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So war sie denn also niemals dazu gekommen ,,, Du zu ihm zu fagen.

Auf einmal übermannte das Weinen sie, und sie tand sich schluchzend und flüsterte: Gott steh mir bei, Gott steh mir bei, Gott steh mir bei!"

es zu sagen. Aber nun sollst Du es hören, denn jetzt geht es nicht länger an. Es geht nicht länger an, daß ich mich mit Dir treffe, es es ist nicht gut was ich sagen wollte- ich glaube, wir müssen der Sache ein Ende machen. Denn Später, dann ist es biel schwieriger, aber jebt, ießt fann es noch gehen. Die Sache ist die, ich merke, daß ich nicht mehr so Sie hatte lange dagesessen und noch einmal alles durch sehr Herr über mich bin, wie ich glaubte, daß ich es Dir gedacht, was er gesagt hatte, nun wußte sie es auswendig, und gegenüber wäre. Und ich glaube, ich kann merken, daß Du die Worte famen ihr von selbst auf die Bunge- wieder und Dich mir gegenüber auch nicht so fühl stellit- folglich und außerdem ist ja so viel Gerede. Und für Dich ist es auch nicht gut, das, was sie von Dir sagen. Meinst Du nicht selbst auch, daß es am richtigsten so ist, wie ich sage?"

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Sie sah auf eine große, rote Boje mit vielen dicken Tauen und Verkettungen nieder mitten im Hafen.

,, Meinst Du es nicht auch?" fragte er und zog sie an sich, meinst Du nicht auch, daß es so am besten ist?"

" Ja, vielleicht!" erwiderte sie leise.

Aber wir wollen auch in Zukunft gute Freunde bleiben, nicht wahr, ich wußte ja, daß Du ein verständiges Mädchen bist, das eine solche Sache vernünftig auffaßt. Nein, nein, es ist am besten, Schluß zu machen, solange das Spiel noch gut ist, und ich will nicht gewissenlos sein und ein junges Mädchen verführen. Ein redlicher Mann hört zur rechten Beit auf. Findest Du das nicht auch, bist Du nicht einig mit mir, Tine?"

Ja, sie verstand sich ja freilich nicht recht auf dergleichen, aber sie glaubte, daß es richtig war, weil er es sagte. Eine nach der anderen kamen die Tränen hervor, eine nach der anderen tropften sie auf ihre unbehandschuhte große Hand hinab.

Sie wandte den Kopf halb ab.

wieder.

[ 7]

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( Fortsetzung folgt.)

Hans und Heinz Kirch.

Bon Theodor Storm .

Ei was, Dein Mann, Dein Mann!" und ein zorniger Blick schoß unter den buschigen Brauen zu seinem Sohn hinüber, und " Dein Mann gehört dahin; feine Stimme wurde immer lauter fremde Kapitäne ihres Vaters Schiffe fahren laffen, die längst aber die alten Matrosen, die mit fünfunddreißig Jahren noch ganz anderswo noch siben sollten, die mag ich nicht unter mir im Kirchenstuhl sehen!"

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Er schwieg und wandte sich wieder nach dem Fenster, und niemand hatte ihm geantwortet; dann aber legte Heinz das Gesang­buch, das seine Schwester ihm gegeben, auf das Pult. Wenn's nur das ist, Vater," sagte er, der alte Matrose tann zu Hause bleiben; er hat so manchen Sonntag nur den Wind in den Tauen pfeifen hören."

Aber die Schwester ergriff des Bruders, dann des Vaters Sände. Heinz! Bater! Laßt das ruhen jekt! Hört zusammen Gottes Wort; ihr werdet mit guten Gedanken wiederkommen, und dann redet miteinander, was nun weiter werden soll!" Und wirk­lich, mochte es nun den heftigen Mann beruhigt haben, daß er, Er lachte und zum mindesten vorläufig, sich mit einem Worte Luft geschafft, was sie selber nicht erwartet hatte, sie brachte es dahin, daß beide in die Kirche gingen.

,, Aber Du weinst ja, Albertine?" Streichelte ihr die Wange. Sei doch vernünftig!" Schritte wurden hörbar; er entfernte den Arm von ihrer

Taille.

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Aber dann verhallten die Schritte wieder, und er zog sie bon neuem wieder fest an sich.

So sage ich denn heute abend das leztemal Du" zu Dir, Albertine; denfe aber auch an alles, was ich Dir ge­sagt habe; und wenn Du jemals der Hilfe oder eines Rat­Schlages bedarfft, so mußt Du zu mir kommen. Willst Du mir das versprechen, Albertine?"

Ja, sie versprach es, fie fühlte wieder eine Träne auf ihrer Hand und trocknete sie mit dem Aermel ihrer Jacke ab. Er schlug die Beine übereinander.

Er hatte neue, spiße Stiefel anach, wie sein und spik. Sagen Sie bitte, etwas, Helgesen, ist es, weil weil Sie nein, fie fonnte sich nicht entschließen, Du" zu sagen, teil Sie sich mit dem hübschen Fräulein Möller verloben wollen, müssen wir uns darum-"

Er sah sie an und lächelte ein wenig.

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Wie kommst Du darauf-? Ja, wer weiß, es ist nicht unmöglich, aber darüber mußt Du mit feinem Menschen

reden."

Nein, sie würde nichts sagen.

