151aus, sagte er stets. Aber eS gab Leute, die ihre Ruhe Lässigkeitnannten.Sie saßen voll Ruhe und Behaglichkeit beieinander. Er hatteihr nichts von Sigrid Jversen erzähl« und auch nichts von FrauLohde. Aon derlei brauchte sie nichts zu wisset«. Er sprach vonseinem Vortrag von heute abend und von der Hochzeitsreise. Wohinsollten sie reisen? Sie würde so gerne nach Paris reisen und dannfür kurze Zeit an die Riviera gehen. Dann könnten sie ja, solange das Stipendium reichte, bescheiden-bürgerlich in Deutichlandleben.Ja, wenn er das Stipendium nur bekommt? O, das wird erschon I Wo sollen sie dann hier in der Stadt mieten? Wohl nichtallzu weit draußen? Nicht wahr?»Nachmittags bereitete er nochmals seinen Vortrag vor, und alsdie Sitzung begann, war das Lampenfieber beinahe verschwunden.Auch das Herz meldete sich nicht.Die Sitzungen der medizinischen Gesellschaft waren stets sehrfeierlich. Und heute abend besonders. Sie fühlten sich so wohl indem kollegialen Kreise, die Wächter des Lebens, wie ein Professor siein einer Rede genannt hatte. Wir sind des Lebens Wächter. Inner-halb ihres Kreises war ein Sicherheitsgefllhl wie sonst nirgends.Hier waren Krankheit und Tod bloße Worte. Diese Männerhalten Krankheit und Tod in der Hand, schalteten damit nach Gut-dünken.Und diese Sicherheit teilte sich auch den Damen dieser Männermit, die waren auch innerhalb des Ringes. Sie lächelten voller,lachten beherzter als andere Frauen; sie hatten gleich ihren Männerndas Gepräge unverlierbarer Gesundheit.Aarli hielt seinen Vortrag. Als er geendet hatte, drückte derVorsitzende der Fakultät warm seine Hand und sagte einige Worte.Barlis Augen leuchteten auf, und sobald er nur frei war. eilte erzu seiner Verlobten, nahm ihre beiden Hände, und sie umarmte ihnbewegt.„Einen Monat an der Riviera," flüsterte sie. Er lächelte,drohte mit dem Finger, und dann gingen sie Arm in Arm soupieren.«Des Morgens kam eine Nachricht. Da sie zu Sigrid Jversenkam, fuhr sie auf und preßte sich auf die Ellbogen. Das weit ausgerissene Auge starrte, sah aber nichts. Und sie glitt wieder aufdas Kisten nieder, bedeckte das Geficht mit den Händen und zwischenden Finger,« rieselten Tränen hervor. Aber dann streckte sie diegefalteten Hände in die Lust, ihr feuchtes Gesicht blickte zum Himmelund sie flüsterte:„Laß mich bald nachkommen."---Eline Bode füllte das Zimmer mit ihrem Jammern.„Dasist unmöglich I" rief sie.»Jetzt, da wir heiraten und reisensollten."---Frau Lohde stand beim Fenster, über den Rücken und die Armeeinen Schal geworfen. Sie starrte auf die feuchte Gaste. EinSchauern durchrieselte sie. Sie wollte sich ihm gestern schenken.Wer weiß etwas vom Leben und vom Tod? Sie zog den Schaldichter zusammen.---Aber der Großhändler Werren schlug mit beiden Fäusten aufdie Stuhllehne.„Und er hat geglaubt, daß ich das sein werde I Da kann mansehen I Die Aerzte wissen gar nichts, nicht mehr als wir andere IHeute will ich einen Schweinsbraten mit Sauerkraut essen I Undeinen Schnaps und zwei Flaschen Bier l Amanda I Wo steckt denndas Weibsbild? Amanda I Hörst Du nicht? Psö! Pi'ö I"--Die Nachricht war: daß der junge, tüchtige Dr. Birger Aarli,der abends in der medizinischen Vereinigung einen von seinenKollegen mit großer Aufmerksamkeit angehörten Vortrag über einevon«hm angewendete Spezialbehandlung von Herzkrankheiten ge-halten hatte, daß dieser Dr. Aarli, der sicher das große Stipendiumerhalten hätte, heute nacht einem Herzschlage erlegen war.Bevölkerungsbewegung.