sollte auch den Niedergang erschauen. Er war ein Bürger der Zeit, in der die Schichten, die den Volkswitz tragen, von wachsenden kul- turellen Antrieben bewegt wurden, aber dann kam der Zusammen- bruch der wirtschaftlichen Stützkräfte und damit der politischen Machtträume des Kleinbürgertums und ließ Interessen und Schichten und Lebensmöglichkeiten obenauf kommen, die dem Volks- Witz die großen Aufgaben nahmen, die Glaßbrenner ihm zugedacht und zugeschoben hatte. Als der Dichter 18SS aus dem Hamburger Exil nach Berlin zurückkehrte, fand er entsetzt und verletzt völlig andere Verhältnisse. Wehl erzählt, er habe seinen Zögling, den Berliner Witz, nicht wiedererkannt.Der arme Schelm hatte sich wunderlich verändert. Er war nicht mehr der muntere harmlose Junge von ehedem, der mit roten Backen, frischen Augen und flinker Zunge, oft ohne Mütze und Stiefeln, durch die Straßen lief. Der Berliner Witz war zu Gelde gekommen und ging jetzt wohl- gekleidet, die Hände in den Hosentaschen und den hohen Kastorhut auf dem Kopfe, breitspurig Unter den Linden spazieren. Er hatte sich einen gewissen Dividendenesprit angeeignet und machte gute Geschäfte inhöherem Blödsinn". Er hielt sich zur hohen Finanz und besuchte die Börse. Wenn er Glaßbrenndr zufällig begegnete. nickte er, mit den goldenen Uhrberlogues spielend, herablasiend mit dem Haupte." Der vormärzliche Polizeistaat duldete keine politische Presse, «nd so wurden die Kräfte, die nach politischer Schriftstellerei der- langten, in der Zeit nach der Julirevolution gezwungen, auf Um- wegen und aus dem Versteck heraus ans Werk zu gehen. Reise- erzählung und Zeitroman waren gelegene Mittel, politische Mei- nungen anzubringen, und sie blühten in den dreißiger Jahren auf. Man mußte sich pfiffig ausdrücken, denn die Zensur lag auf der Lauer, und bald genug ließ die Zentralgewalt des� Bundestages die schärfsten Mittel der Verfolgung spielen. In jenen Jahren lernte der Witz in harter Schule die Meisterschaft erstaunlichster Verftellungskunst. Immer neue harmlose Verkleidungen erfand er, um ungefährdet vor dem Volke sagen zu können, was als Wahrheit empfunden wurde, und gerade Glaßbrenner hat diese Kunst mit schier unerschöpflicher Vielseitigkeit ihr politisch wichtiges Spiel treiben laffen. Er war für Norddeutschland, waS ein Nestroy für Wien war, und er war in manchem mehr, wenn er auch nicht von der Bühne herab sprach. Ihm, demSchalksnarren der Freiheit", wie Wehl ihn nannte, sind wirklich alle Formen witziger Ausdrucksweise ge- läufig gewesen. Sein Humor reicht weit hinüber inS Reich der Satire, und aus seinen Schriften ließe sich tausendmal das Wort des englischen Denkers ablesen, daß die Ironie der Humor der Satire sei. Sein Witz parodierte; er verstand sich meisterlich auf die Verzerrung, die immerdas gewichtige Original" zwischenhin sichtbar bleiben läßt. Er war ein lustiger Gesell ohne Sentimen- talität, der lachend die Faust ballte, wo andere weich und untätig hinschlappten; man darf sich nicht irreführen laffen durch seine ge- legentlich hingeschriebene Begrisfsdcutung:der Humor ist eine Freudentränc". Wichtiger ist sein Wort: er schildere da mit heite- ren Farben, wo man die Feder in Tränen tauchen müßte. In feinem Lachen bewegte sich ein mannhafter Ernst. Der Witz heiligte in seinen Augen den Ernst. In dem Berliner HeftEine Volksjury in Berlin ", das im Märzjahr entstand, läßt er den Privatgelehrten Frischer sagen:Der Witz ist keine Krankheit des Ernstes, vielmehr seine übersprudelnde Gesundheit. Erst wenn der Ernst witzig wird, hat er seine größte Kraft erreicht." lFortietzung folgt.» kleines Feuilleton. V