren. Sie schicken ihr Korn lieber in eine englische Mühle, sie haben es satt, für den Zaren zu arbeiten. Er hat sie kurz gehalten zur Zeit, da sie für die Kommunität gearbeitet haben, hat es verhindert, daß sie Schulen haben, Englisch oder auch nur Russisch schreiben und lesen lernen; all dies mit Christus als Rückendeckung.' Freilich, er hat sich selber zu ihrem Führer aufgeworfen. Der Geist kommt über die Gemeinde und der Geist nistet sich in einem der Gemeinde fest ein. Zuletzt war es eine Frau, die an der Spitze der Tuchoborzen stand; als sie starb, hat sie Verigin als ihren Nachfolger bezeichnet nnd Peter, der daheim in Rußland wahr�und wahrhaftig ein Märtyrer gewesen ist, 18 Jahre seines Lebens lang. ist jetzt nicht nur der Zar, sondern so etwas wie der Christus der Duchoborzen, die ihm blind ergeben folgen— bis auf die Abtrünni- gen, wie gesagt. Samö Leute und ich nehmen unter tiefen Salamleks Abschieb voneinander; dann knallt Sam mit seiner Peitsche und die beiden wilden Broncho» sausen im Hui über die Felder landeinwärts. Ich frage Sam nach den Sitten und Gebräuchen, die im Fa- milienleben gang und gäbe find. In sexuellen Dingen gibts keine ..Kommunität" bei den Duchoborzen, das ist eine Verleumdung durch böse Zungen. Freilich der Zar soll kein Kostverächter sein. und die Erbitterung unter den Leuten geht auch auf diese Ursache zurück, das höre ich nicht von Sam allein. Wirklich, die Frauen dahicr sind außerordentlich hübsch. Die Tuchoborzen heiraten sehr früh, die meisten mit 16 bis 17 Jahren. Mag ein Junge ein Mäd- che» und dieses ihn, dann kommen an einem Sonntagnachmittag die Eltern zusammen, besprechen die Angelegenheit, und die beiden sind'Eheleute vor Gott und der Gemeinde. Wir kommen in einen kleinen Ort. ich glaube, sein Name ist Nadjeshda■— in dem die Duckoborzenkirche steht. Die Kirche ist ein großer Saal mit einem Holzti'ch, auf dem ist ein Glas Wäger und eine Schale Salz. Wenn Gottesdienst ist, tritt, je nachdem der Geist über ihn oder sie kommt, einer oder eine aus der Gemeinde bervor, tritt zum Tisch und predigt den anderen von Gott und Christus. Im übrigen muß gesagt sein, daß, genau wie bei den Menno- niten drüben, jedes der 42 Dörfchen eine eigene Sekte vorstellt, mit eigenen Anschauungen nnd Gebräuchen. Der Vater des Post- oveisters, ein alter Mann, der mit ihnen haust, seit sie hier sind, sagt mir: er habe noch nicht herausbekommen, was es mit ihrer Ueberzeugung eigentlich auf sich habe. In geschäftlichen und Welt- lichcn Dingen stnds die ehrlichsten und vernünftigsten Leute, aber in der religiösen Abteilung ihrer Gehirne sieht es trüb und wirr aus. Von den achttausend sind bloß fünfunddreißig wirklich Wahn- sinnig. Mit diesen, soweit sie nicht in Brandon im Irrenhaus sitzen, sondern frei in den Dörfern hausen, haben die anderen ihre liebe Not. Wenns keine be'ondere Veranlassung gibt, wie es damals im Winter eine gab, fängt es regelmäßig im Frühjahr in diesen Köpfen an zu rumoren. Da wirft zuweilen auf dem Felde mitten während der Arbeit einer sein Gerät hin, reißt sich die Kleider vom Leibe und beginnt in Zungen zu reden. Die übrigen — wenn sie der Wahnsinn nicht schon angesteckt hat— packen dann den Propheten zusammen und stecken ihn mit dem Kopf ins Heu oder verbergen ihn irgendwo ganz sicher, sie selber wollen keine Kalamität mehr mit den Behörden haben. Wenn es aber zu arg wird und der Tobsüchtige nicht mehr zu halten ist, dann rufen die Kommunisten selber nach der Polizei. Anderthalb Dutzend der Ihren fitzt fest im Irrenhaus in Brandon. Andere haben sechs Monate Gefängnis abgesessen— Rückfällige gar zwei Jahre... Sam will mich nach dem Dorf fahren, wo das Badehaus der Gemeinde ist. Einmal in der Woche reinigen sie sich im heißen Wasser, nach dem Gebot ihrer Religion. Die Sonne aber geht schon unter, ich verzichte und werde das Badehaus der Duchoborzen nicht mehr erblicken.„Fahre heim," sagte ich Sam. Und wir fliegen nach Verigin. Der Posthalter hat mich zum Abendessen eingeladen, und wie Sam vor dem Store hält, sehe ich drüben, jenseits des Bahnglcises, ein beleuchtetes und blumengeschmückteS Automobil in das Häuserviereck um das Warenhaus der Kommunität einbiegen. Von der Station, von allen Seiten her, laufen Leute dem Auto- nwbil nach. Schon im Lauf nehmen sie die Hüte ab— ich errate» — Peter Verigin ist es, Zar Peter ist angekommen! So rasch ich kann, mache ich dort hinüber. Wie ich drüben bin» steht eine Menschengruppe auf dem Platz zwischen den Häusern» die Männer mit bloßem Kopf, alle in einer Haltung, als tvärcn sie in der 5urche dahier. Vor ihnen steht ein großgewachsener, stämmi-
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29 (9.11.1912) 219
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