auch nicht sagen. Ihr habt mich in Euren Händen, aber ichsage Euch, so wahr ich ein Pferdedieb war und ein Banditbin— an dieser Gemeinheit bin ich unschuldig."„Wann hast Du ihm von der Bombe erzählt? Ist dosschon lange her?"„Erst unterwegs hierher habe ich's ihm gesagt, damit ermir beim Handel beistehe."„Ach, lüge nur nicht, Du! Lüge nicht! Unsere Parteireicht weit und hat ein gutes Gedächtnis."„Du wirst uns verderben— aber Dich wirst Tu nichtretten, und auch Deine Leute trifft's."„Der Teufel wird Euch alle holen, wenn Du uns in dieFalle bringst. Die Partei wird ihre Wehr herschicken, dieniemand was schenkt, und würdet ihr bis ans Ende der Weltfliehen oder Euch unter der Erde verstecken!"Es war schon fast Mitternacht, als Figiszewski undKnoblak die Zuckerfabrik verliefen. Sie fuhren lange sckftvei-gend, als Figiszewski fragte:«Na. lebst Du noch. Freund?"„Ich weiß es selbst nicht. Was hast Du ihnen denngesagt, daß sie mich lebend laufen ließen?"„Ich? Das ist meine Sache. Ich weiß mit jedem Men-scheu auf seine Art auszukommen."„Wohin bist Du mit ihnen gegangen? Und was habtFhr da so lange geredet? In diesen anderthalb Stundenbin ich immerzu gestorben, kehrte zum Leben zurück und starbwieder. Barmherziger Gott! Was habt Ihr denn geredet?So sag's doch! In mir zittert noch alles."„Wir haben über Politik gesprochen. Ich versuchte, siezu überzeugen, wie gut es wäre, wenn sie eine Banditenbandegründeten, und sie redeten mir zu, der Partei beizutreten."„Du machst Witze, und ich sterbe vor Angst!"„Was fürchtest Du denn jetzt noch?"„Sie werden mich sicher hier unterwegs überfallen. Rettemich, Bruder! Ach Gott, Du steckst mit ihnen zusammen."Kor'.Ieyuiig'olar.>81 Der Hrzt.Eine Erzählung von Sigmun Rein(Kristiania).«Schlutz.>Soll er jetzt zu Werren geben? Ja, es war wohl das beste,«lach ihm zu sehen.Der Großhändler Werren saß schwerfällig in seinem Stuhl.Sein Fleisch war zu schlaff, um auf dem richtigen Fleck zu bleiben,«S hing und schau leite hier und dort, wodurch es das Ausseheneines sehr abgegriffenen Leichnams erhielt. Die blutunterlaufenenAugen weiteten sich, als sie Aarli sahen.„Gut' Tag, Doktor. Ich habe auf Sie gewartet. Mir geht'Sheute schlechter. Sie sagten, es wird besser werden. Ich kann garnichts essen. Psö I"Wenn er die saststrotzenden Lippen etwas öffnete, so kam einfettes, schmatziges Psö hervor.„Ich habe gesagt, daß Sie so wenig wie möglich effen sollen.Am besten gar nichts."»Ich kann nicht leben, wenn ich nicht« esse."„Sie werden viel länger leben, wenn Sie nichts effen würden,bis ich es Ihnen erlaube. Was haben Sie seit letzthin ge»trunken?"„Nichts. Ein bißchen Bier. Ich Hab' die ganze Zeit gedurstet,wie Sie es mir befohlen haben. Psö!"»Wieviel Flaschen haben Sie täglich getrunken? Zwei?".Vier."„Vier? Dann beginnen wir morgen mit einer und übermorgenüberhaupt keine."»Eine Flasche? Da verbrenne ich. Psö I"»Verbrennen werden Sie nickn, aber Sie werden aus eineandere Weise enden, wenn Sie nicht tun. was ich Ihnen sage."Die Fleischmosse begann zu zucken, die Augen traten hervor, dieLippen gingen auf und nieder, psö. psö.„Glauben Sie, daß ich sterben werde. Doktor? Bin ich schonim Sterben?"„Sterben müssen wir alle. Sie können noch lange leben, wennSie sehr vorsichtig sind."»Psö, psö! Sie sagen das nur, um mich zu trösten, aber ichwill nicht sterben I Will nicht sterben! Will niemals sterben I Psö.psö I Gestern war ein Priester hier, der mich darauf vorbereitenwollte, sagte er. Er schwatzte davon, und da wurde mir übler.Ich will nicht sterben!"„Sterben müssen wir alle Irüher oder später. Aber wem eszuerst beschieden, das wissen wir nicht."»Ja, Sie wissen es, Sie wissen es, Doktor. Und Sie glauben,daß ich es sein werde, das sehe ich Ihnen an. Aber ich kann nichtsterben, ich darf nicht sterben. Retten Sie mich, Doktor, retten Siemich I Sagen Sie mir, was ich niachen soll i"Die blauen Fäuste klammerten sich um AarliS Arm, auf dieLippen trat Schaum.„Fassen Ste sich doch, seien Sie ein Mannn." sagte Aarli undbefreite feinen Arm.„Aber ich sürcht' mich so! Ich fürcht mich so vor dem Tode.Ich kann nicht sterben. Ick,— er sah scheu umher— ich habe nichtdanach gelebt, um jetzt sterben zu können. Retten Sie mich, Doktor,lassen Sie mich leben! Verlangen Sie dafür, was Sie wollen, ichbin reich..Aarli sah ihn unwillig an.