ersteinerung stunde. Bersteinerte Fußspuren. Die Nachricht, daß man in Süd- australien versteinerte Fuß'puren gefunden bade, aus denen auf das hohe Alter des Menschen geschlossen wird, regt eine ganz« Reihe von Fragen an. mit denen sich die Wissenschaft seit geraumer Zeit be- schäfligt. Zunächst freilich fehlt es sogar�noch an einer Mitteilung, daß die jetzt in Australien aufgedeckten«puren unzweiseldaft solche des Menschen seien. Der Ort Warrnambool liegt an der Südtüste des Staates Victoria , und in derselben Gegend ist schon vor einigen Jahren ein äbnlicher Fund gemacht worden, an den der deutsche Profeffor Klaatich die weitgehende Schlußfolgerung geknüpft hat, daß in Australien überhaupt die Wiege der Menschheit gestanden habe. Das würde voraussetzen, daß Australien damals auch noch eine festere Verbindung zum ivenigsten mit Asten gehabt hätte, eine Landbrücke, die der Mensch zu seiner Verbreitung nach den anderen Festländern hätte benutzen können. In der Tat hat Klaatsch die Annahme verfochten, daß die damals aufgefundenen Fußspuren schon auS dem Tertiär stammten, während die meisten Geologe» und Anthropologen heute noch auf dem Standpunkt stehen, der Mensch sei erst in der darauf folgenden Epowe des sogenannten Diluvium auf der Erde erschienen. Inwieweit die neue Entdeckung zur Erhärtung oder Erschütterung der Theorie vom tertiären Menschen in Australien beitragen werde, läßt sich noch nicht überieben. Rur soviel läßt fich schon jetzt sagen, daß unzweifelhaft Ablagerungen der Zertiärzeit in Berantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln. DrtÄ u. Verlag: Australien selten sind, und daß die sichere Altersbestimmung auch bei den Schichten mit den neu aufgedeckten Fußspuren wahr« schemlich auf große Schwierigkeiten stoßen wird. Außerdem aber wird es auch nicht leicht sein, die Herkunst der Fußspuren von einem Urmenschen über jeden Einwand zu erheben. Versteinerte Fußspuren find in großer Zahl bekannt, aber man weiß nur in einer Minderzahl der Fälle init einiger Sicherheit anzugeben, von welchen ausgestorbenen Tieren sie herstammen. Die Schwierigkeit dieser Aufgabe ist leicht zu verstehen. Von den Tieren, die in früheren Zeiten der Erdgeschichte, also vor vielen Tausenden oder gar Milli- onen von Jahren gelebt haben, sind naturgemäß nur die Hartgebilde erhalten geblieben, also Knochen oder feste Schalen und dergleichen, und zwar entweder in ihren ursprünglichen Stoffen oder wenigstens in Abdrücken. Die Füße größerer Tiere aber bestehen nicht lediglich aus solchen Hartgebilden, sondern sind mit Fleisch und Muskeln umkleidet, außerdem meist mit Haaren besetzt, also mit Stoffen, die sich niemals bis auf die Gegenwart erhallen haben. Selbst wenn die Fußknochen eines Tieres vollständig vor« liegen, ist es nur innerhalb gewiffer Grenzen möglich, die ganze Form des Fußes, wie er zu Lebzeilen des Tieres gewesen ist, sich vorzustellen und daraus ein Urteil darüber zu gewinnen, wie die von dem Tier hinterlastene Fußspur ausgesehen haben muß. Das berühmteste Beispiel von zahlreich erhalten gebliebenen Fuß- spuren ist der sogen. Chirotheriensandstein von Thüringen und Franken. Dieie Gesteinsschicht bildet einen Teil des sogen. Bunt- sandsteins, mir dem die Formation der Trias und somit das Meso- zoikum oder Mittelalter der Erdgeschichte beginnt. Es handelt sich also um ein sebr altes Gestein aus einer Zeit, in der die EntWicke- lung der Wirbeltiere erst bis zu den Reptilien vorgedrungen war. Aber obgleich eine stattliche Zahl von Resten verschiedener Wirbel- tiere jenes Alrers wohl bekannt ist, war es nicht möglich, die Fuß- spuren sicher