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Marie," sprach er, denk dran, wie sie mir mitgespielt| en reichen Fabrikherrn anders jejangen. Jd wollte ihn ooch behaben. Das wischt sich so schnell nicht aus. Dessentwegen lehren, daß es schändlich wäre, uns so zu schinden. Da kündigte steht nichts zwischen mir und Dir. Ich wollt, daß Du in mich er mir die Arbeit un sagte mir, wenn id noch mal täme, ließ er hineinguden fönnt'st. Du sollst an mich glauben, sollst mir mir mit seine Hunde wegheken. Un gleich drauf sah id ihn in de Kirche fahren." bertrauen. Ich hätt feinen Frieden mehr ohne Dich und hätt zu nichts Mut. Wie oft passiert's, daß zwei in Verlobschaft stehen und meinen, sie haben den Himmel auf Erden. Her nach in der Eheschaft fängt der Leidensweg an, und eine Enttäuschung gibt der andern die Tür in die Hand. Wir zwei, die wir jetzt soviel durchmachen müssen, wir werden den Weg in die Höhe finden und zum Glück. Dazu muß eins dem andern helfen!". Er hielt inne, aus seinen Worten klang sein warmies Marie," schloß er, ,, nun bitt ich Dich, komm mit
Gefühl.
zuriid!"
Nee," erwiderte sie mit Festigkeit. Ich mach zu meiner Batin nach Allmenrod . Da bleib, ich die Nacht. Morn such ich mir ein' Dienst. Du kannst mir ja schreiben. Meine Patin weiß, wo ich sein."
Er fannte ihre energische Art. Was sie sich einmal vor genommen, davon würde sie sich nicht abbringen lassen.
,, Gut," sagte er ,,, Du wirst von mir hören. Was ich anfang und wohin ich verschlagen werd, das liegt noch völlig im Dunkeln. Aber ich schaff mich durch, mich und Dich!"
Er nahm ihre Hand, und sie ließ sie ihm. Obwohl sie in ihn drang, er solle heimkehren, solle auf seine Wunde achten, begleitete er sie noch eine Strecke Wegs, bis sie Almen rod vor sich sahen. Dann schieden sie.-
Für einen Mann, der im Dienst der Freiheit mit solchem Fühlen und Wollen von seiner Klaffe die höchste Bereitwilligkeit zum Edlen erwartete, mußte die Zeit schlimmsten geistigen und moralischen Niederganges, die das Bürgertum in dem Jahrzehnt nach der Revolution klein und erbärmlich werden ließ, eine Beit schwerer Erbitterung werden. Das politische Leben lag erbrüdt lution waren ins Ausland geflüchtet. Was zurückblieb, war mundund tot am Boden. Unzählbare Scharen von Kämpfern der Revotot gemacht oder troch in feigem Renegatentum au Kreuze. In einer Kalenderprophezeiung auf 1853 höhnte Glaßbrenner : Die Dichter werden alle zum Ballett übergehen, weil die Gedanken der Beine weniger gefährlich sind, und die Zeitungen werden alle so fonservativ sein, daß der Käse, um den man sie wickelt, wieder süße Milch wird." Die Literatur verflachte zur seichten Ware, und das Bedeutende fand kein Bublifum. Die Berliner Boffe, die jetzt unter durchaus. Ihre Vorläufer hatte er schon in der Zeit seines Don Kalischs Führung in ihre Blütezeit eintrat, mißfiel Glaßbrenner Quigote heftig bekämpft. Sie war ihm so zuwider wie das Rührstüd der Birch- Pfeiffer . So recht als das fleinbürgerliche Schaustück der nachmärzlichen Reaktionszeit wuchs fie auf. Der enge fleinbürgerliche Horizont grenzte den ultinhalt dieser Posse