: lerischen Individualität in den harten Reibungen mit groben Menschen und feindlichen Dingen, geringe? Verständni? für die geistige Struktur eines symphonischen Kunstwerke?, dafür aber andere Vorzüge: Liebenswürdigkeit, Sachlichkeit, Bescheidenheit, gründlich und zuverlässig in allen Aeuberlichkeiten und biographischen Tat- fachen. Der ganze Ton des Buches strebt mehr nach gesellschaft- lichcr Wirkung(also für Leser mit geringerer geistiger Spannkrast) als nach musik-wissenschaftlicher oder volkstümlicher Bedeutung. Wer also eine geistig gesammelte Darstellung des künstlerischen Lebenswerkes dieses vielumstrittenen Komponisten wünscht, wird von Jlorence May enttäuscht sein, wer aber gerne wissen will(und Brahinsens LieblingSschreiberin weiß das alles ganz haarklein und genau), wo der Meister abgestiegen ist, als er in Bonn oder Detmold konzertierte, wie er sich kleidete, wie er wohnte, wo er überall seine Sachen dirigierte, daß er Spargel-Frühstücke liebte und zu kurze Hosen trug, der kommt auf seine Rechnung. Nachdrucklich hebt zu wiederholten Malen die Berfasserin hervor, wie Brahms , der unnachgiebige Kämpe musikalischer Tradition, dessen Existenz als Künstler sozusagen auf der Lebensfähigkeit absoluter Musik fuhte, dennoch stet? eine hohe Achtung für Wagners Musik gehabt hat. Da? ist von Kennern Brahmsens nie bestritten worden. Die Miß- achtung lag auf feiten WagnerS, der in feines alles durchbohrendem Gefühle die souveräne Verachtung aller Mitschaffenden, aller Mit- ringenden aus der universalen Herrgottsperspektive offener zur Schau trug wie gut war. Von Wert und Wichtigkeit für Brahmsforscher ist das der 2. Ausgabe beigegebene..numerierte und klassifizierte" Verzeichnis der Textanfänge sämtlicher BrahmSscher Lieder und Ge- sänge, dazu ein �korrespondierendes Nummernverzeichnis" der Dichter oder sonstiger Quellen der komponierten Texte. Man übersteht damit gut die außerordentliche Fruchtbarkeit deS Lyriker? BrahmS , der nicht weniger wie 465 Volkslieder, Kunstlieder, Volks kinderlieber, Romanzen, Chore, Gesänge und Klavierlieder für eine oder mehrere Stimmen veröffentlicht und somtt quantitativ die beiden Meister, mit denen zusammen er immer noch die meisten Programme deutscher Konzertsänger bestreitet: Schubert und Schumann, weit übertrifft. Auch um den unglücklichen großen nendeutschen Liedmeister Hugo Wolf mehrt sich die Literatur. Sein Landsmann und Freund H. Desieh hat die klassische Wolf-Biographie geschrieben, Haberlandt und Batka sind gefolgt. Die Briefwechsel des Künstlers mit Emil Kauffmann , Hugo Faißt , Oskar Grohe und Paul Müller- Berlin sind getteulich in Druckerschwärze aufbewahrt und jetzt kommt nun auch der Wiener Wolf -Kenner E. v. Hellmer mit einem Büchlein: �Hugo Wolf . Eine Persönlichkeit in Briefen. Familienbriefe. Leipzig , Breitkopf u. Härtel. 3 M." Er ist der Meinung, daß ein wirkliches und lebendiges Bild einer Persönlichkeit nicht gegeben werden kann durch abstrakte Formu- lierungen oder durch bewußt stilisierte Charakterbeschreibungen, die zuletzt doch nur persönliches Urteil bedeuten, noch durch pathetische oder humorvolle Anekdoten, sondern durch un- mitelbare»inbefangene Aeußerungen der Persönlichkeit selbst, am besten eben durch Familienbriefe. Im löblichen Eifer dieser gewiß nicht unanfechtbaren Meinung(denn Briefe sind fast immer Masken und der neuzeitliche schaffende Künstler pflegt sich Eltern und Geschwistern gegenüber nicht so wahrhaftig und intim iiber sein Geheimste? und Heiligstes, feine Hoffnungen und Ent- täufchungen auszusprechen als verstehenden Freunden und Förderern seiner Kunst gegenüber) hat Hellmer an die 106 Briese H. W.'s zu- fammengettagen. Sie