Tu liigst wie immer. Wenn du ein Wort nur gepfiffen hattest, hättest du mich freilich hineingebracht, aber dich mit."... Nein. Mir hätte nian geglaubt. Es wäre nur ruchtv passiert. Ich bin nämlich jetzt in Stellung. Ich diene in der Ochrana  *) und bekomme fünfundsiebzig Rubel Gehalt außer Kosten und Gratifikationen.. Eine mäßige Karriere für einen, der geprahlt hat. es bis zur Million zu bringen!".. Wart' nur ab! Vor einem halben Jahr bin rch in die revolutionäre Organisation der Armee eingetreten. Tas ist eine Sache, an der ich mich hochbringe. Ich werde ihnen, abgesehen von verschiedenen Gebildeten, Offiziere heraus- holen, Oberste, ja vielleicht Generale... Ich bin kein ge- »vöhiilicher Spitzel, mein Chef verspricht mir, daß ich es weit bringe, aber ich weiß das auch ohne ihn." Tu bist in dem Jahr nicht klüger geworden. Immer . Erwartest du etwas und wirst nie etwas haben." «Nun, laß sehen, was du erreichst!" Ich will nichts erreichen. Ich will nur wie ein freier Mensch leben." Du hast noch den alten Unsinn im Kopf. Laß dir sagen, daß du in dem Jahr nicht klüger geworden bist! Du weißt, ich liebe und achte dich. Verzichte auf die dreihundert Rubel und ich werde dich protegieren. Ich bring' dich in die Ochrana   und dann in die Partei. Du wirst dich nach rechts und links lustig machen ich sage dir, das ist amüsant! Wenn du's erst einmal probiert hast, wirst du nicht mehr da- von lassen können. Alle Menschen, die ganze Welt, kommt einem so dumm vor." (goctfefcin'ft folgt.Z Die JVIodcdame. Von John Galsworthtz, autorisitr'e Uebertragung von L. Leonhard. Nun beobachte ich Tich schon seit zehn Minuten, während Dein Wagen anhält, und Hab' gesehen, wie Dein lächelndes Gesicht den Ausdruck zweimal wechselte, als ob Du sagen wolltest:Ich bin eS nicht gewöhnt daß man mich warten läßt". Aber eiuS fällt mir be­sonders auf: Daß Du für nichts um Dich her Interesse zeigst. sondern nur die Personen, die Dir gegenübersitzen und die Rücken Deiner Lakeien auf dem Kutschbot! anblickst. Augenscheinlich hat Dich nichts in dem angenehmen Gedanken stören können:Heute werd' ich mich noch sehr gut amüsieren". Dir gehört die drei- hundertste Kutsche in der langen Wagenreihe, die die Straße ver- sperrt. In den zweihundertneunundneunzig, die vor Dir halten und den vierhundert, die noch nach Dir kommen, sitzest Du auch das Gesicht mit den Augen, die nichts sehen, geradeaus gerichtet. Nur unwillig ertragen, während Du Dich im Mutterleib ent- wickeltest; mit der hervorragendsten Geschicklichkeit in die Welt ge» bracht; von der Mutter nur dann beachtet, wenn sie gerade in der Laune dazu war; gelehrt zu glauben, daß die Liebe für Deinen wohlgepslegten Körper und ein sicheres Benehmen, das sich durch gar nichts aus der Fassung bringen läßt, das Um und Auf des Lebens sind; gelehrt, den kleinen Kreis von Herren und Damen. die Du siehst, als die Gesellschaft zu betrachten und Deine einzige Arbeit darin zu erblicken, Dich auf»aZ Nächste zu besinnen, das Du gern haben möchtest und eS Dir zu verschaffen hat nie im Leben etivas auS Dir werden können! Niemand ordnest Du Dich unter, nur Dein eigenes Herz darf Dir gebieten, eS läßt Deine Wünsche, Deine Bedürfnisse. Deine Meinungen entstehen und heißt Dich, sie aussprechen. Deinem Herzen entspringen die Ouellen, die den Strom Deines