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Bild fällt bald ein Vorhang; die Radierung hingegen bleibt ständig. Imerken, daß dieser Wilde ein feinfühlender Meisterer ber Da liegt die Scheidelinie und zugleich das Kriterium dessen, was Gewichtsteile, ein sehr bewußter Eindämmer strömender Sinnlichkeit Meid zwar sehr temperamentvoll ind mit ungewöhnlichem Gefchic, ist. Er kann ganz zart sein, wie etwa in dem Frauenkopf aber doch vergänglich irzenie ct. Diefe Art hat feine Entwickelung mit grüner Müße( 757); er fann mit jähem Zufassen die Schnaps­und ist eigentlich von Delacroix natt seinen Faustlithographien end- luft einer Schifferkneipe modellieren. Von dieser Art sind seine gültig vorweggenommen worden. Kunst und Technif sind eben nicht Holzschnitte; man erlebt, wie das Messer die Späne abhieb und einerlei. Rudolf Großmann fann wahrscheinlich nicht halb die Natur auf ein Minimum an Form( das zugleich ein stroßendes so viel wie Meid; und doch sind seine flott gerigten Blätter viel Maximum ist) zu zwingen wußte. Aehnlich steht es um as cin; überzeugender und weit lebendiger. Man spürt dahinter den Jäger, nur, daß dieser Pariser aus dem Balkanwinkel genau so pervers ist, der sich an die Gegenstände herantastet und der sie fängt; man spürt wie Bechstein gesund. Auch Rösler ist hier zu nennen; er sieht die List, den geistigen Prozeß des Vestegens. Es gibt für den aus der Natur das Architektonische des äußeren Scheines, das Ge­Kunstfreund nichts Amüsanteres, als fo den Kampf des Künstlers mit rüst der Epidermis, die über dem Felsen, dem Meer und den Bäumen feinem Objekt zu beobachten. Das ist es, was auch den Reiz der sich hebt und fenft. Hofer, der aus Alten die mit Schönheit gefüllte Bottnerichen Plastiken ausmacht. Man sieht an diesen kleinen Linie erfühlt, ist noch anzumerken, und schließlich muß in diesem Zu­buntglasierten Keramiken, wie der Künstler nach jeder Bewegung seiner fammenhang der Rhythmiker auf die Bildhauer Engelmann, Haller Hähne und Hennen mit den Blicken schoß, wie er die Enten belauschte und Lehmbrud verwiesen sein. Engelmanns großformatiges Frauen­und die Ziegen im ungewöhnlichsten Moment förmlich arretierte. Man haupt zeigt schöne Ruhe in fester Rahmung. Hallers aufrecht stehende hört das Ticken der den Ton fuesenden Finger, jedes Gackern und Even quellen von fleischlicher Festigkeit. Sie haben etwas Strogendes Strähen, jedes Stelzen und Wats heln anzuhalten. Gegen solche und doch was Bierliches. Es ist verspätetes Rokoko und ein neu Lustigkeit des Augenblicks ist August Gaul faft ein Brofeffor. empfundener Pubis in diesen Figuren. Lehmbruck zeigt mehr noch Aber, wie sind doch die Radierungen, die dieser Bildhauer zeigt, so durch seine Radierungen und Pastelle als durch seine Plastiken, wie überaus zart empfunden; wie wurde durch die dünne, sich nur leise entschieden er weiß und erlebte, daß der Rhythmus, der die Körper regende Umrißlinie der ganze Jnbalt solch eines animalischen Lebens durchpulst, mit keuscher Hingabe belauscht und ersehnt sein will. Robert Breuer. erfaßt. Man denkt an die Gäniereliefs der Aegypter.