zu deuten, und man hat fich auf die Angaben beschränkt, daß sie von einem großen Amphibium herrühren müffen. Diesem Tier ist der Name Chirotherium oder Handlier gegeben worden, weil die Fußspuren eine merkwürdige Aehnlichkeit mit einer Hand be- sitzen. Weiter weiß man aber nichts von ihnen, und eS ist auch ganz unsicher, ob diese Spuren mit einem der auS anderen Resten nachgewiesenen ausgestorbenen Tiere der TriaS in Beziehung stehen. EtwaS bester steht es um andere Fußspuren, die sich teils gleichfalls auf europäischem, teils auf amerikanischem Boden gefunden haben. Sie weisen drei große Zehen auf, und man hat sie mit riesigen Reptilien in Verbindung gebracht, die durch reichere Knochen- reste bekannt sind. Von besonderem Interesse find in dem ameri- kanischen Konnektikutsandstein, der gleichfalls der Trias angehört, eine Anzahl kleiner dreizehiger Abdrücke, die an Vogelspuren er- inner». Sollte diese Deutung richtig sein, so wäre sie der einzige Beweis dafür, daß es damals entgegen der sonstigen Annahme be- reits Vögel gegeben hätte. In den Ablagerungen der unteren Kreide in Westdeutschland sowie in Belgien und auf der Insel Wight sind sehr große dreizehige Fußspuren zum Vorschein gekommen, die mit ziemlicher Sicherheit aus das Jguanodon gedeutet werden, ein mächiiges Reptil, von dem das Brüsseler Museum eine ganze Reihe vollständiger Skelette befitzt. Daneben gibt es noch viele Fußspuren und andere Abdrücke, deren Herkunst als durchaus rätselhaft be- zeichnet werden muß. Technische?. Moore-Licht. Bekanntlich ändern sich die Farben der Gegen- stände bei künstlicher Beleuchtung in so hohem Grade, daß es gar nicht möglich ist, die feineren Nüancen, ja auch die Grundfarben richtig von einander zu unterscheiden. Der Grund für diesen Uebel- stand liegt darin, daß das künstliche Licht, dessen Quellen von ge- ringerer Temperatur als die der Sonne(etwa 6500 Grad) sind, auch eine andere Zusammensetzung im Vergleich mit dem natürlichen Sonnenlichte hat. Dem Amerikaner Mc. F. Moore ist es nunmehr gelungen, ein dem natürlichen wesentlich gleiche? Licht zu schaffen, und die praktische Erfahrungen in den Färbereien, Kunstanstalten usw. stellen der neuen Lichtart ein glänzendes Zeugnis aus. Das Prinzip der neuen Lichtquelle ist das der bekannten Geißlerschen Röhren, das sind Röhren, in denen sehr stark verdünntes Gas durch elektrischen Strom bei sehr hoher Temperatur zum glühen gebracht wird. Was die neue Konstruktion von der gewöhnlichen Röhre unterscheidet, ist erstens die sehr sinnreich und elegant kon- ftrnierte Borrichtung, den Gasdruck in der Röhre immer auf gleicher Höhe zu hallen und dann die Verwendung der Kohlen» säure zur Erzeugung von rein weißem Licht. Diesen Vor- ;ügen des Moore-Lichts gesellen sich noch: gute Licht- Verteilung, die eine schattenlose, indirekte Beleuchtung gibt, geringe Empfindlichkeit gegen Stromschwankungen und geringe Feuer- gefährlichkeit. Auch Aniage- und Unterhaltungskosten stellen sich nicht hoch, da die Röhren unbegrenzt haltbar sind und nur der das Gas spendende Apparat von Zeit zu Zeit erneuert werden muß. Da eS sich hier um keine rein theoretische Entdeckung, sondern um bereits praktisch erprobte und bewährte Erfindung handelt, so steht zu erwarten, daß sich das neue Licht in kurzer Zeit dort einbürgern wird, wo Farbeniinterscheidung bei künstlicher Beleuchtung von großer Wichtigkeit ist. Verkausömagazine. Operationssäle. Theater, Färbereien, Gemäldegalerien dürsten daS nächstliegende Anwendungs- gebiet für das Moore-Licht werden.___ VorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul SingeräEo., Berlin SVV.