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Dieser bligartige Gedanke durchfuhr ihn mit einem halb brot, das mir als das Begehrenswerteste auf Erden erscheint. fchmerzlichen, halb wollüstigen Schauer. Jener unvergessene Besonders an die Balete mit Nahrungsmitteln muß ich denken, schreckliche und zugleich genußreiche Moment, den er einmal empfunden hatte, kam wieder. Einst, vor langer Zeit, wie er in Amerika war, als er zum erstenmal gewagt hatte, einen Menschen zu töten.
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Sieh da! Sieh da!"
Gryziak pflegte nie lange zu überlegen. Gedankenlos Hatte er Menschen getötet, gedankenlos das geraubte Geld bergeudet, und ebenso gedankenlos hatte er sich vielfach in die gefährlichsten Abenteuer gestürzt. Er war stets bereit, denn sein ganzes Leben setzte sich nur aus Momenten und plötzlichen Willensäußerungen zusammen.
Schon hatte er die Waffe hervorgeholt, als ihn eine plötzliche Scham überfiel.
Unerklärlich bleibt es, woher sie jetzt kam, diese Scham, da doch alles andere verschwunden war! Dahin war der Zorn auf die Menschen, der Durst nach Blut und Wahrheit, der Glaube an eine bessere Welt, die Erinnerung an feine Erlebnisse und alles Wünschen. Es blieb nichts zurück als eine gewisse ritterliche Ambition. Der einzige Ehrenpunkt eines verlorenen Menschen. Und er sagte sich: Nicht Gryziak, nicht auf bourgeoise Weise!
Er streichelte noch einmal den Hund, der ihm klug und ernst in die Augen jah, als würde er alles verstehen.
Komm, mein Hündchen, komm, und sieh, wie Gryziaf, ein freier Mensch, den seine Kameraden„ den Nager" nannten, zum letztenmal durch die Welt spaziert!"
die ich Bettler oft erhalten sah, und der Gedanke an die Gering Gabe betrachten, die zu befizen ich in meinem gegenwärtigen schäzung, mit der die meiſten dieser Baderen eine folde Zustand Jahre meines Lebens geben würde, versezt mich in wahre But. Auch an die schönen weißen fleinen Frühstüdspakete muß ich denken, die ich von meinen Schultagen her so gut fenne und der Gedante daran erfüllt mich in einem Maße, daß ich vergeffe, wo ich bin und mir schließlich einbilde, in Kopenhagen umher zuwandern und eifrig nach einem dieser Palete zu spähen, die ich in besseren Tagen bisweilen auf der Straße liegen fah. Und plötzlich erblicke ich, was ich suche ein fleines weißes Palet, es liegt ein wenig rechts von mir; es tann offenbar nichts anderes enthalten als Butterbrot! Schleunigst will ich zu ihm hineilen und es aufheben, bevor ein Konturrent es entdeckt; doch da stößt mein Fuß an einen Stein, der mich auf peinliche Weise daran erinnert, daß ich in Grönland bin und daß Kopenhagen und Butterbrote unendlich fern sind. Zu Jversens großer Verwunderung bin ich nach rechts abgebogen, und vor mir liegt ein kleiner weißer nichts Egbares! Ich spanne meinen Riemen also fester und gehe Stein leuchtend im Sonnenlicht Ach nein, diesmal war es wieder längs der Küste weiter. Doch die lodenden Balete wollen nichts bares! Ich spanne meinen Riemen also fester und gehe mir nicht aus dem Sinn! Es währt nicht lange, so bin ich abermals auf Abwegen und ertappe mich dabei, wie ich wieder vom Kurs abweiche, um Jagd auf einen fleinen weißen Stein zu machen, in dem seligen Glauben und der sichern Ueberzeugung, mich diesmal nicht zu täuschen, sondern wirklich ein Paket Eßwaren zu sehen.