Die Kunstgewerblichen. Die nämlich, die auf dieser Ausstellung eigentlich nichts zu suchen hätten, die aber scheinbar auf­genommen worden sind, um zu beweisen, daß die Sezeffion auch die Jugend einläßt. Diese Kunstgewerblichen sind so Menschen, die das Naturbild ein wenig zerren, bald nach links, bald nach rechts, bald chinesisch, bald frühdeutsch, bald rundlich- jüdisch, bald biedermeierlich­niedlich. Zum Exempel: Rumpf, der sonst talentiose Blafate macht, tommt uns hier ostasiatisch. Oder Klaus Richter buchstabiert am niederländischen Breughel. Oder Bató; er wurde bom Futurismus angesteckt. Bekcuerlich ist es, daß man auch E. R. Weiß zu dieser Kategorie der Ditopaffablen rechnen muß. Er war einst ein tüchtiger Typograph; nun, da er durchaus ein Maler sein möchte, gibt er das langweilige Schauspiel irrender Un­zulänglichkeit. Weniger grimmig fann dann noch in dieser Rubrit der Bildhauer Hoetger genannt werden; er macht gefällig wirkende, wenn auch überflüssige Nippes größeren Formats. Glasierte Scherben für Wintergär en; besser als die berüchtigten Zwerge und Nehe, ohne Leidenschaft, aber mit einem gewissen Ge­schmack.

Kleines feuilleton.

Sprachwissenschaftliches.

Vom Pedanten. In Engels Deutscher Stilfunst lesen wir folgende treffliche Worte vom Pedanten( eigentlich Erzieher"): in den Xenien stehen die noch mehr spitfindigen als geistreichen Verse Schillers gegen Campe:

Sinnreich bist du, die Sprache von fremden Wörtern zu fäubern;

Nun so sage doch, Freund, wie man Pedant uns ver­deutscht.

Der arme Campe erwiderte mit einigen schwachen Gegenversen. Er hätte Schillern ganz anders zu schaffen machen können. Wie, wenn er ihn gefragt hätte:

Sage mir, Schiller , zuvor, aus welcher Sprache entnommen, Was es darin wohl besagt, wer es denn zu uns gebracht? Die Mystiker. Gewiß, auch im Naturalismus, wenn er Oder was hätte ihm Schiller Triftiges entgegnen können auf die wahrhaft in die Dinge sich hineindrängt, lebt etwas Mystisches. Antwort: Wir können im Deutschen auf mindestens zehn gute Indessen, bei Ernst Barlach bandelt es sich doch noch um Arten Bedant ausdrücken: Schulfuchs, Kleinmeister, Kleinigkeits­etwas anderes, vielleicht um etwas Größeres. Es wird nicht un- främer, Fädchenzähler, Linsenzähler, Mückenseiher, Silbenstecher, angebracht sein, bei diese: Gelegenheit einiges zu verraten von dem, was Barlach durch Worte fich von der Seele zu lösen Quengler usw., alle finnenhafter, schärfer, geistvoller als das eigent­lich doch unverständliche Pedant. Die Franzosen , die es nicht er­fuchte. Er schrieb in einem der letzten Hefte von Kunst und Künstler" funden, aber zu uns gebracht, haben nur dieses Wort, dessen An­über eine Steppenfahrt". Er schildert die ruffische Ebene, hin- wendung auf die Dauer langweilt. Und zu allererst hätte der gebreitet, ruheielig; dann gerät er an die Grabhügel der Tartaren kleine Campe den großen Schiller abtrumpfen fönnen: G3 fällt und steht vor ihnen tief ergriffen:" Todesstimmungen, die in Toten mir gar nicht ein, Pedant verdeutschen zu wollen; mag es ruhig flagen ausbrechen, gedämpft und doch so leidenschaftlich, haben bleiben und in späteren Zeiten die paar dann noch übrigen diese Völker mit ihrem Pathos durchzogen und schwere und heilige remdwörtler bezeichnen. Campe hat nachmals wirklich Empfindungen zu Melodien geweben." Dann, ein wenig später, Schulfuchs für Pedant vorgeschlagen und ist damit durchgedrungen, tommt er zu dem Friedhof eines Hochofenwerkes. Und nun bricht allerdings ohne Pedant zu berdrängen. Das außerdem von Campe aus ihm der volle, kochende Haß gegen eine Zeit heraus, die dem vorgeschlagene Erfaßwort Steifling taugte nicht viel. Neuerdings Bolle die Seele zertritt: Solde Reihengräber mahnen doch gar wurde Beinling empfohlen; welcher bedeutende Schriftsteller wagt sehr an den Speicherplatz einer Gesellschaft für standesgemäße es damit? Es würde sich überraschend schnell einbürgern. Oder Beseitigung unreinlicher Abfälle, auf die als eine rein gehört größerer Mut zu diesem Wagnis als zum Verfertigen von praktische Aufgabe möglichst billiges Geld und die aller­Egoität, Emotivität, Solipsismus, Intensivierung, Verintensi billigste Symbolit verwandt wird. Und wie redet da bierung?" oben der Tartarenhügel so mächtig von willig ergriffenen Menschen­Hauswirtschaft. feelen, die unbeschadet äußeren Scheidens ein gewefenes Leben nicht vergaßen und durch ihre den Grabort zum Grabmal gestaltende lebrig gebliebene getochte Kartoffeln lassen sich Diplomatie des Schmerzes dem Tod seinen Raub um die lebende nicht nur zu Bratkartoffeln verwenden. Sie geben einen vorzüg Erinnerung verkürzten. Oben ein Ruheort, unten ein Abort, ein lichen Kartoffelsalat, wenn man die talten Kartoffelscheiben umschriebener Kehrichtplaz." Das ist Barlachs Wesen: sich ein- mit tochendem Wasser übergießt, dieses schnell fortschüttet und die zufühlen in das gefnechrete Tier, das man noch gerade Mensch heißen Kartoffeln nun in bekannter Weise zu Salat anmacht. Zu einer tann; und zugleich grob zu traumen von Erlösung durch Sturm und schnell zu bereitenden Sartoffelsuppe reibt man die kalten Mufit. So hat er diesmal eine lange Reihe von Lithographien zu Kartoffeln auf dem Reibeisen. Ein helles Schwigmehl füllt man dem von ihm selber erdichteten Drama Der tote Tag" gefchaffen. nach Bedarf mit Brühe aus Bouillonwürfeln oder passenden Saucen­Diese Jllustrationen verraten deutlich die Hand, die gewohnt ist, aus resten auf, gibt nach Belieben etwas Milch dazu und läßt dies mit Holz Figuren zu schneiden; man wittert den Bildhauer, wie man den geriebenen Kartoffeln tüchtig durchkochen. Man würzt mit etwas den Salzwind des Meeres wahrnimmt. Sie sind vielleicht als geriebener Zwiebel oder mit geriebenem trockenen Käse. Wünscht Graphit problematisch; fie baben dafür aber eine innere Größe, man Kräutergeschmad, so richtet man die Suppe mit gehackter grüner die zwingend an Dostojewsti erinnert. Und, was die Form Petersilie oder jungem Selleriekraut an und spitzt einige Tropfen angeht, so seltsam es flingen mag: man besinnt sich auf Michel- Maggi hinein. Reicht man in Butter goldbraun geröstete Semmel­angelo. Man denkt an deffen Sklaven und Sybillen. Es ist wie ein würfel dazu, so wird diese gute Suppe noch besonders sättigend Dampfen der Erde, wie ein Aechzen und Stöhnen des Ackers, wie und nahrhaft. Blutgeruch des Schlachthauses und wie ein Lasten von schweren, Eine oder zwei gekochte und geriebene Kartoffeln dienen dazu, regenschwangeren Wolfen in diesen Mysterien. Diese fich selber gehadte Beefsteatmasse etwas ausgiebiger und gleichzeitig lockerer freffenden Leidenschaften zeigen versinnlicht, was Barlach in zu machen. seinem Drama reden läßt. nebrig gebliebene Kartoffeln vom selben Tage schmecken wie Die Rhythmizer. riebaum ist zu sagen, daß auch im frisch gefochte, wenn man sie für einige Minuten in fochendes ge­Naturalismus eines Liebermann das Rhythmische fich regt. Dennoch, falzenes Wasser legt, abgießt und unter wiederholtem Schütteln ab­es ist etwas anderes um den Rhythmus, wie ihn etwa Bechstein dampfen läßt wie gewöhnlich. Sie lassen sich danach auch zu oder Lehmbrud wollen. Bechstein hat diesmal sehr glücklich Kartoffelbrei und allen Arten von Kartoffelgemüsen verwenden. ausgestellt. Nun werden wohl auch die bisher Ungläubigen

m. kt.

Berantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln.- Drud u. Verlag: BorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.