ein, alles Politische schied aus, und in Coupletversen wurden die fleinen persönlichen Leiden und Freuden mit sentimentaler Oberflächlichfeit besungen:" Berliner Leben, wie es weint und lacht." GlazGegenstücke zu schaffen. Er schrieb den Schwant:" Kaspar der brenner machte den Versuch, dieser unpolitischen Posse politische Mensch", der im Beginn dieser Aera fauler Oede veröffentlicht wurde. Einen bissigen Prolog gab er ihm auf den Weg. AufAuf des Pfarrers Geheiß fiel der Schulunterricht am peitschen, wild machen wollte er das elende Bad, an dessen Ungeanderen Tage aus. Der Lehrer hielt sich still in seiner Woh- schmack und Gleichgültigkeit gegen das Große und Kraftvolle die nung. Gegen Mittag fuhr draußen ein Wagen vor. Gleich deutsche Schaubühne verdarb. darauf trat der Kreisschulinspektor herein. Das war ein Der Plan, der ersten Komödie weitere Stüde gleicher Art folgen angehender Sechziger, der wegen seiner Tüchtigkeit, nicht zu lassen, blieb Plan. Die Reaktion hätte diese Veröffentlichungen, minder wegen seiner rechtlichen Gesinnung in Bogelsberg wenn sie dramatisch gelungen wären, schwerlich auf der Bühne auftommen lassen. und darüber hinaus in hohem Ansehen stand. Grollend sah Glaßbrenner in den trüben Strudel Spott: Der Verein der Habenichtse zur fittlichen Bildung der des Jahrzehnts. Im Kalender auf 1852 prophezeite er mit bitterem höheren Stände" löst sich in Oje wegen Erfolglosigkeit auf. In seiner Buchdichtung Die Verkehrte Welt" die 1854 erschien- wollte er zeigen, wie ringsum die Leben verderbende und Leben eritidende Tradition und Lüge herrsche". Dies Buch erlebte zwar einige Auflagen, war aber der Zeit nicht gewachsen. Ein heiteres, satirisches Spiel taugte nicht, Reulenschläge hätten fallen müssen. In einer Richtung ließ Glaßbrenner sie auch niedersausen. dicht war in Entrüftung und Abscheu dem Tone nach echt, in der Kalendergedicht Schwindel der Große" sagt, in welcher. Das GeBerspektive freilich fleinbürgerlich verfehlt. Gegen Kapitalsrausch und Börsenschwindel war es gerichtet; die feierten damals ihre ersten wilden Orgien in Deutschland . Schwindel, größter Gott der Jeßtzeit, der Kultur gewalt'ger Sohn," redet Glaßbrenner den Moloch an, und er ruft: O du goldenes Kalb der Mode am papiernen Sinai!"
Weilandt, der bleich und übernächtig aussah, ging ihm entgegen.
Der Herr Pfarrer hat mir in der Frühe eine Depesche geschickt," hob der alte Herr ein wenig furzatmig an. Sch bin sofort heraufgefahren. Ich war eben beim Herrn Pfarrer. Ich bin von allem unterrichtet. Ich komme zu Ihnen nicht nur als Ihr Vorgeseßter, sondern auch als Mensch, um Ihnen in diesen schweren Stunden nahe zu sein."
" Herr Schulrat," sagte Weilandt bewegt, ich danke Ihnen, danke Ihnen von ganzem Herzen! Sie waren mir immer wohlgesinnt. Gerade jezt weiß ich das doppelt zu schäßen. Wären Sie nicht gekommen, ich hätt Ihnen heut geschrieben. Ich kann hier nicht bleiben. Und das nicht allein. Ich will etwas anderes ergreifen. Ich gestehe Ihnen offen, mein Amt ist mir verleidet."
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( Fortiegung folgt.).
( Schluß.)