Daß es Jversen nicht besser geht als mir, ist klar; denn ich merke, daß er häufig stehen bleibt, und wenn ich mich umwende, um zu sehen, was im Wege ist, beachte ich, wie er einen großen Stein Er blieb an der Ecke der Bielanskistraße stehen und einer gründlichen Untersuchung durch das Fernglas unterzieht, es jedoch kopfschüttelnd gleich wieder absetzt. Ich frage mehrmals, ob wartete. Ein eleganter Herr, der mit prächtigen Koffern von er etwas von Interesse sehe, und erhalte stets die Antwort, er habe gelbem Leder in einer feinen Droschke auf Gummirädern geglaubt, eine Proviantkiste zu sehen, aber bei näherer Untersuchung daherfuhr, gefiel ihm. Er kam vom Bahnhof, saß bequem habe sich herausgestellt, daß es ein großer Stein fei. Bald höre ich zurücgelehnt, mit einem pompösen Futteral auf den Knien. auf zu fragen, denn es ist allzu peinlich, und ich weiß ja, was zu Gryziak zielte, schoß und fehlte. Er zielte noch einmal, sehen er sich einbildet.
aber der elegante Herr, der nach dem Knall sich umsah, be
merkte, daß auf ihn gezielt werde, und warf den Kopf in- Der Beginn des frühlingswetters.
stinktiv auf die Knie.
Ringsum leerte sich die Straße. Die Leute stürzten in
die Tore und flüchteten nach allen Seiten.
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Von Dr. Richard Hennig.
Gryziak sah die Patrouille näher kommen: vier Der Name Mariä Lichtmeß ", den die katholische Kirche dem heranlaufende Soldaten, von Schuhleuten begleitet. Er trat 2: Februar beigelegt hat, besikt zwar ursprünglich gar keine Be ziehung zur Jahreszeit, dennoch hat die Wahrnehmung, daß von in die Mitte der Straße und stemmte die Hände in die Seiten. Anfang Februar an die Zunahme des Tageslichts, insbesondere in Hände hoch!" schrie der erste Polizist, ein dicker, muskulöser den Nachmittagsstunden, sehr merklich ist, in Verbindung mit dem Kerl, während er mit seinem Revolver nach ihm zielte, und Ausdrud Lichtmeß" von jeher wesentlich dazu beigetragen, daß der stürzte im gleichen Augenblick mit dem Gesicht nach vorn zu 2. Februar als„ Lostag" der Witterung eine bemerkenswerte Rolle Boden. Gryziak schoß noch einmal und traf einen Sol- gespielt hat und in den Bauernregeln" eine hervorragende Stellung daten, der sein Gewehr fallen ließ, doch auf den Beinen blieb. Die andern warfen sich wie auf Kommando auf ein Knie und eröffneten das Feur.
( Fortsetzung folgt.]]
Hungerqualen im Єife."
Es ist ein prachtvoller Morgen, still und far, allein wir haben anderes zu tun, als schöne Sonnenaufgänge zu bewundern. Jetzt, da wir zu sehen imstande sind, setzen wir unseren Weg rascher fort, denn bis zum Danmark- Hafen ist es noch sehr weit. Nur alle zwei Stunden halten wir inne, um furz zu rasten. Wenn es auch herrlich ist, auf dem Rücken zu liegen und die Glieder zu strecken, so werden diese wenigen Minuten des Friedens doch durch den Gedanken an die Qualen gestört, die uns bevorstehen, bis wir wieder in Gang kommen und die Steifheit aus den Gliedern gearbeitet haben. Vor allem die geschwollenen Knöchel schmerzen furchtbar infolge der vielen Berrenkungen, denen sie zwischen den großen Steinen unaufhörlich ausgesezt find.
