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Daß bei der Zwangsversteigerung in Dortmund für die zweite Hypothek etwas übrig bleibe, sei im höchsten Grad unwahrscheinlich. Immerhin müsse man, nichts zu versäumen, an maßgebender Stelle Erkundigungen einziehen.
Es dunkelte, als der Krämerskarl sich zum Gehen wandte. Auf der Straße pacte ihn aufs neue ein Schwindel, daß er förmlich ins Taumeln geriet.
Ein paar Jungen, die nicht anders glaubten, er habe des Guten zuviel getan, riefen ihm nach:„ Er hat! Er hat!"
Er war froh, als er die Stadt hinter sich hatte. Die frische Luft tat ihm gut. Der Weg führte zu beträchtlicher Höhe hinan. Demungeachtet schritt er wacker zu. Wenn ihn die Kräfte nicht verließen, konnte er in drei Stunden zu Hause sein.
Blöblich blieb er stehen und schrie: Wie nur ein Mensch so schlecht sein kann!"
Dann wimmerte er: Wem soll man noch trauen!" Er wollte an das Furchtbare gar nicht denken. Er spürte, es würde ihn niederwerfen. Nur vorwärts, vorwärts! Der Wald nahm ihn auf, mächtige Buchen mit Lärchen gemischt. Ringsum ertönten die Stimmen der Nacht.
War das der Sturm, der so schrecklich heulte? Das war nicht der Sturm. Ja, was war's denn? Dem Herzhaftesten konnte der Mut entfallen. Oweh! Da kam's. Ein graufames Lärmen, Geißelplaten und Rädergerassel, Pferdegehuder und Hundegebell. Und einer johlte: Juhu, juhu!" Bei Gott im Himmel, das wütende Heer!
Dem Karl trat der falte Schweiß auf die Stirn. fing laut zu beten an:
Weicht, ihr Trauergeister,
Denn mein Freudenmeister
Schon war das Teufelsgespüfnis verschwunden. fern klang's wie verhallender Donner.
Ein Wiesengrund tat sich auf. Nahebei glänzten
( Fortsetzung folgt.)
Er
Von
Zwischen Himmel und Waffer.
die
Während wir warteten, wurde Feuer angezündet, und Gulam febte Teewasser auf. Ich betrachtete mir den ungemütlichen Platz genauer. Auf beiden Ufern tritt Glimmerschiefer zutage, und die hohen Steinsäulen, zwischen denen die Brücke sich einst über den Fluß gespannt hatte, ruhen auf unerschütterlichem Felsengrund. Der rechte Brückenkopf bildet eine senkrechte Mauer, in die hier und dort horizontale Balfen eingefügt sind, und über seine ebene obere Steinschicht läuft, zwei Meter hoch, das Kabel nach einem senkrechten Pfosten und von dort nach seiner weiter entfernt liegenden Verankerung in der Erde. Auf unserer Seite sißt der Balkenkopf der Brücke noch in dem Steindamme und trägt eine Brückenplattform mit einer Brustwehr. Ueber ihren Bretterfußboden hinweg geht das Kabel, ebenfalls zwei Meter hoch, nach dem Kopfe eines festen Pfahles, an dessen anderer Seite es um ein Spill gewunden ist. Es läßt sich daher straffer spannen, wenn es sich zu sehr gedehnt haben sollte. Gewöhnlich werden Reisende und Güter über den Fluß vermittels einer Rolle befördert, die auf dem Kabel entlanggleitet und durch einen eisernen Rahmen am Entgleisen verhindert wird. An einem Haken an der Unterseite des Rahmens werden Menschen und Tiere befestigt und ebenso leicht wie gewandt hinübergezogen. Nun aber war die Rolle unbrauchbar und wir mußten uns anders behelfen.
unter dem der Satledsch in feinem Berserkergang mit wütender Wildheit und kreideweiß vor Zorn dahin tanzt. Man fürchtet sich unwillkürlich. Wenn die Balten sich gerade jest locerten, während ich hier liege und in die Tiefe hinabftarre? Wenn das Kabek gerade dann, wenn ich über dem Fluffe hänge, mit scharfem Klange auseinanderrisse? Nun, dann ginge es wenigstens schnell! Man würde schon, ehe man noch wirklich das Herz vor Angst im Halse schlagen fühlte, als gehadtes, start ausgewässertes Beefsteak aus dem Strudel bei den Blöden herauskommen!