(Schluß.)II. Sterblichkeit. Auch die Sterblichkeit ist in allenLändern in den letzten drei bis vier Jahrzehnten wesentlich zurück-gegangen. Die beste Methode ihrer Besttmmung ist die Verech-nung der mittleren Lebenserwartung(„mittlere Lebensdauer")aus den Sterbetafeln. Diese gibt an, wieviele Jahre die be-treffende Altersklasse noch erleben wird. Sie ist ein Ausdruck fürdie größere oder geringere Sterblichkeit der Bevölkerung. Esbetrug bei den neugeborenen Kindern die mittlere Lebensdauer:in 1871—80 1881— S0 18S1-1S0YSchweden.... 15,3 48,0 50,9Dänemark.... 46,8 46,9 60,2Frankreich.... 41,6 41,6 45,3England und Wales. 41,4 43,7 44,1Niederlande.... 88,8 42,5 46,2Norwegen.... 48,3 48,7 50,4Deutschland.... 35.6 37,2 40,6Schweiz.....— 40,6 43,3Italien.....— 85,1 42,9Belgien...,.— 43,6 45,5Oesterreich..*,»» 38,7 38,8Es zeigt sich also gleichmäßig, daß die mittlere Lebensdauerallenthalben zugenommen hat. In Deutschland betrug die Zu»nähme in diesem Menschenalter fünf Jahre, und im letzten Jahr»zehnt hat sich diese Tendenz noch weiter verstärkt. Für das Jahr-zehnt 1901— 1910 ist wenigstens in Deutschland die mittlere Lebens»oauer wiederum um fünf Jahre gewachsen, also Init verdoppelterSchnelligkeit gegenüber dem früheren Zeitraum. Um so viel hatsich demnach die Sterblichkeit der Bevölkerung gebessert. Aller-dings zeigt sich zwischen den einzelnen Ländern ein bemerkenS-werter Unterschied. Hier verhalten sich die industriellen Läi«derim allgemeinen ungünstiger als die mehr agrarischen. Dazukommen allerdings sehr starke klimatische Momente hinzu. Trotzder beträchtlichen Erhöhung der Lebensdauer steht aber Deutsch-land immer noch hinter den meisten europäischen Kulturstaatenzurück. Schweden überragt um volle zehn Jahre, Belgien unddie Niederlande um etwa fünf Jahre, Frankreich und Italien stehenin dieser Beziehung schlechter da als wir. Der Grund, warumDeutschland relativ so ungünstig abschneidet, liegt in seiner be«deutenden Kindersterblichkeit.Die allgemeine Sterbeziffer(d. h. die Zahl der Gestorbenenauf 1000 der Bevölkerung) ist in Norwegen, Schweden, Englandam geringsten, in Rußland, Ungarn, Belgien und Oesterreich an«größten. Allenthalben beobachten wir aber einen wesentlichenRückgang auch der Sterbeziffer. Die Erhöhung der Lebensziffer,die sich darin ausdrückt, bedingt anderseits eine Erhöhung derproduktiven Kraft des Volkes. Rechnet inan die Altersklassen vom15.— 60. Lebensjahre zu den produktiven, so hat sich dieses Alterallenthalben erböht. Die Völker sind schon dadurch wesentlich pro»duktiver geworden.Die Ursachen der Verminderung der Sterblichkeit und damitder Erhöhung der Lebensdauer sind ebenfalls mehrfache. Einmalder(für gewisse Klassen. Die Red.) zunehmende Wohlstand. Erermöglicht bessere Ernährung, vor allem im Kindesalter, bessereSorge im Falle der Krankheit, bessere Wohnxng und Kleidung undgrößere Sauberkeit. Sodann die Fortschritte der hygienischen undmedizinischen