„Ich tue mein möglichstes auch ohne Extrabezahlung. LassenSie mich den Herzschlag hören."Aarli horchte danach.„Das Herz ist gar nicht übel. Heben Sie die eine Hand undhalten Sie sich still."Der Kranke tat dies. Die Fleischbeutel schaukelten ruckweise.Aarli sagte garnichts, der Blick des Großhändlers saugte sichschwammig an ihm fest, der Mund stand offen, und wieder begannsich Schaum über die Lippen zu legen.„S... Sie... Sie... sind so schweigsam, Doktor. Dannist es wohl gefährlich?"„Ganz und gar nicht I"„Ja. ich sehe es. Was soll ich machen, was soll ich machen?Psö. psö!"Seine zwei Geleekugeln begannen zu wäffern und deren blau-braune Unterlage zu befeuchten.Aarli mußte sich abwenden, um seine Heilerkeit zu verbergen.Der Großhändler glich einem überfütterten Kinde, das Prügel be-kommen halte. Aarli ließ ihn sitzen, bis er sich ausgeweint hatte.Und er selbst schien das ebenfalls nur zu erwarten. Dann gingplötzlich ein Zittern durch seinen Körper.„Hören Sie, Doktor, kommen Sie näher. Psö, psö. GlaubenSie, daß man... daß man dort drüben denen begegnet, die...die man früher gekannt hat?"„Das... da? ist schwer zu sagen."„Hm. Psö. Sie wissen ja, meine Frau und... meine Tochter,die... die leben nicht mehr. Sie sind tot. Ja. Seit mehrerenJahren. Die sind jetzt Staub. Ja. Aber, wenn das so ist, daßwir un« alle wieder begegnen, dann... Ja. Das muß groß seindort oben, nicht wahr? Wenn olle, die jemals gelebt haben, hin-kommen... Hm... meine Frau und meine Tochter werden vonmir dort oben mal gesprochen haben... mich angeklagt haben...daß ich sie gequält habe... Hm. Ja. Vielleicht war ich hart,ja'Er saß dort und starrte bor sich hin. Plötzlich klaschte er diefleischige Faust gegen den Stuhlarm und rief:„Aber ich bab' sie nicht getötet, da« ist Lüge. Ich Hab' es nicht,hören Sie. Doktor, das ist nicht wahr. Sie starben ganz einfach.Ja. Aber das war nicht meine Schuld..Wieder starrte er vor sich hin. Dann sank er in dem Stuhlzusammen und murmelte:„Und mein Sohn ist auch tot. Ich bin ganz allein da. Habeniemand. Ich habe nur eine Haushälterin, die mich bestiehlt. Sieund ihr Balg, der Junge. Sie sagt, er ist der meine, aber sie lügt ISie lügt, sage ich I Sie will mich dazu bringen, zu sagen, daß erder meine ist, damit er etwas erben kann. Aber das tu' ich nicht,die Hündin 1" Mit einem Male schrumpfte er zusammen undflüsterte:„Da kommt sie. Sagen sie nichts, Doktor, gar nichts."Ein großes, plumpes Weib ging durch das Zimmer. Sie sahna» den beiden, sagte aber nichts und grüßte nicht.„Sie lauscht, dieser Satan," flüsterte der Großhändler.»Abersie bekommt nichts und wenn sie blau wird. Psö, piö."„Regen Sie sich nicht so am." ermahnte ihn Aarli.„DaS tutIhnen nicht gut."Werren krümmte sich erschrocken zusammen.„Kann ich davon sterben? So plötzlich? Ich werde ruhig sein,mich nicht aufregen. Psö, psö. Niemals mehr mich aufregen,"wiederholte er und sah gerade vor sich hin, als ob er sich be-mühen würde, das nicht zu vergessen.„Aber sie horcht I Und wennSie fortgegangen sein werden, konimt sie herein und peinigt mich.Sie ist es, die immer sagt, daß ich in der Hölle schmoren werde.Psö. psö."„Ich will nicht sterben!" rief er dann wieder.„Doktor, Siesollen darauf sehen, daß ich nicht sterbe. Sie sollen jeden Tagkommen und nach mir sehen und mir sagen, was ich machen soll.Ich will alles tun, was Sie wollen. Soll ich nicht mehr Biertrinken? Ich werd' es nicht mehr, wenn Sie es sagen. Psö. psö.Sagen Sie. was ich machen soll. Sagen Sie alles zusammen. Alleswill ich tun."Aarli hörte nicht, was der Großhändler sagte. Er stand daund kämpfte mit einem neuen Anfall der Schmerzen im Herzen.Zum Schlüsse mußte er sich auf einen Stuhl niederlassen; aber ergriff nach dem Arme des Kranken und fühlte den Puls, um sich zubeschäftigen.»Aarli speiste zu Mittag mit seiner Verlobten. Eline Bode, derTochter des Schiffsreeders. Im Aussehen war sie AarliS Gegensatz,hellblondes Haar, durchsichtige Augen, klare, feine Haut und einengroßen, schönen Mund. Ihre Hände erregten Bewunderung. Siehatte etwas so Beruhigendes, das Aarli wohltat. Er ruhte bei ihr