Marek fomüc der Versuchung fast nicht widerstehen, an lin Herrn heranzutreten, ihm einen tüchtigen Klaps auf die Cchultcr zu geben, wie man es früher oft gemacht hatte, sich recht heftig und herzlich mit ihnr abzuküssen, so daß die Zähne knirschten, und dann von jenen schönen alten Zeiten zu plaudern. Vom Professor Lopata, von dem alten, kahlen „Homer ", von den Kollegen, von dem Trunkenbold Susi- fchenka. dem Gehilfen des Klassenordinarius, den, Spion und Gesanglehrcr, dem sie vor etwa ein Dutzend Jahren die Herr- lichstcn Streiche gespielt hatten in der Stadt A'. Von der schmutzigen Konditorei auf dem Ringplatz, wo die älteren Schüler zu einer Partie Billard und einer kleinen Sauferei heimlich zusammenkamen. Von den nächtlichen Erpeditionen- in Zivil, von den, terroristischen Attentat aus den Lehrer Bojanka, dem verrückten Kerl, der niemand mehr als„Ge- nügend" gab, und der vor lauter Gelehrsamkeit sich schließlich an der Klinke erhängte. Von Fräulein Anulja, in welche der icine verliebt war, und von der wunderschönen Kasja, die den alkdern begeistertem Was mochten sie wohl treiben, diese Damen, ohne die sie damals nicht leben konnten, und die jetzt fremde Kinder aufziehen?— Von den ausgedehnten, gemein- samen Bädern im schmalen Bach, wo man auch Krebse fing, zur Prüfung büffelte, und in den, sie sich als Quintaner, aus Liebeskuininer eines Tages im schönen Monat Juni, auf freundschaftliche Verabredung und aus gleicher Not, ertränken wollten, da weder Fräulein Anulja noch Kasja... Ach wie dumml Zum Teufel noch einmal!... Ten gleichen einfachen Gedanken hatte in seiner Ecke auch i>cr Kollege Schablowski, einst im gemeinsamen Studier- zimmer Schablon genannt. Sie ärgerten sich beide. Jeder wußte, was der andere dachte, und dennoch wandten sie die Augen voneinander ab und stellten sich auf die blödsinnigste Weise an, als erkennten sie sich nicht. Dabei war der Wagen ganz leer._ So fuhren sie eine Weile. Schließlich konnte es Marek nicht mehr aushalten und beschloß, solange als irgend möglich, zürn Fenster hinauszu- sehen. Er beugte sich hinaus und traf Aug in Auge mit dem alten Kollegen zusammen, welcher etwas früher aus die gleiche Idee gekommen war und in seinem Fenster hing. Sie mußten beide laut lachen. „Weshalb lachst Du, alter Idiot?" „Aus dem gleichen Grunde wie Tu! Wie dumm!" „Ja, es gibt allerhand Tummes auf der Welt. Laß uns plaudern!" „Wann haben wir uns wohl zuletzt gesehen?" „Na. doch auf dem Meeting bei Schlenker! Auf der Dzika, ". lFortsetzung folflt.1 4] Hn die Scholle gebunden. Von G u st a s I a n s o n. Der Bauer drehte sich auf dem Absatz herum und ging ärgerlich bem Hause zu. Auf halbem Wege blieb er stehen und rief über die Achsel: „Was hat er eigentlich hier zu suchen?" „Ucberleg' cr's sich, Hab' ich gesagt!" ermahnte Hans, „Zum Kuckuck..." „Man- soll nie'was verschwören!" fiel Hans ein. Zornig wandte ihm ocr Bauer den Rücken, Hans blickte ihm seine Weile nach und setzte dann seinen Weg fort. Wie gewöhnlich suchte er alte Bekannte auf und redete in seiner ikurz angebundenen, einsilbigen Weise über gemeinsame Interessen. Stegen Nachmittag stellte er sich am Wege, der vom Kausmannsladcn nach der Südseite der Insel führte, aus. Aeußcrlich ruhig, schielte er bald nach der einen, bald nach der anderen Seite. Um sieben Uhr kam ein einzelner Man» des Wegs. Er hatte den Kops ver- bundcn und trug eine Ziehharmonika unter dem Arm. Als er Hans Mortensson gewahr wurde, blieb er auf zehn Schritt Eni- fernung stehen, unschlüssig, ab er weiter gehen solle. Endlich faßte «r Mut und ging mit trotziger Haltung auf den Wartenden zu. NlS er an Hans vorübcrkam, sagte der drohend: „Ja, hüt' er sich..." Der Knecht schielte seitwärts, wagte aber nicht, etwas zu er- widern, sondern ging eilig weiter. Sans solgte ihm nach und ließ -ihn nicht aus den Augen. Der blieb am Gehege des Kaufmanns «stehen und spähte abwechselnd nach Hans und nach dem Wohn- chausc hinüber. Aergcrsich ü?er seine eigene Unentschlossenheit, ariss er nach der Harmonika und begann eine Polka zu spielen. Mach wenigen Minuten trat Karin aus dem Haus und ging zur Pforte binab. -Höchst befriedigt bemerkte Hans Mortensson, der ohne den Stecht aus den Augen zu verlieren, von seinem Platz aus alle ihre Bewegungen beobachtete, daß ihr Gruß nicht besonders herz- lich war. Nach einigem gleichgültigen Geschwätz am Lattenzaun trat Karin auf die Straße hinaus und schlug den Weg ein. der bei HanS vorüber führte. Zögernd folgte ihr der