Aber das Kabel hält, wurde mir gesagt, obgleich es so dünn wie ein Strick ist. Es soll 35 Meter lang fein. Es muß noch eine schöne Strede bis Poo sein, dachte ich, denn Geduld! Stizzenbuch; diesen Ort vergesse ich nie! Die fteinerne Plattform Ngurup fommt gar nicht wieder. Heraus mit dem des rechten Uferdammes ist nur einen Steinwurf entfernt, aber der Weg dorthin ist lang und steht unter der Herrschaft des Todes.. Hinter mir liegt das ganze Tibet . Und doch habe ich nie vor einem so ungemütlichen Schnitte in der Erdrinde gestanden.
Endlich erreicht mein Warten sein Ende. Dort eilt eine Schar Männer die Abhänge hinunter. Es sind Eingeborene aus Poo, aber es sind auch zwei Europäer mit Spazierstöcken und Tropenhelmen dabei! Sie ersteigen schnell den Uferdamm und grüßen höflich herüber. Ich habe das Hutabnehmen ganz berlernt, aber glücklicherweise steckte ich ihnen nicht die Zunge heraus, sondern winfte nur eifrig mit dem Stizzenbuch. Man sieht, wie angelegen sie es sich sein lassen, mich möglichst schnell hinüberzuholen. Ngurup hat ihnen meinen Brief gebracht. Sie wissen also, daß ich es bin, der jetzt endlich in die Zivilisation zurückzukehren geruht, nachdem ich über zwei Jahre in Tibet gehauft habe gegen den Willen bon vier Regierungen, England und Indien , Tibet und China , gar nicht zu reden von dem im Jahre 1907 zwischen Großbritannien und Rußland abgeschlossenen Vertrag, der unter anderem auch den Zweck hatte, während dreier Jahre alles, was Entdeckungs reisen heißt, in Tibet zu verhindern. Sie wissen, daß ich während jener Zeit mein eigener Herrscher war, und sind begierig zu hören, wie es mir ergangen ist.
Ein Eingeborener, der Deva Ram heißt und Dorfschulze in Boo ist, fommt, unter dem Mauleselsattel baumelnd, auf unsere Seite herüber. Man sieht, daß er an diesen Sport gewöhnt ist und zum Aviatiker passen würde. Nachdem er glücklich gelandet ist und mich höflich begrüßt hat, bindet er einige Säde und ein Belt unter den Sattel, an welchem ein fester, dünner Strid befestigt worden ist, dessen anderes Ende die drübenstehenden Männer handhaben. Deva Ram gibt ein Zeichen, seine Leute am rechten Ufer beginnen zu ziehen, und bald ist die ganze Ladung in ihren Händen.
Nun beginnen die beiden Europäer zu geftitulieren, machen mir Zeichen und deuten nach Boo hinauf. Ich verstehe sie nicht. Der eine schreibt einige Zeilen auf ein Etüd Papier , das mit dem Sattel herüberkommt. Darauf steht: Bitte, warten Sie noch ein wenig. Wir haben um einen sicheren Seilwagen ins Dorf geschickt." Schön, der Sattel ist also nicht sicher, ich warte gern.
Der Seilwagen kommt und wird zu uns hinübergezogen. Kuntschuk versucht sein Glüd. Es war ein Spaß, Suäns und Lobiangs Gesichter zu sehen, als ihr Kamerad über die Tiefe schwebte. Sie waren vor Aufregung dem Erbrechen nahe und mußten sich abwenden. Suän rollte sich hinter dem Spill wie ein Igel zusammen und weinte bitterlich
Was fehlt Dir?" fragte ich.