Wissenschaft. Dadurch ist die Verhütung von Epi»demien eher möglich geworden. Die Kanalisation hat die Gesund-heitsverhältnisse verbessert. Kindbett- und Wundfieber sind zurück-gedrängt worden. Weiter haben die Fortschritte des Verkehrs dieErnährungsverhältnisse besser gestaltet und uns gegen Hungers-nöte geschützt. Vor allem ist es gelungen, die Kindersterblichkeitin den Kulturländern wesentlich herabzudrücken, und da diesestets einen großen Anteil unter der Sterblichkeit ausmacht, so hatauch diese im ganzen sich verbessern können. Endlich aber wirktaus ebendiesem Grunde der Rückgang der Geburten auch auf denRückgang der Sterblichkeit ein. Beide stehen in einem Wechsel-Verhältnis: wo jene hoch ist, da pflegt auch diese entsprechend chochzu sein. Und ebenso zeitigt die Verkleinerung der Kinderzahl 2k«sich die günstige Wirkung, auch die Sterblichkeit zu verringern.Bei den slawischen Völkern ist bisher die Sterblichkeit noch amgrößten. Daraus erklärt sich die ungünstige Sonderstellung Ruß-lands und Oesterreichs. Auch die östlichen preußischen Provinzenhaben eine ungünstigere Sterblichkeit als die westlichen. Imganzen beobachtet man, daß die mittlere Lebensdauer der Neuge-borenen von Osten nach Westen fast beständig wächst. Weiter aberverdient Beachtung, daß die städlische und vor allem die groß-städtische Sterblichkeit in höherem Maße abmmmt als die auf demflachen Lande. Dadurch wird die Verringerung der Geburtenqrwtein den Großstädten wiederum aufgewogen. Allerdings ist an sichdie Lebenserwartung auch jetzt noch auf dem Lande günstiger alsin der Großstadt. Das zeigt sich beiin Vergleich der einzelnenLänder untereinander nicht minder wie bei der Gegenüberstellungder einzelnen Landesteile immer von neuem. Aber diese Differenzverkleinert sich doch zugunsten der städtischen ind»striellen Bevölke-rung, die hierin mehr fortschreitet als die ländliche.III. Natürliche Volksvermehrung. Aus demUnterschiede von Geburtenzahl und Sterblichkeit resultiert diönatürliche Volksvermehrung. Es ist nun für die neuzeitliche Eni»Wickelung charakteristisch, daß die Sterblichkeit mehrzurückgegangen ist als die Geburtenzahl. DieFolge ist, daß die Bevölkerungsvermehrung de« Gegenwart weitrascher und intensiver vonstatten geht als jemals zuvor. Der Ueber-schuß der Geburten über die Sterbefälle im europäischen Durch-schnitt macht gegenwärtig jährlich über 1 Proz. der Einwohnerzahlaus. Auch hier verhalten sich die einzelnen Länder verschieden.Nach der Höhe des Ueberschusses geordnet, betrug der jährliche Ge-burtenüberschuß auf 10 090 Einwohner inBulgarien....... 182Rußland....... 171Serbien....... 163Niederlande...... 155Deutsches Reich..... 149Dänemark....... 142Norwegen....... 141Rumänien....... 138England....... 121Oesterreich. 113Ungarn........ 110Belgien 107Schweden....... 106Italien........ 106Schweiz....... 104Spanien....... 92Portugal....... 51Frankreich....... 18Die slawischen Nationen haben zurzeit den stärksten, die roma»nischen Nationen den schwächsten Geburtenüberschuß, die germa-nischen Nationen stehen in der Mitte. Deutschland schneidet sehrgünstig ab, England schon weit ungünsttger. In Frankreich istdie Bevölkerung fast stabil. In der Mehrzahl der Länder ist der