Benehmens speisen; aber Dein Herz ist ein stehendes Gewäffer, ein Sumpf, der nie die Sonne gesehen bat. Jedes Jahr im April, wenn Frühlings- düfte die Luft erfüllen, iühlst Du etwas Sonderbares, etwas wie einen Schmerz unter Deinem Korsett. Warum denn nur? Du hast ja einen Gatten, oder einen Liebhaber, oder beides, oder keins von beiden, wie es Dir gerade am besten gefällt; Du Haft ja Kinder, oder konntest sie wenigstens haben, wenn D» wolltest; zu festgesetzten Stunden wirst Tu mit Speise und Wein gefüttert; Du hast Landleben und ländlich? Vergnügungen, so viel Du wünschest; Du Host Theater und Oper, Bücher, Musik und Religion I Von der Spitze der Feder, die man einem sterbenden Vogel auSriß, von den Blume», die für einen Hungerlohn gearbeitet wurden und nun Deinen Hut zieren, bis zu der sohle des Schuhes, der Deinen Fuß zusannnenpreßt, hat man Dich mit feierlicher Sorgfalt a»S- geschmückt; ein ganzes Jahr von Arbeit ist in Deine Toiletten genäht und in Deine Ringe gehämmert werden Du bist der verkörperte Triumph I Im Mittelpunkt des Mittelpunktes der Welt lebst Du; wenn Du willst, steht Dir alles zur Verfügung, was je gedacht ward, seit Geheime Organisation der Negierung gegen die Revolution. * w die Menschheit anfing zu denken; wenn Du willst, kannst Du alles sehen, was je geschaffen ward, denn Du kannst reisen, wohin eS Dir beliebt; die größten Naturwunder und die vollkommensten Werke der Kunst find Dir erreichbar. Die neuesten Meinungen übe« alles und jedeS kannst Du hören, wenn Du willst. Wenn Du willst, stehen die neuesten Gerichte für Deinen Gaumen bereit, erfreuen die neuesten Parfüms Deine Nase und doch hat nie im Leben etwas auS Dir werden könnenl Denn wenir Du so in Deinen siebenhundert Kutschen sitzest, bist Du blind und taub und fühllos, das blindeste Geschöpf in der ganzen Welt! Niemals in Deinem kleinen Leben hast Du auch nur eine Mnute lang für Dich selbst gedacht, gesprochen oder gar gehandelt. Man hat Dich stets davor bewahrt; und so außerordentlich geschickt stellt man es an. damit Du ja nicht sehend wirst, daß Du auch nicht die leiseste Ahnung von dieser Verschwörung gegen Dich hast. Dir selbst scheint Deine Sehkraft gut, und Du freust Dich darüber. Da Du Dir nicht einmal dieser Hecke um Dich herum bewußt bist, wie kannst Du dann sehen, was jenseits der Hecke ist? Der Schmerz, den Du im Frühjahr unter dem Korsett fühlst, ist alles, waS Du jemals von der andern Seite der Hecke wissen wirst. Und niemand ist dafür zu tadeln am wenigsten Du selbst. So war's schon lang bestimmt, noch ehe Tu dem Kuß deS wohlgenährten Dunimkopfes. der sich Deinen Vater hieß, enlsprangest. Dunkle, unerbittliche Mächte sind schon seit Urzeiten an der Arbeit, bis Du kleine, blinde Kreatur daraus hervorgingst als die Krone ihrer Schöpfung. Mit der wunderbaren Konsequenz, mit der das Schicksal seine Auswahl trifft, haben sie alle die iminer und immer wieder gepaart, die dem Genuinen am nächsten stehen, alle, die instinktmäßig den Gefahren des Lebens aus dem Wege gehen wollen, alle, die sich mit allen Fasern ans Althergebrachte klammern, bis die Mächte einen Zustand der Dinge hergestellt haben, auS dem Du mit Naturnotwendigkeit hervorgehen mutztest als die höchste Bollendung deS absoluten Nichts. Weil Du so kostbar bist, haben sie Dich abseits gepflanzt, und