Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 248. sim
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Albertine.
Sonnabend. den 21. Dezember.
( Nachbruc verboten.
Ihr Freund.
Es war acht Tage später. Hinter der blaugestrichenen Wand schlug die Uhr einen heiseren Schlag.
Aus dem Frühlingsmantel war nun eine kleine, furze Sommerjacke geworden. Winzig fleine Staros auf hellgrauem Grund, eine kleine Brusttasche an der linken Seite und ein kleiner dunkelgrüner seidener Lappen gudte als Taschentuch daraus hervor.
Die Jade war schon seit mehreren Tagen fertig gewesen, und sie war jeden Tag damit in der Karl- Johann- Straße ggangen und war ihm begegnet, der seine braungestreiften Beinkleider anhatte und sehr elegant gewesen und sich ehrerbietig vor ihr verneigt hatte, selbst eines Tages, als er mit dem hübschen Fräulein Möller ging. Aber da hatte er nicht so tief gegrüßt wie sonst.
1912
Uebrigens dachte sie jetzt gar nicht mehr so viel an all das mit Oline, so wie sie es sonst getan hatte. Sie dachte nur an all das, was er gesagt hatte, und wie es aussah, und was er sie gelehrt hatte, und übte sich darin, während sie hier saß und nähte.
Er wollte, daß sie Schneidern lernen sollte, hatte er ge sagt, und er wollte ſehen, ob er nicht die Mittel und Wege dazu finden könne- oder sonst etwas, womit sie mehr Geld berdienen konnte, so daß sie unabhängig wurde, hatte er gesagt. Er war so schrecklich flug, denn je mehr sie konnte, um so besser würde sie allen Gefahren widerstehen, und um so leichter würde es für sie sein, sich gut zu verheiraten.
Ja, in ihm hatte sie einen guten Freund, und sie wollte ihm nur wünschen, daß es ihm so recht gut in der Welt gehen möchte. Aber Fräulein Möller konnte sie gar nicht so recht leiden, ja, sie war ja fein und reich genug, das war es nicht, aber sie fand wirklich nicht, daß sie gut genug für ihn war. Und so furchtbar hübsch war se gar nicht. Bloß weil die Schwester so häßlich war, nannten sie sie das hübsche Fräulein Möller, und dann fand sie auch wirklich nicht, daß sie eigentlich guten Geschmack hatte. Nein, das fonnte sie wirklich nicht Albertine hatte drei Briefe von ihm bekommen-an finden, nein, sie durfte es ihr nicht übel nehmen, daß der Fräulein Albertine Kristiansen, Norderstraße 7, und sie wußte folossale Hut, den sie so hintenüber in den Nacken gesett hatte, fie auswendig. Zuerst hatte er Liebes Fräulein Albertine" hübsch war. Sie sah ziemlich verwegen damit aus, und sie geschrieben und sie gebeten, ihn am Abend unten auf dem war lange nicht gut genug für ihn, für ihn, der von Ansehen Wall zu treffen, und dann hatte er sie wieder gefüßt zwei- der feinste und netteste Herr in der ganzen Stadt war. mal einmal auf dem Wall und einmal unten im Börsen- Und so vernünftig wie er war, er dachte soviel daran, sie garten, als er fie nach Hause begleitete, und am folgenden gut zu verheiraten! Ach, wäre sie doch eine feine und reiche Zage hatte er geschrieben:„ Liebe Albertine, willst Du mich Dame aus besserer Familie gewesen, so wie Fräulein Möller, treffen?" und dann hatte er sie wohl fünfmal gefüßt, und am Ende hätte er sich da in sie verliebt und sich mit ihr verer hatte nett und vernünftig mit ihr geredet, und sie gebeten, heiratet; dann wollte sie auch in der Hochzeitsnacht nicht weg. anständig zu sein, so recht vernünftig. laufen, wie Oline sagte. Nein, Dor ihm war sie nicht bange.
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Er warnte sie beständig. Sie meinte, er müsse der netteste Herr von der Welt sein, so wie er der netteste und feinste war.
Aber über eins wunderte sie sich, und das wollte ihr gar nicht recht gefallen. Wenn er so furchtbar fein war und einen fo guten Geschmack hatte, warum ging er da mit geflidten Stiefeln und schiefen Absätzen? Sie hatte immer gefunden, daß es das Allerordinärste war, nicht anständig auf den Füßen zu sein denn das war, als glaube man, die Leute könnten das nicht sehen, und sie hatte sehr viel darüber nachgedacht, denn sie dachte beständig an den 17. Mai und an jedes Wort, das er gesagt hatte.