Es ist entsetzlich, daß wir hier alle sterben müssen, nachdem wir so weit gelangt sind und nur noch eine so kleine Strede zurückzulegen haben." Ach, sei doch nicht albern, Suän, es ist nicht im geringsten gefährlich.
"
Im Grunde beneidete ich Kuntschuk, der schon die Todesfahrt über den Satledsch gemacht hatte. Doch zunächst mußte ich aufpassen, daß meine wertvollen Aufzeichnungen ordentlich festgebunden wurden und glücklich hinüberkamen. Und dann wollte ich gern wissen, wie man hier mit Lafttieren umgeht. Einer der Klugen Maulesel wird vorgeführt und steht nun gerade unter dem Wagen. Ueber diesen werden vier starke Strickbündel gelegt, von denen eins unter der Schwanzwurzel durchgezogen wird, eins den Hals stützt, das dritte vor den Hinterbeinen um den Leib geschlungen wird und das vierte ebenso hinter den Vorderbeinen angebracht ist. Dem Opfer wurden die Augen verbunden. Der Maulesel stand geduldig still, aber man sah am Bittern seiner Beine, daß er ein gemeines Attentat ahnte. Fertig! Die Leute auf dem rechten Uferdamme begannen auf ein gegebenes Zeichen aus Leibeskräften zu ziehen. Der Seilwagen gleitet langsam auf dem Kabel vorwärts. Der Maulesel muß mit und geht mit schwankenden Schritten auf den Fluß zu, nachdem er vergeblich versucht hat, sich mit den Hufen entgegenzustemmen. Er fühlt den Boden unter seinen Füßen weichen, streckt die Beine aus, erreicht aber der Grund nicht mehr. Jm nächsten Augenblick segelt er schon über dem tosenden Flusse in der Luft. Er hat sich in sein Schicksal gefunden; seine Beine hängen schlaff herunter; was blieb dem armen Geschöpfe auch weiter übrig? Aber die Angst ist kurz, seine Borderhuse schlagen gegen den Rand des Steindammes, er fühlt *) Durch das Entgegenkommen des Verlegers Brockhaus sind wieder festen Boden unter den Füßen und steht ebenso geduldig wir in der Lage, unseren Lesern einen interessanten Abschnitt aus wie vorher still, als man ihn aus allen seinen Schlingen befreit, dem soeben erscheinenden Schlußband von Hedins Werk Trans- um ihn zum Grasen nach einer Böschung zu führen. himalaja "( geb. 10 Mt.) zu bieten. Er ist eine notwendige Ergän-| Nun bin ich an der Reihe!" Die Erde verschwindet; zum zung der ersten zwei Bände.
Ich lege mich bornüber auf die Brückenplattform und rutsche vorsichtig nach dem Rande. Gerade unter mir tost der gewaltige Fluß, der einer der Riesen des Himalaja ist. Gleich unterhalb der Steinmauern sind zwei Blockkolosse in das Bett hineingestürzt; zwischen ihnen und der rechten Feljenwand war der Fluß zu vielleicht acht Meter Breite zusammengepreßt. Der ganze Satledsch hatte sich hier anscheinend in einen sprißenden Strahl verwandelt, der sich mit staunenerregender Kraft einen Weg durch das Gebirge bohrt. Die weißschäumende Wassermasse scheint unter die Blöde hinabzutauchen und dort zu verschwinden, um dann wieder als brodelnde Glocken und gewölbte Wasserhügel nach oben zu steigen. Das Ganze gleicht einem kochenden Riesenkessel; es grollt wie Donner, es hallt von den Bergwänden wider, es ist ohrenbetäubend, man wird schwindlig und glaubt unter einer Zaubermacht zu stehen, die nedisch in den flodigen Schaum hinablockf,
Feste der Asen ruft das Gjallarhorn