erstrecken sich über einen Zeitraum von 25 Jahren, nämlich von den ersten Spuren geistiger Selbständigkeit im BenedikiinerkonvM St. Paul im Kärntner Lavanttale bis nahe vor dem traurigen Ende in der Wiener Landesirrenanstalt 1899. Aus den» Echo dieser Familienbriefe läßt sich der äußere Verlauf des Lebensganges genau verfolgen, der Schüler, der Jüngling, der hart mit seinen Eltern um seinen inneren Lebensberuf Musik ringt, der werdende Künstler offenbaren sich hier mit Entschiedenheit, Tempe- rament und Wahrhaftigkeit. Die höchsten künstlerischen Ekstasen aber bat Hugo Wolf , der mit solchen enthusiastischen Ausbrüchen sehr viel sparsamer war al? mit Kundgebungen seiner Verbitterung. seiner sarkasttschen schwarzgalligen Menschen- Verachtimg, nicht mit den alten Eltern und der Schwester Modesta ausgetauscht. Aus dem Sttst Marburg bat den 15 jährigen humanistischen Schüler pfäffischer Zelotismus vertrieben. Ein Streit mit dem ReltgionSprofesior. dem Wolf sagte,„daß eS genug sei, wenn er einmal in einem Vormittag Sonntags in die Kirche gehe", schlug dem Faß den Boden aus. W. teilte das seinem Vater, dem loackeren Lederermeister in Windischgrätz Philipp Wolf mit und kam gleichzeitig auf seinen Lebenswunsch zu sprechen �„Mir ist Musik wie Eisen»md Trinken. Da Sie aber durchaus nicht wollen, daß ich ein Musiker— und wie Sie der Meinung sind. M n s i« kant— werde, so will ich gehorchen und mich einem anderen Fach widmen. Gott gebe nur, daß Ihnen dann die Augen nicht auf- gehen werden, wenn es schon zu spät für mich zum Umkehren zur Musik sein wird. In Ihrem letzen Brief sah ich, daß der Musiker in Ihren Augen ein fast verächtliches Individuum ist. Verzeihen Sie mir mein hartes Schreiben, aber ick bm über Ihr letztes Schreiben fast verzweifelt. Ich grüße und küsse Ihnen vielmals die Hände als Ihr in seinen schönsten Hoffnungen getäuschter Sohn/ Nun der . Lederermeister gab nach und duldete es. daß sein Sohn das Martyrium und den steinigen Dornenweg deS mittellosen, protektionsloseii Komponisten durchmachte._ Aber auch wenn Philipp Wolf weiter nein gesagt hätte: die deutsche Liedkunst hätte doch ihren Hugo Wolf erhalten!__ W. U. Kleines feuiüeton* Kulturgeschichtliches. Künstliche Zähne im Altert ume. Auf die Erfolge unserer modernen Zahnheilkunde dürfen wir nicht allzu stolz sein. Denn was unbekannte Zahnärzte im alten Aegypten und Rom ge« leistet haben, steht unteren heutigen Errungenschaften kaum nach. Freilich, wie diese Künstler hießen, vermag die Geschichte nicht zu sagen, aber ihre Arbeiten haben unzweifelhaft bewiesen, daß die so« genannte„Brückenarbeit", auf die wir Modernen so stolz sind, schon sechs bis sieben Jahrhunderte vor Christo in vollendetster Art geleistet wurde. Im Grabe von Sidon fand man im Kiefer einer Frau vier Schneide- und zwei Augenzähne, die durch Golddraht zusammen gehalten wurden: zwei von den ersteren waren eingesetzte Zähne, die wir heute„Kronen" nennen würden, und mit Golddraht be- festigt. In dem Museum von Corneto, der alten Hauptstadt deS ettuskischen Bunde?, kann man verschiedene Beispiele von Brücken- arbeit sehen, bei der vernietete Metallbänder benutzt worden sind. Eins dieser Bänder trägt drei und ein anderes zwei künstliche Zähne, letztere sind aus einem Ochsenzahn gemacht, der so ausgekehlt worden ist, daß er menschlichen Zähnen ähnlich sieht. Solche Arbeit wurde im sechsten oder siebenten Jahrhundert v. Chr. geferttgt. In den Gesetzen der„Zwölf Tafeln ", die in Rom 450 v. Chr. niedergerschrieben wurden, ist es ausdrücklich verboten, goldene Schmucksachen mit den Toten zu begraben, eine Ausnahme ist nur für das Gold zugelassen, mit dem die Zähne