den leichtbespöttelten Bandsleuten), der ein geschmeidig schmeicheln­der Erzieher eines Weimarer Fürstensohnes wird, der einst über 90 000 Seelen herrschen und sie unbarmherzig arbeiten lassen wird, um das Genieland der klassischen deutschen Dichtung versorgen zu fönnen.

Die Leistung, die Wieland der deutschen Literatur gegeben, war die Ausweitung ihres Stoffkreises und die Verflüssigung der Literatursprache, der er eine liebenswürdige Geschwäßigkeit und eine in ciceronischen Perioden leicht flatternde Behendigkeit lieh. Seine Beliebtheit verdankt er seiner in der ersten Zeit unrein winternden und grinsenden Erotik, die sich späterhin ins Natür­liche veredelte und sogar zu einem Kultus erdfreudiger Humanität steigerte, wenn sie auch immer unter einem ungeheuren Konsum von Korallen und Alabaster die Frauenleiber ein wenig lüstern be­tastet. Bulegt gewinnt doch sein Kampf gegen alle Heuchelei und Brüderei etwas wie Größe, und seine Zärtlichkeit für alle leicht­füßigen Aspasien, Phyrnen und Danaen bereitet doch eine soziale Auffassung aller menschlichen Erscheinungen und eine Befreiung von dem tausendjährigen Wust frankhafter Verziehung liebens­würdig vor.

In einem überragt Wieland die führenden Weimarianer und wird hier nur noch von Herder übertroffen: in seiner lebendigen Teilnahme an den großen Beitereignissen, deren Zeuge er sein durfte. Aber gerade hier zeigt sich auch die ganze Schwäche jener höfischen Kultur, in die er eingespannt war und die ihn verdarb. Das rege journalistische Bedürfnis, das ihm als Herausgeber des ewig stoffhungrigen Journals des Teutschen Mertur" notwendig war, trieb ihn an, mehr über die Vorgänge der Zeit zu äußern, als irgendein anderer Weimarianer.

Mit politischen Problemen hatte er sich seit frühen Jahren schriftstellerisch beschäftigt. Er hatte immer einen Sang ins Uto­pische. Die Verwirklichung seines Staates der allgemeinen Glüd­feligkeit und Freiheit aber dachte er sich genau so, wie sie alle Lite raten seiner Zeit denken mußten, wenn anders sie nicht die Wur­zeln ihrer Gristenz zerschneiden wollten. Sie lebten von höfischen Gönnern  , die vor der Revolution sehr gern sich durch revolutionäre Gedanken fibeln ließen. So ist es auch bei Wieland immer ein weiser Fürst, der von einem Philosophen erzogen und beraten wird, der unter menschlich milder Regierung und vernünftigen Gesezen die allgemeine Wohlfahrt gewährt. Die Wölfer haben derweilen nichts anderes zu tun, als sich von allem Aberglauben durch die wahre Aufklärung befreien zu lassen und allmählich in einen ge­fitteten und gebildeten Zustand emporzuwachsen. Wieland schrieb schon eines seiner ersten Werke, den Cyrus, zu dem Zwecke, um Friedrich II.   von Preußen für solche Menschenbeglüdung zu ge­winnen, und seinen Goldenen Spiegel wollte er Josef II.   von Desterreich vorhalten, mit der stillen Hoffnung, dieserhalb nach Wien   berufen zu werden.( Das Werk brachte ihn aber nur nach Weimar  .) Die Vorarbeiten für die Erreichung all dieser schönen Dinge legte Wieland vertrauensvoll in die Hände eines nicht existierenden Bundes der Kosmopoliten, die beileibe nicht etwa eine über alle Länder sich erstreckende tatsächliche Organisation bilden sollten, denn das war verboten und wäre als Propaganda für todes­würdige Verschwörungen dem guten Untertan Wieland übel be­tommen. Diese Kosmopoliten waren vielmehr jene Menschen, die fich, durch die Schule der wahren Aufklärung gegangen, von selbst zusammenfanden, alle dasselbe dachten und wollten, vermutlich, weil sie alle Wielands Schriften gelesen hatten, die jedoch wiederum auch keinen Schritt taten, um ihre Gedanken zu verwirklichen. Schon in den Abderiten hatte Wieland von der unsichtbaren Gesellschaft der Kosmopoliten gesprochen, die ohne Verabredung, ohne Ordenszeichen, ohne Boge, ohne Eidschwüre die festeste Brüder­schaft bilden, die sich sofort finden und erkennen, wenn fie irgendwo auf Erden zusammentreffen. 1788, also im Morgengrauen der Revolution, erläuterte Wieland das Geheimnis des Kosmopoliten­ordens".