Es steht schlimm mit den schmerzenden Füßen; find wir aber erst in Bewegung, so geht es einigermaßen. Schlimmer ist es mit dem Hunger, der mit jeder Minute zunimmt und phyfische Schmerzen verursacht. Ich kann immer nur an Essen denken. Anfangs weilen meine Gedanten mit Sehnsucht bei der Erinnerung an verschiedene Speisen, allmählich aber verdrängt der Gedanke an Butterbrot sie alle. Warum es heute gerade Butterbrot sein muß, weiß ich nicht, denn in den letzten Tagen war es vor allem ein ungeheuer großes Beefsteal, das meiner Phantasie als Inbegriff allen irdischen Glüds vorgeschwebt hatte. Heute jedoch ist es, wie gesagt, Butter*) Kapitän Mittelsen schildert in seinem Buche Ein arttischer Robinson", dessen erste Hefte eben bei Brodhaus herausgekommen find, die Abenteuer und Strapazen, die er auf feiner grönländischen Expedition erlebte. Sie wurde bekanntlich unternommen, um die verlorenen Tagebücher Mylius- Erichsens wieder aufzufinden.
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einnimmt. In den weitaus meisten Jahren steht ja zwar die unt diese Jahreszeit besonders auffällige raiche Zunahme der Tageshelligkeit in einem recht fühlbaren Gegensatz zur Gestaltung der Witterung, denn gerade die ersten zehn Tage des Februar stellen durchschnittlich die Hauptschneezeit für Deutschland dar, und im Anschluß daran erfolgt in der Beit zwischen dem 10. und 15. Fes bruar meistens noch ein äußerst fräftiger Kälterüdfall, so daß man in der Regel erst in der zweiten Hälfte des Februar die Empfin dung hat, daß es dem Frühling entgegengeht.
Zuweilen freilich, wenn flares, ruhiges Wetter mit mäßig hohen Temperaturen zusammentrifft, kann man auch schon in der ersten Februarhälfte bermeinen, mitten im Frühling zu sein. Es toma men zu dieser frühen Jahreszeit vereinzelt Tage vor, daß man in den Tagesstunden gern auf jeden Mantel und jede sonstige wär mende Hülle verzichtet. Besonders typisch in dieser Hinsicht waren die Tage vom 10. bis 16. Februar 1899, die eine Wärme brachten, wie sie der zweiten Aprilhälfte angemessen ist; am 10. stieg das Thermometer in Norddeutschland vielfach auf 15 Grad Celsius. Auch im folgenden Jahre, 1900, gab es um dieselbe Zeit des Jahres ähn lich abnorme, ja, noch extremere Temperaturen: am 15. Februar stand zum Beispiel in Hannover das Thermometer im Schatten auf 19 Grad Celsius! Solche Vorkommnisse gehören immerhin zu den sehr seltenen Ausnahmen und sind auch nicht einmal erwünscht, denn ein Rückschlag bleibt faum jemals aus, der um so empfindlicher sein muß, je weiter durch die unzeitgemäße Wärme die Begetation schon hervorgelockt worden ist. Gerade in den genannten Jahren 1899 und 1900 brachte der Monat März noch recht empfindliche Kälte, im Jahre 1899 jogar noch den stärksten Frost des ganzen Winters.
Gegen Ende Februar stellt sich das ausgesprochen frühlingss mäßige Wetter schon häufiger ein, obwohl auch dann kräftige Rückschläge niemals ganz ausbleiben, wie schon allein daraus hervorgeht, daß der letzte winterliche Schneefall im mittleren Norddeutschland stets erst in den Monaten März oder April, zuweilen selbst im Mai vorkommt. Zumal in den Jahren 1900, 1903 und 1912 gab es in Deutschland gegen Ende Februar schon Wärmegrade, wie fie einem besonders schönen April- oder Maitag durchaus angemessen sind. Am 29. Februar 1912 stieg in Berlin das Thermometer bia auf 16,8 Grad Celsius, und am 26. Februar 1903 beobachtete man in Süddeutschland bereits geradezu sommerlich anmutende Schattentemperaturen, so in Stuttgart 20,5, in München 21 Grad Celsius