Knecht. Wenige 'Schritte vor dem Wartenden entfernt, ging Karins Begleiter auf die andere Seite des Wegs hinüber. „Karin," redete Hans sie an. als das Mädchen an ihm vor, überkam. „Was gibt's?" entgegnete sie kurz. „Ich will mit Ihr reden." Da sie keine Miene machte, stehen zu bleiben, schwieg Hans und schloß sich unaufgefordert dem Paar an. „Wenn ich aber nicht will?" sagte sie trotzig. �--vDaraus kommt's nicht an. wenn i ch nur will." Karin schnaubte verächtlich, aber Hans verzog keine Miene. Schlveigend gingen sie zwanzig Schritt weiter, als Hans einleitend hustete: „Soll der da, Keller heißt er wohl, auch mitgehen?" „Das wird er wohl, wcnn's ihm gefällt," entgegnete Karig abweisend. „Sonst Hütt' ich ihr was zu sagen."» „Meinetwegen kann cr's für sich behalten,"." „Ich sag's dennoch." Wiederum trat eine Pause ein, indes die drei den Waldweg fortsetzten. Unwillkürlich ging Hans langsamer und Karin mäßigte demgemäß ihre Schritte. „Will sie den dort heiraten?" � „Geht's ihn was an?" speiste ihn Karin ab. „Bielleicht doch." „Nee, so was lebt nicht!" Das Mädchen zuckte die Achseln und bestrebte sich vergebens, eine geringschätzige Miene anzunehmen. „Antworte nun auf'ne andere Frage," suhr Hans unbeirrt fort,„will sie statt dessen mich heiraten?" „Der Kerl ist wohl nicht bei Sinnen? „Antworte mir und kümmere sie sich nicht um anderes, das ist meine Sache." Dabei blieb er stehen und blickte sie ruhig und � Karin tat ein paar Schritte, als wolle sie sich aus seiner Nähe entfernen, aber die weibliche Neugierde forderte ihr Recht, weshalb sie zauderte, um den Mann ordentlich zu beschauen, der auf eine so eigentümliche Art freite. Dabei begegnete sie dem ossenen Blick in Hans Mortenffons ehrlichen Augen und� wie es ihr schon ein- mal ergangen war, erzitterte eine Saite in ihrem Herzen. Daß der Mann vor ihr es ernsthaft meine, unterlag keinem Zweifel. Verwirrt und verlegen begann sie unschlüssig an einem Band« zu zupfen, das unter dem Mieder hervorguckte, indes sie abwechselnd ihn und Per Keller musterte, dessen dumme Miene ihresgleichen suchte. Ungewiß, wie sie sich verhalten solle, tat sie, als halte sie alles für einen Scherz. � „Ach, er hat mich nur zum besten," brach sie aus und versuchte zu lachen. „Erst antworte, dann woll'n wir weiter sehen." „Meint er'S im Ernst?" sagte Karin leise mit unsichere? Stimme. Hans nickte nur, wie er's stets zu tun pflegte, wenn er anstatt zu antworten, sich mit einer Gebärde behelfen konnte. Karin versuchte sich zu sammeln, als ihr Blick Per Keller streifte, der weitergeschlendert war, sich aber nicht aus der Hör, weite entfernte. „Kann er das sagen, wenn's'n anderer hört?" stammelte si« zwar zaghast, aber mit unverhehltem Verdruß. „Ich Hab' ihn nicht hierher gebeten." Abermals glitt Karins Blick von Per Keller zu Hans Mortensson und zurück. Ihr Busen wogte auf und nieder,'und dunkle Röte bedeckte die gebräunten Wangen. Keller war noch ein Junge, der ihr seit dem Frühling nachgelaufen war, und da es ihr besser dünkte, einen Bewunderer, als gar keinen zu haben, hatte sie sich nicht abweisend gezeigt. Instinktiv fühlte sie, daß sie ebenso. wenig an ihn gebunden sei. als er Liebe zu ihr empfinde, Außer- dem hatte sie bald die Dreißig überschritten und... „Na..." drang Hans Mortensson in sie. Karin heftete ihr eines Auge auf ihn, und ohne sich an seine Ungeduld zu kehren, dachte sie: ja, ein Mann ist er, und mit diesem Bewußtsein ver- änderte sich ihre Miene und unwillkürlich trat sie einen Schritt näher. Lachend nickte Hans Mortensson ihr zu. Daß eine natürliche Scheu ihre Lippe band, schien ihm begreiflich, weshalb er vorschlug, daß sie Per fortschicke. „Tu's selbst." entgegnete sie gelassen. Hans blickte sie forschend an. ob er recht gehört habe, klatschte dann- in die Hände, daß es durch den Wald schallte, worauf er aus Per zuging. „Paß auf, nu wird's was setzen, Gelbschnabel!",, Per Keller ahnte Gefahr und lief, als gelte es das Leben. Ein trotz seiner Herzlosigkeit helles Lachen folgte ihm. Zum erstenmal erlebte Karin, daß zwei Männer um ihre Gunst stritten, was sie in ihrem eigenen Bewußtsein hob. Durch ihr Lachen angespornt, lief Hans den Weg hinab, aber der behendere Per gewann den Borsprüng und verschwand hinter einer Krümmung des Pfades, worauf Hans Mortensson zu Karin zurückkehrte. Besonders schön war sie nicht, aber daS war ihn»
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30 (28.1.1913) 19
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