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Einen Abend waren sie im Viktoriatheater gewesen, und da hatte er zu ihr gesagt, fie müsse nicht mit dem Messer essen, sondern mit der Gabel, na, natürlich, und sie konnte es auch gar nicht verstehen, wie sie das hatte tun können. Denn jetzt sah sie ja ein, daß das schrecklich ordinär war, und sie fand, daß es häßlich war, wenn sie des Mittags sah, wie die Alte das Messer nahm und damit bis an den Schaft im Munde herumfuhrwerkte, und Oline tat das auch. Eines Tages, als fie in der Norderstraße war und das war im Grunde sonderbar, denn sie war doch ihrerzeit mit so vielen feinen Herren zusammen gewesen. Ja, sie wollte gern eine Menge folcher Sachen lernen, und sie lernte jedesmal etwas Neues, und er sagte, sie sei sehr gelehrig und in furzer Zeit könne sie es mit jeder feinen Dame in der Stadt aufnehmen, denn viele von ihnen waren auch gar nicht so fein wie sie aussahen.
Heute abend wollte sie ihm sagen, daß sie ihn belogen hatte, daß sie wirklich eine Schwester von Oline Kristiansen war, denn sie wollte ihm nichts vorligen, wenigstens nicht viel. Sie wollte ihm gar nichts vorlügen; nach und nach wollte sie ihm alles erzählen alles; vielleicht würde sie ihn einmal so gut fennen, daß sie ihn nach dem mit Oline fragen konnte, und wie es sich mit dem allen verhielt, denn er war so flug und hatte Verständnis für alles in der Welt, und sie genierte sich weniger vor ihm als vor Jossa selbst. Mit Jossa wollte sie nie wieder zusammen sein, obwohl sie fand, daß es schade war, denn sie hatte Jossa doch nun einmal gern. Josia war bloß leichtsinnig, die Aermste, aber sie hatte es ihr gerade herausgesagt, warum sie nicht mit ihr zusammen sein tonnte, und Jossa hatte eingesehen, daß es richtig war, und nur gebeten, ob sie sie nicht besuchen dürfe, wenn Albertine anch nicht mit ihr auf der Straße gehen wollte
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Die Uhr schlug einen Schlag. Jekt war es halb sechs. Gott , wie langsam die Zeit vergeht, wenn man wartet."
Sie war doch ein wenig zu früh gekommen, das sah sie: an der Uhr an der Erlöserkirche, sie konnte hinabgehen an die Brücke und sich die Dampfer ein wenig ansehen.
Endlich rückten die Zeiger an der Zolluhr dis dicht vor sieben. Wenn sie jest langsam ging, fam sie fünf Minuten zu spät, und das war doch passend.
Wenn er doch schon da wäre! Sie ging quer über den Graf Wedel- Blak, vorbei an dem Arsenal unter den alten Bäumen, die ihre Stämme nach verschiedenen Richtungen hin schräg in die Höhe streckten, mit frischem grünen Laub.
fie
Hut
Heute wollte sie Du" zu ihm sagen, wollte versuchen, ob es fonnte. Sie hatte Herzklopfen.
Da sah sie seine braungestreiften Beinkleider und sein hinter den Baumstämmen.
Sie setten fich auf eine Bank.
Note Bojen wiegten sich fachte auf und nieder in denletzten kleinen Dünungen nach dem ersterbenden Sonnenuntergangswind und den Dampferwellen, die ein kleiner Derlfunddampfer hinterlassen hatte. Ein Lustfutter mit schlaffen Segeln wurde von einem schweren, diden Nuder in den Klubhafen gezogen.
Er sah nach der Uhr.
,, Du, Albertine, heute fann ich nicht lange hier bleiben, aber ich muß über etwas sehr Ernstes mit Dir reden. So! Jetzt kommt da jemand!"
Bon der Allee her näherten sich feste, kleine Schritte. Sie saßen schweigend da.
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Albertine sah auf im selben Augenblid, als er bor. überging. Sie zudte zusammen, es war der Polizeiinspektor. Er grüßte Helgesen. Er ging it, c also nach, am Ende durfte, sie hier nicht fißen, aber nein sie tat ganz unbefangen, sonst konnte Helgesen vielleicht glauben, daß sie was mit der Polizei zu tun habe.
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Wer war das?" fragte sie. Polizeiinspektor Winther." „ Ach- so!"
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Ich habe etwas sehr Ernsthaftes mit Dir zu bereden," er sab nach seiner Uhr, und ich habe nur wenig Zeit. Ich muß Dir etwas sagen, Albertine, ich habe lange darüber nachgedacht, aber ich habe mich immer nicht entschließen können,