"
Die Nachbarschaft, die Glaßbrenner in diesen stürmischen Worten den Wohltätigkeitsvereinen anweist, gibt seinen Standpunkt in dieser Frage fräftig unzweideutig. Nicht wollte er die einzelne brüderliche Hilfstat, die der Reichtum der Armut widmete, verächtlich machen, er warnte nur: Laßt Euch nicht blenden! Das Wichtigste und Notwendigste, was getan werden muß, heißt Kampf gegen das Unrecht der Unterdrückung. Auch in dem Schriftchen vom " Verein der Habenichtse für sittliche Bildung der höheren Stände" warnte er davor, fich durch einzelne mildtätige Herzensregungen in Ruhe wiegen zu lassen. Es ist da von Mitmenschen" die Rede, die die Leute zu bessern haben", und unter" Leuten" find verstanden die andern" außerhalb des Vereins, die sich deshalb fernhalten, weil sie verdorben sind". Die Mitmenschen nennen fich Habenichtse, weil sie gerecht und ehrlich sind". Ein arbeitsloser Tagelöhner erzählt nun, wie er einem Reichen, einem„ Kiesmenschen", auf die Bude gerückt ist, um ihn zu ermahnen, Mitmensch zu werden, und wie der ihn nicht vor die Tür werfen ließ, sondern mit einem blanken Taler und Arbeit versah un dabei' ne Träne im Ooge hatte", was alles bewirkte, daß der Mitmensch als bald zwei Tränen in de Oogen hatte" und seinen Wert vergaß und dem Wohltäter die Hand küßte. Bei dieser rührseligen Mitleidsgeschichte bleibt Glaßbrenner nun aber nicht stehen. Er gibt ein wuchtiges Gegenbeispiel unmittelbar hinterdrein, indem er den Weber Schwerenoth erzählen läßt:„ Mir is' t neulich mit
Du berauschest alle Sinne, leitest Feder, Pinsel, Stift;
Das
Bist das Wort der Offenbarung, das die Herzen zündend trifft. Kriegentbrannten Völkern raubest das gerecht erhobne Schwert du, Wandelst echten Wert in Lumpen und den Lumpen leihest Wert du!
Glaßbrenner erlebte auch, wie auf dem Boden, den gerade er bestellt hatte, eine Frucht aufging, die er nicht gesät haben mochte. Der„ Kladderadatsch" gehörte in seinen Augen dazu. Dem gelang es, die Klippen der Reaktionsjahre zu umsteuern. Auch er blieb nicht unbehelligt, aber seine nun wachsende Abkehr von jener Demofratie, die jedes Pattieren mit dem Feinde ausschlug, verschaffte ihm von rechts her einige pfiffig rechnende Toleranz. Die polizeiliche Zensur ließ ihm heimliche Ratschläge und Warnungen zugehen und suchte persönliche Fühlung mit den Redakteuren. Er vermied alles Doktrinäre der Parteianschauung, wies dem Humor seinen Siz über den Parteien an und begnügte sich nicht mehr bloß mit dem demokratischen Rock, den Glaßbrenner ihm angezogen hatte. Einst wies auch Glaßbrenner dem Humor souveräne Leberechte zu, aber die Zeit hatte ihn gezwungen, Partei zu nehmen, und als Parteimann nahm er die Angriffe der Satire, die seiner Sache galten, nicht mit der Duldsamkeit des Humoristen auf. Die Sache der Demokratie war ihm heilig, sie war in der Anschauung der Zeit nicht nur Volks-, sondern darüber hinaus Menschheitssache, und es gab nichts, was höher stand. Das erklärt die schroffe Haltung, die Glaßbrenner gegen den„ Kladderadatsch" einnahm. In einem Briefe an Wehl von 1859 verwahrte er sich energisch gegen die Meinung, er sei Mitarbeiter des Kladderadatsch":" Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie eine Silbe für den„ Kladderadatsch" geschrieben! Allerdings bin ich oft darin, aber willenlos: mit Pointen, Einfällen aus meinen Schriften. Ich verfolge auch eine ganz andere Nichtung; mein bißchen Humor ist christlicher, protestantischer, um es furz auszudrücken. Dieser ladderadatschige Nihilismus, diese Blasiertheit, die für nichts wahres Interesse, keine Ideale hat und alles für ihren jüdischen Wiz benutt, ist mir zuwider, am zuwidersten in seiner verderblichen Wirkung auf das