Da hieß es:" Der Kosmopolit ist vermöge seiner wesentlichsten Ordenspflichten immer ein ruhiger Bürger, auch wenn er mit dem gegenwärtigen Zustande des gemeinen Wesens nicht zufrieden sein tann. Nie hat ein Kosmopolit an einer Zusammenver­schwörung, an einem Aufruhr, an Erregung eines Bürgerkrieges, an einer gewaltsamen Revolution, an einem Königsmord absicht­lichen Anteil gehabt, noch jemals diese oder ähnliche Mittel, die Welt zu verbessern, gebilligt, geschweige empfohlen und öffentlich zu rechtfertigen unternommen."

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Das war noch reichlich der brave deutsche Untertan mit der wahren Aufklärung im Gehirn und auf dem Papier und mit der geduldigen Ruhe als der ersten Bürgerpflicht. Aber in dem höfi­schen Pensionär Wieland bezog, nachdem sein Schüler Karl August zur Regierung gelangt war, ein lebenslängliches Gnaden­gehalt von tausend Talern- lebte eine Seele, die viel zu empfäng­lich für das Große in der Kunst wie im Leben war, als daß ihn nicht der Ausbruch der Revolution aus dieser muffigen und feigen Philisterei hätte aufscheuchen müssen. Alle utopischen Hirngespinste, all das gemeinpläßige Geschwäb über die beste Staatsform, über Monarchie und Republik  , über Aristokratie und Demokratie, belch lepterer er im Agathon eine nicht allzu ernste Anklagerede gehalten hat, das verflog nun unter der stürmischen Gestaltung neuen Lebens, Utopien wurden Wirklichkeit. Die unsichtbaren und un­greifbaren Kosmopoliten, die im Grunde nur zweibeinige Bücher waren, wurden jest Fleisch und Blut. Auch Wieland wie vielen anderen Deutschen   war es, als ob sich jetzt die heißeste Sehnsucht

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ihres Daseins erfüllte. Und gerade er, der vorsichtigste und sorg­fältigste Rechner, der verzärtelte Feind aller persönlichen Ungelegen­heiten, ging nun nach einigem Zögern mit einem fast besinnungs losn Ungestüm in das Lager der Revolution über. Sowohl in den fabulierenden Neuen Göttergesprächen, wie in den poli­tischen Auffäßen seines Teutschen Merkur  " rauschte es voll rebo Iutionärer Begeisterung. Als im Februar 1790 die französische  Nationalversammlung alle Mönchsorden und Klostergelübde_auf­hob, nannte Wieland dieses Defret eine Begebenheit, die ihres­gleichen in der ganzen katholischen Welt nie gehabt hat. schwärmt von den fast unübersehbaren heilsamen Folgen, die es für die Agrikultur, die Bevölkerung, die bessere Erziehung der Jugend, den besseren Unterricht des Volkes hervorbringen müsse. Ganz radikal wehrt Wieland die Baghaften ab, denen das Vor­gehen der Franzosen   zu stürmisch war. Eine neue Konstitution fönne kein Flidwert, keine Ausbesserung eines alten, finsteren, häßlichen, allenthalben mürben und einfallenden Gebäudes sein, sondern sie müsse von Grund auf ganz neu aufgeführt werden. Rein Mittel, das zu diesem Ziele führte, fonnte ihn schrecken; und gerade Wieland hatte durchaus Verständnis und äußerte es auch, daß es bei so ungeheuren Umwälzungen nicht ohne Gewalttätig­feiten abgehen könnte. Aber in Deutschland   wurde bald von den zitternden Fürsten und dem aufgeschredten Adel der Krieg gegen den Erbfeind im Westen gerüstet; und die revolutionären Ge­danken, die vordem eine ledere Unterhaltung für ihre müßigen Köpfe waren, zu deren Ausspinnung sie sich ihre Hofnarren hielten, wurden jeßt, da sie Muskelfraft erhielten, als todeswürdiger Hoch­verrat berfolgt.