noch immer sind sie an der Arbeit, diese nimmermüden Gärtner, und Tag und Nacht schneiden sie an Dir herum und binden Dich fest, damit Du nicht entartest. Diese Mächte sind stolz auf Dich auf ihre Wachsblume ohne Duft und ohne Anniut. Die Sonne brennt herab und Dein Wagen steht noch immer still. Dieses Warten geht Dir auf die Nerven! Du kannst Dir gar nicht vorstellen, was Dir eigentlich den Weg versperrt! Stellst Du Dir überhaupt je etwas vor? Wenn man Dich aus all den prächtigen Hüllen, in denen Du steckst, herausschälen könnte. waS würde wohl als Dein innerster Kern zum Vorschein kommen? Eine winzige Seele, die jede Vorstellungskraft verloren hat. Eine Seele, die als Vogel zur Welt kam und nun zu einem Kriechtier geworden ist, ohne Schwingen, ohne Augen, das im Dunkeln herumtappt und alles an sich zu reißen sucht, waS ihm in den Weg kommt. Du erhebst Dich und sprichst zu Deinem Kutscher I Und wie Du so dastehst, finden Dich viele entzückend, die ebenso wenig wie Dein Lakai das TäfelchenBlind  " um Deinen Hals sehen können. Deine Toilette fitzt wie angegossen; Du trägst die modernste Frisur; der Aufputz Deines Hutes ist noch moderner; die Vornehm- heit Deiner Sprache ist unübertrefflich; berückender als Du kann keine mehr die Augen senken; Du bist nicht zu stark geschminkt; die Anmut, mit der Du Deinen Sonnenschinn hältst, kann man sich zun, Muster nehmen. Du Puppe der Natur I Vom Tage der Geburt bis zum letzten Atemzug! Und das Dir zugewandte glattrasierte Gesicht Deines Lakaien scheint zu sagen:Madame, eS ist nicht meine Sache, herauszufinden, wozu Sie eigentlich auf der Welt find. Genug, Sie existieren I Und ich lebe von Ihnen!" Du bist die Heldin der Posse, doch niemand kann über Dich lachen, denn Du bist tragisch, die tragischeste Figur auf Erden. Nicht Deine Schuld ist's, wenn Dir Ohren, Augen, Herz und Stimme so geschwunden find, daß Du keinen eigenen Geist mehr hast. Die Mode hat Dich hervorgebracht, und sie hat schon dafür ge» sorgt, daß Du das Abbild Deiner Mutter wirst. Sie Iveiß genau: Hätte sie Dich nur um Haaresbreite anders geschaffen, so würdest Du Deine Mutter durchschauen und verdammen. Und so bist auch Du die Mode, die Mode in Person, die blinde, fürchterliche Mode! WaS Du tust, tust Du nur. weil andere es tun; was Du denkst, denkst Du nur, weil andere eS denken; was Du fühlst.- fühlst Du nur, weil andere eS fühlen. Du bist das Wesen ohne Augen. Und niemand kann an Dich herankommen, niemand kann Dich anders machen. Du armseliges Geschöpf, das einzig von den Ge- danken anderer lebt; denn es ist ja nichts zum AndcrSmachcn da. Du fährst vorbei in Deinen siebenhundert Wagen, und die Straße ist von Deinem Glanz erfüllt. Ueber dieser Straße, unter ihr und zu beiden Seiten sind Millionen Dinge und Wesen, die Du nicht sehen kannst: Alles. WaS in der Welt organisch ist, alles, was lebt und strebt, alles, was nach Freiheit ringt. Im Prunk ziehst Du vorbei, blinde Sklavin deS eigenen Driumphcs I Und die eng- brüstigen Fabrikarbeiterinnen aus dem Trottoir blicken Dich aus tausend gierigen Augen an, denn Du bist etwas Seltsames für sie. Die Herzen vieler sind von Neid erfüllt; sie wissen ja nicht, daß Du so tot bist wie der eivige Schnee um einen Krater; fie wissen ja nicht, daß Du ein Nichts die Mode bist! DaS Wesen ohne Augen l