Ja, nun wird es wohl am besten sein, wenn wir gehen," - er sah nach der Uhr ich muß heute abend noch aus gehen. Und dann will ich Dich nach Hause begleiten."

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,, Nein, das tut nicht nötig," sagte sie, es ist so hell, und ich möchte gern noch ein bißchen sitzen bleiben. Also, wenn Sie Eile haben-"

Na ja, denn adieu, Albertine, dann sehen wir uns also nicht. Willst Du mir einen Kuß geben?"

Ja."

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Sie fühlte wieder den Geruch des Eau de Lubin um sich. So hatte er sie noch nie gefüßt, und sie schmiegte sich an ihn und füßte ihn wieder, mehrmals und jedesmal lange. ,, Lebwohl, Albertine!" Er sah nach der Uhr. Leben Sie wohl!" Nur mit Mühe brachte sie die Worte Heraus: Dann setzt sie sich hin. So hatte er sie noch nie gefüßt.

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Nein, noch nie hatte er sie so getüßt. Sie war ja ganz verliebt in ihn, und auf einmal kamen die Tränen wieder, nicht eine nach der andern, sondern viele auf einmal, und der ganze Hafen tanzter ihren Augen, und die Richter aus den Laternen flogen in langen, langen, wechselnden Strahlen heraus. Dann hätte es ja auf einmal damit enden können, daß wir uns ganz ineinander verliebt hätten, hatte er gefagt -ja, das war wohl richtiger war so klug und vernünftig.

Aber Hans Kirch, während unten, wie ihm nicht entging, fich aller Blicke auf den Heimgekehrten richteten, saß oben unter den andern alten Kapitänen und Reedern und starrte, wie einst, nach der Marmorbüste des alten Kommandeurs; das war auch ein Stadtsjunge gewesen, ein Schulmeisterssohn wie Heinz ein Schul­meistersenkel; wie anders war der heimgetommen! nach dem Kirchgang, noch am Nachmittage statt. Am Abend zog Eine Unterredung zwischen Vater und Sohn fand weder Frau Lina den Bruder in ihre Schlafkammer:" Nun, Heinz, haft Du mit Vater schon gesprochen?"

Er schüttelte den Kopf: Was soll ich mit ihm sprechen, Schwester?"

Du weißt es wohl, Heinz; er will Dich droben in der Kirche bei sich haben. Sag ihm, daß Du Dein Steuermannsexamen machen willit; warum hast Du es nicht längst gesagt?"

Gewaltssache mit dem alten Schifferstuhl!" rief er." Todos Ein verächtliches Lachen verzerrte sein Geficht: Ist das eine diabolos, ich alter Kerl noch auf der Schulbant! Dent wohl, ich habe manche Bark auch ohne das gesteuert!"

Sie sah ihn furchtsam an; der Bruder, an den sie sich zu ge wöhnen anfing, tam ihr auf einmal fremd, ja unheimlich vor. Gesteuert?" wiederholte sie leise; wohin hast Du gesteuert, Heing? Du bist nicht weit gekommen."

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Er blidte eine Weile seitwärts auf den Boden; dann reichte ich fann noch nicht wie ihr; muß mich immer erst befinnen, wo ich er ihr die Hand. Mag sein, Schwester," sagte er ruhig; aber hinzutreten habe; kennt das nicht, ihr alle nicht, Schweffer! Ein halbes Menschenleben, ja, rechne, noch mehr als ein halbes Menschenleben kein ehrliches Hausdach überm Kopf; nur wilde See oder wildes Volk oder beides miteinander! Ihr kennt das nicht, sag ich; das Geschrei und das Gefluche, mein eignes mit dar­

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unter, ja, ja, Schwester, mein eignes auch, es lärmt mir noch immer in die Ohren; laßt's erst stiller werden, sonst es geht sonst nicht!" Die Schwester hing an seinem Halse. Gewiß, Heinz, gewiß, wir wollen Geduld haben; o, wie gut, daß Du bei uns bist!"

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Plötzlich, Gott weiß woher, tauchte ein Gerücht auf und wanderte emsig von Tür zu Tür: der Heimgekehrte sei gar nicht Heinz Kirch, es sei der Hasselfriz, ein Knabe aus dem Armenhause, der gleichzeitig mit Heinz zur See gegangen war und gleich diesem seitdem nichts von sich hatte hören lassen. Und jetzt, nachdem es eine kurze Weile darum herumgeschlichen, war es auch in das Kirchsche Haus gedrungen. Frau Lina griff sich mit beiden Händen an die Schläfen; sie hatte durch die Mutter wohl von jenem andern gehört; wie Heinz hatte er braune Augen und braunes Haar ge= habt und war wie dieser ein kluger wilder Bursch geweien; jogar eine Aehnlichkeit hatte man derzeit zwischen ihnen finden wollen. Wenn alle Freude nun um nichts sein sollte, wenn es nun nicht der ja an dieses Menschen Hals gehangen, sie hatte ihn gefüßt Frau Eine helle Röte schlug ihr ins Gesicht; sic, hatte Lina vermied es plötzlich ihn zu berühren; verstohlen aber und defto öfter hafteten ihre Augen auf den rauhen Zügen ihres Gastes, während zugleich ihr innerer Blid sich mühte, unter den Schatten

Bruder wäre!