Es ist ein erbarmungswürdiges Schauspiel, au sehen, wie Wieland, unter dem äußeren Zwang seiner Umstände, einlenkt, wie er Leuten und vielleicht auch sich selbst einzureden sucht, daß die Wandlungen seiner Anschauungen durch die Enttäuschung über die Entwickelung der Revolution veranlaßt seien; wie er anfangs noch unter der Maste eines parteilosen Zuschauers die revolutionären Gründe sehr kräftig und die konterrevolutionären Gegengründe recht schwächlich gegeneinander abwägt, um doch wenigstens die Tat­fachen und die Gedanken der Revolution aussprechen zu können; wie er dann auf der einen Seite durch den öffentlich ausgesproche nen Vorwurf des Verrats aufgepeitscht, auf der anderen Seite selbst des Umsturzes verdächtig, mit dem schlechten Gewissen und denz ungeschickten Eifer des Renegaten alle revolutionären Neigungen und Aeußerungen abzuleugnen und abzuschwächen versucht. Ge legentlich gibt es noch Rüdfälle in die alte Begeisterung, so unter dem Eindruck der gewaltigen Waffenleistungen, die die Heere der Republik   vollbrachten. Später, 1798, in den Gesprächen unter vier Augen, ist dann jede revolutionäre Begeisterung erstickt. Hier lehrt er zur Anbetung des fabelhaften Regenten zurück, der allweise und allmächtig die Völker beglückt, der freilich nicht gerade von Gottes Gnaden zu lein braucht. Das zweite dieser Gespräche dadurch merkwürdig geworden, daß er hier wohl die erste Anregung dieser Art in der europäischen Oeffentlichkeit den Franzosen empfahl, sich den in schimmernden Worten über die Maßen gepriesenen General Bonaparte als rettenden Diktator zu nehmen. Diese merkwürdige Prophezeiung, die sich sobald erfüllen sollte, veranlaßte 1800 das englische Regierungsorgan, den deut­schen Schriftsteller Wieland" zu beschuldigen, daß er Mitglied einer internationalen Verschwörerbande sei, der mitgeholfen habe, den Jakobiner- Cäsar zur Herrschaft zu bringen. Erschrocken wehrte fich Wieland gegen den Verdacht; jener Rat sei nur ein ahnungs­loser Scherz gewesen. Immerhin scheint er nicht ganz ohne Gin­wirkung eines in Weimar   weilenden Franzosen   entstanden zu sein, der hernach in der Umgebung Napoleons   an hervorragender Stelle tätig war.

Maschinen im Theater.

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Bei den Aufführungen des" Faust" wird das Vorspiel auf dem Theater" fast niemals dargestellt. Dabei findet sich darin ein Sah, der als ein Motto für alle" Faust"-Aufführungen in den großen Theatern von heute gelten kann. Der Direktor sagt zu den Männern, die das nun folgende Stüd vorbereiten: Schonet mir an diesem Tag Prospekte nicht und nicht Maschinen!" Und wahrlich werden heutzutage bei der Darstellung phantastischer Stücke auf allen Bühnen, die etwas auf sich geben, diese beiden Dinge nicht geschont! Namentlich Maschinen werden in weitest­gehendem Maße heute zur Versinnlichung des" Faust" und aller anderen Werke mit vielem Szenenwechsel und großem dekorativen Aufwand herangezogen. Die große Schauspielbühne und noch mehr fast bie Oper haben ganz gewaltige Maschinenanlagen, um alle möglichen szenischen Vorgänge möglichst natürlich" dem Zus schauer vor Augen zu stellen.

In teinem der in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren ge­bauten Theater gibt es noch eine Bühne, die nichts weiter als einen einfachen bretternen Fußboden hät e. Ueberall sind ausgedehnte Anlagen von vornherein hineinkonstruiert, um ein rasches Um­bauen der Szene zu ermöglichen. Die heutigen Dekorationen find ja oft so kompliziert, daß die einzelnen plastischen Stücke sehr schwer abzutransportieren sind, und daß ihre Zahl viel zu groß ist, um in ein paar Minuten weggeschafft werden zu können. Man muß schon dafür sorgen, daß die ganze Szene in ihrer Gesamtheit