zusammegehalten werden. Martial, der große römische Sattriker, spricht einmal von einer Frau, die dunkle Zähne habe, und von einer anderen, deren Zähne weiß seien: den Unterschied erklärt er damit, daß die eine ihre Zähne gekaust habe, während die der anderen echt wären. Die Verpflanzung von Zähnen au « dem Munde von Sklavinnen in den ihrer Herrin soll in der ersten Zeit des römischen Kaiserreiche? allgemein üblich gewesen sein. Aus dem Tierlebe«. Ertrinkende Fische. Diese Ueberschrift wird gar manchem höchst sonderbar erscheinen. Dennoch gibt es wirklich Fische, die im Wasser ertrinken. Man kann sogar drei Fälle unterscheiden. Erstens die Fische in den tropischen Ländern, die mehr außerhalb als inner- halb des Wassers leben. Sie sind den Forschern schon bekannt, aber noch nicht genügend, um daS Organ zu beschreiben, das es ihnen ermöglicht, stundenlang außerhalb des Wassers zu verweilen. Ferner gibt es Fische, die auf dem Schlamm herumspringen, und endlich solche, die Sträucher und Bäume erklettern. Bei der Lebensweise dieser Arten muß man füglich annehmen, daß sie den größten Teil ihre? AtmungSbedürfnifies aus der Luft befriedigen und ertrinken, sobald man ihnen das Verlasien des Wassers verwehren würde. Diese Annahme hat sich denn auch bestätigt, indem man mehrere Fischarten kennen gelernt' hat, die zwar nie das Wasier verlassen, aber den größten Teil der nötigen Luft über der Oberfläche des Wasser? in sich aufnehmen. Sie müsien infolge von Luftmangel genau so wie ein Mensch oder Säugetier ertrinken, wenn man sie am Lustschnappen verhindern würde. Bei diesen Arten genügen die.Kiemen nicht, um ihr Blut mit Sauerstoff zu versorgen, darum besitzen sie noch ein unter den Kiemendeckcln liegendes, au? 5knochenplättchen und zahllosen Blutgefäßen be- stehendes Organ, das Layrinth, wovon sie den Sammelnamen Labyrintbfische erhalten haben. Diese? Organ verarbeitet den Sauerstoff der Lust. Zu diesen Arten gehört der aus China stammende Makropodas (Grotzflosier), der jetzt überall in Aquarien gezüchtet wird, ferner zwei Arten Trick ogaster, die sich durch zwei lange von der Kehle herabhängende Fäden auszeichnen und der vsptiromonus«timtus. der sein Weibchen durch ziemlich laute, knurrende Töne heranlockt. Er ist einer der interesiantesten Aquariumfische, denn er baut für den Rogen seines Weibchens ein aus vielen in Speichel eingeschlosienen Lust- bläschen bestehendes Nest. Auch seine Gestalt mit den ziemlich laugen, spitz zulaufenden und in Fäden endigenden Flössen ist höchst eigenartig. An dritter Stelle sind noch die meisten unserer Süßwasserfische zu nennen, die im Wasier ertrinken, wenn ein kleines stehendes Ge- Wässer monatelang durch eine feste Eisdecke von der Berührung und Vermischung mit der Luft abgesperrt wird. Sie sterben im Wasser genau so an Luftmangel wie der ertrinkende Mensch. Von dieser Gefahr ausgenommen sind nur die Aale, die Schleie und 5tarauschen, die sich tief in den Schlamm einmullen und in einen Winterschlaf verfallen, währcuddesien ihr Atembedürfnis auf ein Minimum verringert ist. Früher nahm man das auch von den Karpfen an. Zu dem Luftmangel, der sich unter der Eisdecke einstellt, kommt noch die giftige Wirkung der aus dem Bodenschlamm aufsteigenden Sumpfgase. Wird das Eis auf solch einem Gewässer durchschlagen, so drängen sich die Fische in Menge herbei,»im an der steien Stelle Lust zu schnappen, welche Gelegenheit benutzt wird, um die„Eis- sischerei" auszuüben. 8cl». tverantw. Redakteur: Alfred Wietepp, Neukölln.— Drück u. Berlag: VorwärtSBuchSruckere» u.BerlagSanstalt Paul S!!PertCo.,BerUnL�'.
Ausgabe
30 (31.1.1913) 22
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten